Abfrage von Polizeidatenbanken -1: Polizeibeamte und Datenbanken

Diese Artikelserie will aufräumen mit verbreiteten Missverständnissen über die Abfrage von Datenbanken durch Polizeibeamte.
Sie beschäftigt sich in diesem Teil 1 mit

  • den besonderen Rechten und Pflichten von Polizeibeamten und
  • den Polizeidatenbanken und Datenbanken anderer Behörden, die Polizeibeamten für Abfragen zur Verfügung stehen.

Polizeibeamte, ihre Sonderstellung und ihre damit verbundenen Rechte und Pflichten

Der Sonderstatus von Polizeibeamten im Umgang mit personenbezogenen Informationen

Es gibt in der Bundesrepublik rund dreihunderttausend Menschen mit einem Sonderstatus: Es sind Polizeivollzugsbeamte:tin. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Urteil von 2009 definiert, was von Polizeibeamten erwartet wird: Sie müssen,

„dem Erfordernis, in schwierigen Situationen unter psychischer und psychischer Belastung schnell verantwortliche, möglicherweise einschneidende Maßnahmen zu treffen, und die Bereitschaft, in Erfüllung der übertragenen Aufgaben gegebenenfalls Leben und Gesundheit einzusetzen“ gerecht werden.“ (BVerwG Urteil vom 26.3.2009 Az.: 2 C3.08, ZBR 2009, 305)
Und sie haben das Privileg, im Dienst Informationen über andere Menschen zu erfahren, die sehr sensibel sind. Und daher NUR für dienstliche Zwecke verwendet werden dürfen.

Polizeibeamte und ihre Pflicht zur Geheimhaltung

Hessen erfindet (scheinbar) neue Grundregeln

Eine wahre Flut von Zeitungsartikeln beschäftigte sich in den letzten Tagen mit den illegalen Datenbankabfragen bei der Polizei in Hessen. Die versucht den Eindruck zu erwecken, als würden wesentliche Grundregeln für polizeiliche Geheimhaltungspflichten jetzt erst neu geschaffen: Die Frankfurter Rundschau z.B. berichtete , dass auf dem Startbildschirm von POLAS – das ist das INPOL-Land-System der hessischen Polizei – dieser Text eingefügt worden sein soll:

„Polizeiliche Auskunftssysteme dürfen ausschließlich zu dienstlichen Recherchezwecken genutzt werden. Zuwiderhandlungen können (sic?) disziplinar- oder arbeits- und gegebenenfalls strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.“
Da fragt man sich, ob jetzt auch bald Aufkleber an der Fahrertür von Polizeifahrzeugen angebracht werden „Privatfahrten sind mit diesem Fahrzeug nicht gestattet“ Oder ein Warnschild am Wasserwerfer „Nicht für die Gartenbewässerung verwenden!“!?

Meiner Ansicht nach handelt es sich um puren Aktionismus. Mit dem die Führung im Innenministerium und Polizeipräsidium entschlossenes Handeln demonstrieren möchte. Faktisch erzeugt dies jedoch einen falschen Eindruck: Denn Polizeibeamte sind – selbstverständlich! – längst schon durch entsprechende Gesetze zur Geheimhaltung der Informationen verpflichtet, mit denen sie im Dienst zu tun haben.

Alt-eingeführte Rechtsgrundlagen für die Geheimhaltungspflicht von Polizei­vollzugs­beamten

Die Geheimhaltungspflicht für Polizeibeamte ist zweifach gesetzlich geregelt:

  1. Zum einen durch das für den Beamten geltende Beamtengesetz: Für Landesbeamte gilt §37 des Beamtenstatusgesetz (BSG) und für Bundesbeamte der gleich lautende §67, Abs.1 des Bundesbeamtengesetzes: „Beamtinnen und Beamte haben über die ihnen bei oder bei Gelegenheit ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen dienstlichen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren.“
  2. Zum anderen durch das für die jeweilige Behörde geltende Datenschutzgesetz: Die Vorlage bildet die EU-Richtlinie 2016/680, die sogenannte JI-Richtlinie, die bis 2018 in deutsches Recht umzusetzen war [a]. Im Hessischen Datenschutzgesetz ist dafür der §48 – Datengeheimnis einschlägig:
    „Mit Datenverarbeitung befasste Personen dürfen personenbezogene Daten nicht unbefugt verarbeiten [*)] (Datengeheimnis). Das Datengeheimnis besteht auch nach der Beendigung ihrer Tätigkeit fort. Die Personen sind über die bei ihrer Tätigkeit zu beachtenden Vorschriften über den Datenschutz zu unterrichten.“.
    [*) Im Sinne des Gesetzes gilt auch die Abfrage von Daten als ‚Verarbeitung‘]

    Über die Einhaltung der Regeln zur Geheimhaltung / Verschwiegenheit

    Die überwältigende Mehrzahl der Polizeibeamten hält sich auch an diese Pflichten.

    Der Wert der Informationen in Polizei- und anderen Behörden-Datenbanken

    Es gibt allerdings schon seit vielen Jahren auch immer wieder Berichte darüber, dass einzelne Polizeibeamte ihre Sonderstellung nutzen, um Informationen aus den ihnen zugänglichen Datenbanken abzufragen: Mal für eigene Zwecke oder im Auftrag anderer Leute: Die ihnen für solche Informationen Zuwendungen gewähren oder Geld bezahlen.
    Denn die Informationen in diesen Datenbanken haben erheblichen Wert:

    • Weil sie selten sind, d.h. nicht frei und für jedermann verfügbar.
    • Weil sie für den interessierten Empfänger einen erheblichen taktischen Vorteil darstellen können (z.B. bei Vorab-Information über bevorstehende polizeiliche Kontrollen oder Durchsuchungen) oder
    • – und das scheint NEU an den illegalen Datenabfragen und ihrer Nutzung durch NSU2.0 in Hessen zu sein: Weil so erbeutete Informationen aus Polizei- und Datenbanken anderer Behörden für politische oder „weltanschauliche“ Zwecke genutzt werden können: Sowohl direkt von denen, die solche Informationen beschaffen, als auch von denen, an die solche Informationen weitergegeben werden.

    Datenbanken für die Standardabfragen eines Polizeibeamten (im Dienst)

    Wer schnell (richtig) entscheiden soll, wie das Bundesverwaltungsgericht das verlangt, braucht entsprechend schnell möglichst korrekte und umfassende Informationen. Polizeibeamte haben daher, wie kein anderer Berufszweig außerhalb der Nachrichtendienste, problemlos und ständig während ihrer täglichen Arbeit Zugang zu Informationen über Menschen, Firmen und Organisationen, Fahrzeuge, Adressen, TK-Anschlüsse, IP-Adressen und so weiter und so fort.
    Und zwar über die polizei-eigenen Datenbanken hinaus auch auf Datenbanken anderer Behörden, wie z.B. das Melderegister der Einwohnermeldeämter, das Ausländerzentralregister AZR oder ZEVIS, das Zentrale Verkehrsinformationssystem des Kraftfahrt-Bundesamtes über Führerscheininhaber, Fahrzeughalter, Kraftfahrzeuge und Kfz-Kennzeichen.

    Polizeidatenbanken

    Polizeidatenbanken enthalten Informationen, die ausschließlich von ‚der Polizei‘ erhoben und gespeichert wurden und ausschließlich Polizeibeamten bzw. der Staatsanwaltschaft und allenfalls noch Datenschutzbeauftragten bei einer der (zu seltenen) Kontrollen zugänglich sind.

    Die bundesweite Personen-Datenbank in INPOL

    Dazu gehört die Personen-Datenbank in INPOL, dem gemeinsamen Verbundsystem aller Polizeibehörden in Deutschland. Sie enthält Informationen über Personen,

    • die zur Fahndung ausgeschrieben sind oder waren,
    • die in Haft sitzen oder saßen,
    • die erkennungsdienstlich behandelt wurden,
    • von denen eine DNA-Probe entnommen wurde
    • oder die von einer Polizeibehörde als Gewalttäter oder Gefährder eingestuft sind.
    Der Umfang der Personendaten in INPOL

    Die Gesamtzahl der Personen-Datensätze in INPOL macht das BKA nicht öffentlich. Allein die Zahl der aktuellen FahndungsAUSSCHREIBUNGEN am 01.07.2020 beläuft sich nach jüngsten BKA-Angaben auf rund 280.000 Ausschreibungen zur Festnahme und rund 418.000 Ausschreibungen zur Aufenthaltsermittlung, zusammen als rund 700.000 (offene) Fahndungsausschreibungen.

    Die Zahl sämtlicher Personendatensätze in INPOL ist mit Sicherheit um ein Vielfaches höher, weil dort auch viele Personen gespeichert bleiben, gegen die aktuell KEINE Fahndungsausschreibung anhängig ist. Das liegt an langen Speicherfristen für Personendaten in INPOL für Erwachsene, die von der Gegenwart zurück bis mindestens zehn Jahre in die Vergangenheit reichen. Und weil – über die Fahndungsausschreibungen hinaus – sämtliche Personen gespeichert bleiben,

    • die in diesem langen Zeitraum einmal erkennungsdienstlich behandelt wurden,
    • oder eine DNA-Probe abgeliefert haben,
    • oder in Haft saßen,
    • gegen die früher ein Strafverfahren lief, vielfach auch dann, wenn dieses Verfahren längst eingestellt ist,
    • die von der Polizei als Gefährder eingestuft sind,
    • bzw. über die die Polizei personengebundene Hinweise vermerkt hat.
    • Ferner habe ich den Eindruck, dass auch hunderttausende von Asylbewerbern, die in den letzten Jahren in Deutschland ankamen, in INPOL gespeichert sind, konnte diesen Eindruck bisher aber nicht verifizieren.
    Die Qualität der Personendaten in INPOL

    Aus der Aufzählung wird deutlich, dass INPOL nicht nur gesicherte, überprüfte Informationen über Menschen enthält, die irgendwann einmal straffällig geworden sind. In Kommentaren unter aktuellen Artikeln (so z.B. hier [011-735]) liest man ja mitunter, dass schon selbst schuld sei, wer in einer Polizeidatenbank gespeichert ist. Nichts könnte falscher sein:

    • Weil die Löschfristen, nach denen Informationen gelöscht werden müssten, häufig immer wieder verlängert werden
    • oder von den datenbesitzenden Länderpolizeien nicht an das BKA als INPOL-Zentralstelle weitergegeben werden.
    • Weil längst nicht alle Personendatensätze in INPOL einen direkten Bezug dieser Person zu einer Straftat als Beschuldigtem oder zumindest Tatverdächtigem aufweisen.
    • Weil die Staatsanwaltschaften häufig nicht mitteilen, wenn sie ein einmal eingeleitetes Ermittlungsverfahren nach §153 bzw. §170 StPO eingestellt haben. Mit der Folge, dass die Person, obwohl längst strafrechtlich entlastet, immer noch in INPOL gespeichert ist.
    • Und weil die Einstufung als „Gefährder“ bzw. die Bewertung einer Person mit einem personengebundenen Hinweis alles andere als eine objektive, geschweige denn durch Dritte überprüfbare Feststellung ist.

    Was ein wenig versöhnlich stimmen kann mit INPOL als Quelle für illegale Ausspähungen durch Polizeibeamte ist allenfalls die Tatsache, dass dort zwar personenbezogene Informationen, darunter jedoch NICHT die aktuelle Meldeanschrift gespeichert ist.

    Die INPOL-Sachfahndung

    Diese Polizeidatenbank, ebenfalls ein (logischer) Teil des Verbundsystem INPOL, enthält aktuell nach Auskunft des BKA rund 16 Millionen Einträge über Sachen, die zur Fahndung ausgeschrieben sind oder waren. Den Schwerpunkt bilden abhanden gekommene Fahrzeuge. In der INPOL-Sachfahndung sind jedoch auch Informationen über Kunstgegenstände und andere Wertgegenstände enthalten.

    Informationen aus dem behördeneigenen Vorgangsbearbeitungssystem

    Jede Polizeibehörde führt ihr eigenes Vorgangsbearbeitungssystem für Vorgänge aus dem regionalen Zuständigkeitsbereich der Behörde (Bundespolizei, Landespolizeibehörde).

    Was Vorgangsbearbeitungssysteme so wichtig und besonders macht

    Für jeden Polizeibeamten ist das Vorgangsbearbeitungssystem das wichtigste elektronische Werkzeug überhaupt. Es ist weitaus mehr als nur ein VERWALTUNGSsystem für sämtliche polizeilichen Vorgänge (Ordnungswidrigkeiten, Verkehrssachen, Strafsachen, polizeiliche Hilfemaßnahmen, etc.). Jeder polizeilich bearbeitete Vorgang erhält eine Tagebuchnummer. Die gleichzeitig auch die Vorgangsakte identifiziert. Die kann man sich vorstellen wie eine virtuelle Hülle, der sämtliche Informationen und Dokumente zugeordnet werden, die zu diesem Vorgang gehören.

    Neben der VorgangsVERWALTUNG sind die Vorgangsbearbeitungssysteme auch immer wichtiger geworden für die VorgangsBEARBEITUNG: Sie enthalten also auch die Informationen über die Menschen, Ereignisse und sonstige Sachverhalte, um die es im jeweiligen Vorgang geht: Das sind Namen, Adressen und Telefonnummern von Unfallbeteiligten und -zeugen etc. Oder von Geschädigten eines Wohnungseinbruchs, einschließlich aller im Haushalt lebenden Personen. Oder von Hinweisgebern oder Personen, die eine Strafanzeige erstattet haben usw. usw. usw.

    Vorgangsbearbeitungssysteme – am wenigsten standardisiert von allen polizeilichen Informationssystemen

    Jede der 16 Länderpolizeibehörden und die drei Bundespolizeibehörden (Bundeskriminalamt, Bundespolizei und Zollkriminalamt) haben ihr eigenes Vorgangsbearbeitungssystem. Jede Behörde ist/war auch selbst verantwortlich für die Beschaffung und Weiterentwicklung. Daraus hat sich ein gewisser Wildwuchs entwickelt: Es gibt bei keiner anderen Kategorie polizeilicher Informationssysteme in Deutschland eine solche Bandbreite unterschiedlicher Systeme, wie eben bei den Vorgangsbearbeitungssystemen.

    Der Umfang von Informationen im Vorgangsbearbeitungssystem

    Zur Erfassung solcher Informationen bieten die Vorgangsbearbeitungssysteme ganze ‚Formularschränke‘ an. [Was teilweise auch die starke Diversifizierung bei den Vorgangsbearbeitungssystemen erklärt: Denn immer noch sind die polizeilichen Formulare sehr stark „Ländersache“. Und wurden die alten Formularschränke in vielen Fällen einfach in elektronische Formulare für das Vorgangsbearbeitungssystem übertragen.] Diese Formulare werden also am Bildschirm ausgefüllt und haben – zum einen – den Zweck, durch das vollständige Ausfüllen eines solchen Formulars ein DOKUMENT zu erzeugen (z.B. für eine Strafanzeige, Verkehrsunfallaufnahme, Aufnahme einer Ruhestörung, Diebstahl eines Fahrrads u.v.m.), das in der elektronischen Akte zum Vorgang abgelegt wird. Der weitere Zweck besteht darin, die wesentlichen Informationen, z.B. über die beteiligten Menschen, Sachen, Ortsangaben und Sachverhaltsangaben zu erfassen.

    Datenbanken- bzw. dokumentenorientierte Vorgangsbearbeitungssysteme

    Der Umfang der Ablage dieser ’strukturierten‘ Informationen in der Datenbank des Vorgangsbearbeitungssystems ist sehr unterschiedlich:

    • Manche Systeme sind stark strukturiert, sodass nahezu sämtliche ’strukturierten‘ Informationen, wie Personalien, Adressen, Ereigniszeiten und -orte und Schlagworte zu den Ereignissen in der DATENBANK des Vorgangsbearbeitungssystems zu finden sind. Die Vorgangsbearbeitungssystem POLIKS (Berlin) und ViVA (Nordrhein-Westfalen) z.B. erfüllen sowohl die Aufgabe als INPOL-Landessystem, als auch gleichzeitig die Aufgabe als Vorgangsbearbeitungssystem für alle berechtigten Polizeibeamte in diesen Behörden. Auch wenn es logische Abgrenzungen gibt, zwischen INPOL-Land und der Vorgangsbearbeitung spricht diese Architektur für einen sehr umfassenden und – dank Datenbank – auch umfassend recherchierbaren Datenpool.
    • Andere wieder, wie z.B. das Vorgangsbearbeitungssystem ComVor (Baden-Württemberg, Brandenburg, Hambug, Hessen, Thüringen) setzen vorwiegend auf Dokumente und verwenden mit „Comvor-Index“ eine relativ überschaubare strukturierte Datenbank.
    • Allerdings enthalten alle Vorgangs­bearbei­tungs­systeme aufgrund ihrer Dokumentenlastigkeit auch eine Fülle von Informationen in Volltextfeldern. Jede Sach­verhalts­darstellung wird in mehr oder minder „schönem“ Polizistendeutsch in solchen Feldern eingetippt.
      Und obwohl sich die Datenschutzbeauftragten nach ihren zeitweiligen Kontrollen solcher Systeme schon seit Jahren die Finger wund schreiben: Solche Empfehlungen kommen an der Basis, beim einzelnen Polizisten nicht an und daher ist es ‚der Polizei‘ nicht auszutreiben, dass in diesen Volltextfeldern Namen und Adressen vorkommen. (Empfohlen wird eigentlich, sich neutral auszudrücken und „vom Geschädigten“ oder „der Meldeadresse des Anzeigenerstatters“ zu sprechen, statt den Namen bzw. die Adresse im Volltext zu wiederholen.) Für neugierige Polizeibeamtennasen sind solche Volltextfelder zwangsläufig eine wahre Fundgrube für Stöbern und Lesen. Vor allem dann, wenn das System auch noch die Möglichkeit eröffnet, IN den Volltextfeldern bestimmte Namen, Adressbestandteilen und Begriffen zu suchen.
    Vorgangsbearbeitungssysteme als Informationsquellen

    Die Polizeibehörden als Betreiber dieser Systeme sind zurückhaltend, wenn es um die Frage geht, wer welche Informationen und Dokumente im Vorgangsbearbeitungssystem abfragen darf. Meiner Kenntnis nach können die meisten „normalen“ Vorgänge in einer Behörde von JEDEM Polizeibeamten dieser Behörde zumindest gelesen / abgefragt werden. Schreib- und Veränderungsrechte haben jedoch nur die jeweils lokal bzw. sachlich zuständigen Bearbeiter.

    Für besonders geheimhaltungsbedürftige Vorgänge gibt es, z.B. in ComVor, noch die Möglichkeit der „Satzsperrung“. Zum Beispiel für Vorgänge, die von einer Staatsschutz-Dienststelle erfasst und bearbeitet werden. Diese Satzsperre bewirkt, dass der gesamte Vorgang bzw. Teilvorgang nur von explizit berechtigten Sachbearbeitern gelesen, bearbeitet und verändert werden kann. Und dass Informationen aus diesem Vorgang NICHT bei Standardabfragen berücksichtigt und angezeigt werden.

    Informationen aus dem behördeneigenen Fallbearbeitungssystem

    Dann gibt es in jeder Polizeibehörde noch ein Fallbearbeitungssystem. Es steht NICHT jedem Polizeibeamten offen, sondern wird für komplexe Ermittlungen in der Kriminalpolizei verwendet. Natürlich ist nicht ausgeschlossen, dass auch Informationen aus den Datenbanken der Fallbearbeitungssysteme illegal abgefragt und genutzt werden. Doch ist allein schon die Zahl der berechtigten Nutzer dieser Systeme wesentlich kleiner, als die Nutzerzahl für INPOL und für das jeweilige Vorgangs­bearbei­tungs­system. Abfluss von Informationen aus den Fall­bearbei­tungs­systemen würde ich daher als eine mögliche Option einstufen. Nicht aber als den „Standardfall“ der illegalen Abfragen von Polizeidatenbanken und anderen Behördendatenbanken, auf die Polizeibeamte allgemein zugangsberechtigt sind.

    Sonstige Polizeidatenbanken

    Über die genannten Polizeidatenbanken hinaus gibt es andere, nur Polizeibeamten zugängliche Datensammlungen der Polizei. Angefangen beim Telefon- und Dienststellenverzeichnis bis zu Personalinformationssystemen und deren Schichtpläne. Oder das Spuren- und Asservaten­manage­ment­system. Oder Datenbanken, häufig auch im Format von Excel- oder Access-Tabellensystemen, z.B. mit Auswertedaten aus TK-Überwachungen oder Funkzellenabfragen.

    Diese Informationsquellen stehen im Rahmen der Standardabfragen von Polizeidatenbanken und Datenbanken anderer Behörden NICHT zur Verfügung. Sie sind keine allgemein zugänglichen Polizeidatenbanken, sondern dienen speziellen Zwecken. Insbesondere für die kriminalpolizeiliche Ermittlung oder für Aufgaben der Kriminaltechnik.
    Vielmehr bräuchte ein Interessent – auch aus der Polizei – dafür die entsprechenden Zugangswege und Zugangsrechte. Daher werden sie im Rahmen dieses Artikels nicht weiter berücksichtigt. Auch wenn natürlich die Abfrage (oder auch Manipulation) von Informationen aus solchen Datensammlungen und der Geheimnisverrat durch deren Nutzung bzw. Weitergabe ein noch einmal ungleich höheres Risiko- bzw. Schadenspotenzial darstellt – für die Betroffenen oder auch für die Polizeiorganisation.

    Datenbanken anderer Behörden, die Polizeibeamte routinemäßig abfragen können

    Im Rahmen der Standardabfragen können Polizeibeamte – neben den Polizeidatenbanken – auch Datenbanken von anderen Behörden abfragen:

    EMA / Melderegister

    Das bundesweite Melderegister wird von den mehr als fünftausend Einwohnermeldeämtern bestückt mit Informationen über Haupt- -und Nebenwohnsitze. Aber auch über Familien- oder Partnerschaften nebst Kindern, die in der gleichen Wohnung gemeldet sind.

    Ich halte es für wahrscheinlich, dass der Bezug auf Namen von Kindern bzw. Familienangehörigen in den „NSU2.0-Drohmails“ sich auf diese für Polizeibeamte relativ einfach zugängliche Informationsquelle stützt.

    Das bundesweite Ausländer-Zentralregister

    Über die rund 20 Millionen Nicht-Deutsche gibt es Informationen im Ausländer-Zentralregister [https://de.wikipedia.org/wiki/Ausl%C3%A4nderzentralregister]; es erfüllt für Nicht-Deutsche, darunter auch Angehörige anderer EU-Staaten, eine ähnliche Funktion wie das Melderegister für deutsche Staatsbürger.

    Das Visa-Informationssystem

    Das Visa-Informatiossystem ist ein System zum Austausch von Daten über Kurzzeit-Visa zwischen den Mitgliedstaaten des Schengenraums.

    Zentrales Verkehrsinformationssystem – ZEVIS

    Daten aus dem Zentralen Fahrzeugregister (ZFZR), dem Fahreignungsregister (FAER), dem Zentralen Fahrerlaubnisregister (ZFER) und dem Fahrtenschreiberkartenregister (FKR) können über das Zentrale Verkehrsinformationssystem ZEVIS von den berechtigten Stellen online abgerufen werden. Rund 400.000 Anfragen an die zentralen Register werden täglich rund um die Uhr über ZEVIS abgewickelt.

    Mit dem Zentralen Verkehrsinformationssystem lassen sich folgende Daten abrufen:

    • Fahrzeug- und Halterdaten aus dem Zentralen Fahrzeugregister,
    • Daten über erteilte Fahrerlaubnisse und deren Inhaber aus dem Zentralen Fahrerlaubnisregister,
    • Sach- und Personendaten zu eingetragenen Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten sowie Negativdaten zur Fahrerlaubnis (zum Beispiel der Hinweis auf eine Fahrerlaubnisentziehung) aus dem Fahreignungsregister, sowie
    • Daten über ausgestellte EU-Fahrtenschreiberkarten und deren Inhaber aus dem Fahrtenschreiberkartenregister.

    EUCARIS

    Das europäische Fahrzeug- und Führerscheininformationssystem EUCARIS (EUropean Car and Driving Licence Information System) ermöglicht einen direkten Online-Abruf von Daten aus den zentralen Fahrzeug- und Führerscheinregistern der beteiligten Staaten.

    Sonstige Datenbanken anderer Behörden und Institutionen

    Polizei kann im Rahmen ihrer Ermittlungen auch auf Informationsquellen von sonstigen Dritten zugreifen. Dies setzt voraus, dass die gesetzlichen Voraussetzungen dafür im Einzelfall erfüllt sind. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang z.B.

    • Bestandsdaten von Telekommunikationsanschlüssen (Anschlussinhaber, Standort, Vertragsdaten etc.)
    • Stammdaten von Bankkonten oder
    • Kontobewegungsdaten von Bankkonten (aufgrund richterlichen Beschlusses)

    Dabei handelt es sich um individuelle Abfragen, die NICHT zum Kreis der hier diskutierten Standardabfragen zählen, die das Gros der Polizeibeamten durchführen kann.

    Fazit

    Polizeibeamten stehen für Standardabfragen die INPOL-Datenbanken des gemeinsamen Verbundsystems aller Polizeibehörden zur Verfügung. Darüber hinaus auch die Informationen im behördeneigenen Vorgangsbearbeitungssystem und – entsprechende Zugangsrechte im Einzelfall vorausgesetzt – auch die Informationen im behördeneigenen Fallbearbeitungssystem.

    Ferner können Polizeibeamte Datenbanken anderer Behörden abfragen und erhalten so theoretisch über jede Person in Deutschland Auskunft über den bzw. die Wohnsitze, die Mitbewohner in der jeweiligen Wohnung und über die Eigenschaft als Fahrzeughalter bzw. Führerscheinbesitzer.

    Polizeibeamte unterliegen beamtenrechtlich der Verschwiegenheitspflicht über sämtliche dienstlichen Belange. Darüber hinaus gilt für sie auch aus dem Datenschutzrecht der jeweiligen Behörde eine Geheimhaltungspflicht über den Umgang mit personenbezogenen Informationen.

    Ausblick

    Der zweite Teil dieses Artikels, der in Kürze erscheinen wird, befasst sich

    • mit der technischen Ausstattung, die Polizeibeamten am Arbeitsplatz und mobil für Datenabfragen zur Verfügung steht;
    • und mit verschiedenen Varianten der Zugangskontrolle.
    • Er stellt die Optionen vor, mit denen Suchabfragen formuliert und Ergebnisse gesteuert werden können.
    • Und befasst sich mit dem weit verbreiteten Missverständnis über die ‚umfassenden‘ Protokollierungen solcher Abfragen
    • und deren Auswertungen und Kontrollen.

    Alle Artikel der Serie ‚Abfragen von Datenbanken durch Polizeibeamte‘

    Teil 1: Besondere Rechte und Pflichten der Polizeibeamten bei der Abfrage von Polizeidatenbanken und Datenbanken anderer Behörden
    Abfrage von Polizeidatenbanken -1: Polizeibeamte und Datenbanken

    Teil 2: Arbeitsplätze, Zugangskontrollen und die Wirksamkeit von Angaben zum Zweck der Abfrage
    Abfrage von Polizeidatenbanken -2: Zugangskontrolle und Zweck der Abfrage

    Teil 3: Suchfragen und trickreiche Möglichkeiten; Protokollierung von Abfragen und was daraus NICHT zu erkennen ist
    Abfrage von Polizeidatenbanken -3: Suchoptionen und Protokollierung

    Fußnoten

    [a]   Diese Umsetzung in deutsches Recht ist nicht für alle Polizeibehörden erfolgt. Für die Bundespolizei gibt es bis heute keine Anpassung an die JI-Richtlinie, wie der Bundesdatenschutzbeauftragte Prof. Kelber hier beklagt.

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