Panorama und Palantir: Recherche? Fehlanzeige!

Mein Deutschlehrer hätte “Themaverfehlung” druntergeschrieben, die Note wäre entsprechend gewesen, hätte ich einen Aufsatz abgegeben, wie den Beitrag im Politmagazin Panorama vom 19.6.: Überschrieben war er mit “Polizeisoftware Palantir: “Fluch oder Segen“ [1]

Die rhetorisch gemeinte Frage wird tatsächlich beantwortet: Ja, „vermutlich“ bringe Palantir mehr Sicherheit. Zu dieser Aussage kann man nur kommen, wenn man, wie die Redaktion dieses Beitrags, drei eindeutigen Vertretern der Einstellung  “Palantir ist ein Segen” genug Raum gibt, ihre Sicht der Dinge auszubreiten und sie erst gar nicht mit Rückfragen oder gar Zweifeln belästigt.

Aufgeboten wurden dafür am 19.6. zur besten Sendezeit in der ARD

  • ein “Analyst” aus dem Bayerischen Landeskriminalamt, der dem Zuschauer vorzaubern wollte, welche blitzartigen Erkenntnisse die Polizei aus VerA (,wie die Palantir-Software in Bayern heißt,) gewinnen kann und wie leicht es doch ist, wenn man alle rechtlichen Einschränkungen die auch für die bayerische Polizei noch gelten, zuvor über Bord wirft.
  • Dann kam dessen oberster Chef zu Wort, der bayerische Innenminister Herrmann, der die Zuschauer einlullte mit der grotesken Argumentation, dass die Beschaffung des Systems VerA von  Palantir vergleichbar sei mit einem Allerwelts-Bauauftrag seiner Behörde.
  • Und zum Schluss trat noch der frisch gebackene Bundesinnenminister Dobrindt auf, auch er von der CSU. Der nicht-öffentliche Vereinbarungen aus der jüngst zu Ende gegangenen Innenministerkonferenz verbreitete, die sich angeblich stark macht für mehr “Datenabgleichs” und “klassisches automatisierte Datenanalyse, auch mit KI”?

Gibt es eine Pflicht zum Recherchieren und wenn ja, warum gilt sie nicht für Panorama?

Die Kollegen von NDR, WDR und SZ, die für diesen Beitrag von Panorama verantwortlich zeichnen, beschränkten sich darauf  abzulichten, was vor der Kamera für sie inszeniert wurde. Kritische Auseinandersetzungen mit der angeblichen Dokumentation der Funktionsweise dieser Software unterblieben ebenso, wie ein Abgleich (sic!) der Verlautbarungen der beiden Innenministern mit den Fakten.

Ein Blick in den Pressekodex, dort Art.2 sei ihnen daher anempfohlen:

“Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.

1. Szene: Der Analyst vom BayLKA führt die Polizeisoftware VerA vor

Und damit zur ersten Szene: Ein Analyst vom BayLKA führt vor, welchen Segen Palantir-VerA doch bringt, und wie schnell und einfach man damit Terroranschläge verhindern kann.

Auftritt also: Ein namentlich benannter  “Analyst” des Bayerischen Landeskriminalamts, hinter einem Bildschirm sitzend, den man nicht einsehen kann, vor einem Werbedisplay für das System VerA:

Sprecher: “Die Polizisten zeigen uns, was VerA kann. An einem fiktiven Beispiel-Fall. Ein Analyst öffnet eine E-Mail. Darin: eine Terrorwarnung.”

Der Analyst: „Wir haben hier also eine Mitteilung vom BKA bekommen über eine EPost, dass gesicherte Informationen vorliegen, dass in den kommenden Tagen von der ISPK, also von der IS Provinz Khorasan, zu uns quasi mögliche Gefährder einreisen sollen. Das ist eine Liste im Anhang mit 100 Personen, die sollen sich demnächst in München bzw. Berlin aufhalten, um Vorbereitungshandlungen zu Anschlägen zu treffen.“

Das Bundeskriminalamt hat dafür eine Liste mit hundert fiktiven Namen geschickt. Auffallend auf Namensähnlichkeiten hingetrimmt, dafür fehlen die sonst bei Ausländern so häufigen Geburtsdaten “01.01.1992”, die die deutsche Polizei immer dann einsetzt, wenn das eigentliche Geburtsdatum nicht bekannt ist.

siehe Fußnote 1


Die Massensuche

Früher habe es Tage gedauert, solche Verdächtigen zu überprüfen, jetzt gehe alles schnell. Mit ein paar Klicks, die für den Zuseher nicht nachvollziehbar sind, prüft der Analyst, ob schon Namen davon in Bayern aufgefallen sind. Dafür nutzt er das Kernstück der VerA-Software: Die Massensuche

Der Analyst: „Dass Ganze kann ich jetzt bei uns in VerA mit einer sogenannten Massensuche abgleichen, in dem Fall habe ich jetzt in meinem polizeilichen Datenbestand fünf Personen, zu denen ich Treffer bei uns in den Datenbeständen gefunden habe.“ [Hervorhebungen durch den Verf.]

Dazu eine erste Anmerkung: Nein, der Analyst hat nicht “fünf Personen” gefunden. Sondern er hat fünf Informations-Objekte im Datenbestand gefunden, die in Namensbestandteilen von  Vor- und Nachnamen mit Namen aus der BKA-Liste übereinstimmen. So etwas passiert leider recht häufig mit Namen wie Thomas Müller, Yanos Kidane (Eritrea) oder Tarek Brahimi (Algier).

Man sieht begleitend dazu einen Screenclip auf dem u.a. benannte Symbole für zwei Personenobjekte dargestellt sind. Sie zeigen nur den Vor- und Nachnamen, kein Geburtsdatum und keinen  Geburtsort. (Diese vier Bestandteile verwendet die deutsche Polizei eigentlich zum Abgleich von Personen-Identitäten). Mit nur zwei Namensbestandteilen sind Verwechselungen aufgrund der Übereinstimmungen in Vor- und Nachnamen damit systemisch vorprogrammiert.


Gibt es connecting dots – verknüpfende Objekte?

Und weiter geht’s;  Jetzt sucht VerA in den Polizeidaten, ob es verknüpfende Objekte zwischen den Verdächtigen gibt. „Sie durchforstet Anzeigen, Verkehrsdelikte – alles, was gespeichert ist. Und findet etwas: Zwei  Verdächtige nutzen gemeinsam ein Fahrzeug.“

()-Einfügungen sind von mir eingefügte Erläuterungen; siehe auch Fußnote 1

Sprachlich einwandfrei ist diese Behauptung nicht. Denn eine Person – auf Position 9 Uhr im Beziehungsgeflecht zu sehen, ist ausgewiesen als Halter, die gleiche Person etwa auf Position 8 Uhr mit einem weiteren Symbol dargestellt ist der “Nutzer” *) und eine im Bild gar nicht zu sehende Person etwa auf Position halb 5 ist “Fahrer” des dargestellten Fahrzeugs. Dass sie das Fahrzeug” gemeinsam” nutzen, also zeitgleich und sich daher kennen, ergibt sich nicht, da Datum und Uhrzeit des Fahrens und Nutzens nicht angegeben sind. Das mag Ihnen “pingelig” erscheinen, doch diese Art von genauem, analytischem Denken ist bei solchen Auswertungen notwendig!

*) NB: Sehr missverständlich ist es übrigens, ein- und dasselbe Objekt dreimal im Beziehungsgeflecht zu zeigen, auf Position 9 Uhr, 8 Uhr und halb 7 Uhr.

Anmerkungen zur Darstellung einer verdeckten Ermittlungsmaßnahme

Wesentlich interessanter ist allerdings ein weiteres Symbol in Verbindung mit dem Fahrzeug: “GPS-Tracker” ist seine Bezeichnung, ausgewiesen als polizeiliche Maßnahme. Das ist zu interpretieren als eine verdeckte Ermittlungsmaßnahme, vermutlich nach §36 I, Satz 2 des derzeit geltenden  Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes. Das Fahrzeug wurde also mit einem angehefteten GPS-Tracker überwacht, um ein Bewegungsprofil (des Fahrzeugs!) zu erstellen.

  1. Diese verdeckte Ermittlungsmaßnahme ist (noch) in Bayern (und nur dort) zulässig, wenn eine “drohende Gefahr” konstatiert wird. [Nach einem BVerfG-Urteil vom 26.4.2022 wird in Zukunft – wohl auch für polizeiliche Maßnahmen (und nicht nur, wie im Urteil für nachrichtendienstliche Maßnahmen) eine “dringende Gefahr” verlangt werden.
    Diese Maßnahme erfordert einen richterlichen Beschluss.
    Und ist im Datenbestand als verdeckte Maßnahme zu kennzeichnen.
    Und zwar nicht nur aus rechtlichen Gründen. Sondern auch, weil die Kollegen aus der Staatsschutzabteilung, die diese Maßnahme zu verantworten haben, vermutlich die Wände hochgehen, wenn solche Maßnahmen in einer recht offenen Analysesituation auch Kollegen aus anderen Abteilungen angezeigt werden.
  2. Ein Bewegungsprofil des Fahrzeugs ist nicht gleichzusetzen mit dem Bewegungsprofil von  natürlichen Personen, die, wann auch immer (!), dieses Fahrzeug benutzt haben. Auch hier macht genaues, analytisches Denken den Unterschied zwischen belastbarer Hypothese, die einen Ermittlungsansatz bildet und bloßen Vermutungen aufgrund schwacher statistischer Übereinstimmung! Übrigens: Letztere weiterzuverfolgen kostet die Polizei auch viel Aufwand und Ressourcen und verursacht u.U. Zeitverlust für die wirklich relevanten Ermittlungen, der nicht mehr aufzuholen ist.

Der Analyst erläutert seine weiteren Entdeckungen

Eine “Straftat nach dem Aufenthaltsgesetz” ist mit einem Personensymbol verbunden. Sowie ein “Handflächenabdruck”.

Auch das kommt hunderttausend  Male vor bei INPOL-Datensätzen über Ausländer. Wenn sie als Asylbewerber einreisen, ist diese unerlaubte Einreise eine Straftat. Und daher für die deutsche Polizei die Rechtsgrundlage, um diese Leute erkennungsdienstlich (=ED) zu behandeln. Also hat jeder so entstandene Asylbewerber-Datensatz auch eine Datengruppe für die ED-Behandlung, mit Datei-Anhängen für die dabei erhobenen Finger- und Handflächenabdrücke und für die dabei geschossenen Fotos. Alles spricht für einen asylrechtilch behandelten Ausländer, doch nichts davon per se schon für den Verdacht eines gerade in Vorbereitung begriffenen Anschlags.

Auch benötigt man für solche Erkenntnisse nicht zwingend ein System, wie VerA. Jedes einigermaßen leistungsfähige Vorgangsbearbeitungssystem oder Fallbearbeitungssystem (, wovon Bayern doch mit eAsy schon seit zwei Jahrzehnten über die technische Speerspitze verfügt,) zeigt die ED-Daten, Fotos und Fingerabdrücke und weitere fallrelevante Dokumente ebenfalls aus einem Beziehungsgeflecht an.

Wir warten also immer noch darauf, was VerA eigentlich so unverzichtbar machen soll: Und nähern uns damit dem dramaturgischen Höhepunkt der VerA-Vorführung:

„Ohne VerA hätte ich die ganzen Daten auch überhaupt nicht gesehen …“

Panorama: „Und ohne „VerA“ hätten Sie das nicht so schnell sehen können.“

Der Analyst:  „Auf diese Schnelle auf gar keinen Fall und eventuell hätte ich die ganzen Daten auch überhaupt nicht gesehen.”

Das ist die Kernaussage dieser ganzen Szene – umso mehr will man wissen, welche Datenbanken in VerA tatsächlich als Quelle benutzt werden.

Ein genauer Blick auf den Bildschirm des Analysten vom BayLKA hätte zu diesem Thema Nachfragen ergeben müssen! Da wird als Quelle eine “nachrichtendienstliche Erkenntnislage” angezeigt, in einem anderen Bild über eine Person werden als Quellen INPOL und IGVP angegeben.

IGVP (integrierte Vorgangsbearbeitung Polizei) ist ein mehr als zwanzig Jahres altes, in Bayern in Ablösung begriffenes Vorgangsbearbeitungssystem der Polizei. Wenig glaubwürdig, dieses alte System als einzige Quelle für solche (Staatsschutz-)Daten – neben der Standard-Datenbank INPOL anzugeben. Vor allem, wenn daneben dann auch verdeckte Maßnahmen, wie der GPS-Tracker angezeigt werden. Die sicher kein Fall für die Speicherung in einem Vorgangsbearbeitungssystem sind! Und auch kein Fall für INPOL sind.

Und schon wurde wieder ein möglicher Anschlag verhindert …

“Jetzt verfolgen Ermittler auf der Straße das Auto zu einer Adresse. Die wird sekundenschnell mit „VerA“ überprüft. Der Ort ist im fiktiven Fall polizeibekannt- als Treffpunkt radikaler Islamisten. Dort nehmen die Ermittler, die Verdächtigen fest.“

Der Analyst: „Die Täter wollten einen Anschlag verüben. Durch „VerA“ bzw. allgemein durch die Analysearbeit hier wurde dann ein möglicher Anschlag verhindert.”

Gut, dass diese kriminalistische Findigkeit es noch nicht bis auf Tatort- oder Polizeiruf”-Niveau geschafft hat. Dort wird hinsichtlich der Feststellung von “Tätern” oder Vorbereitungshandlungen für einen Anschlag doch noch etwas mehr verlangt, als nur die Tatsache, dass zwei Personen bei einer Personenkontrolle – zu unterschiedlichen Zeiten – in/mit einem Fahrzeug festgestellt wurden. 

Damit Schluss der ersten Szene – Schnitt – die Kamera zeigt ein sehr grünes Zimmer mit einer passend grün gekleideten “Digitalpolitikerin”. Ihre Parteizugehörigkeit ergibt sich unschwer aus der Deko. Sie teilt mit, dass “Palantir dafür designt ist, viele Datenbanken zusammenzutragen …” – eine hilfreiche Erläuterung.
Man hätte nur mehr draus machen müssen!

2. Szene: Der bayerische Innenminister darüber, was in Ausschreibungsverfahren keine Rolle spielt …

Innenminister Herrmann wird befragt zur politischen Unabhängigkeit von Palantir, dessen Mitgründer Peter Thiel als erklärter Demokratiekritiker und Trump-Intimus gilt. Herrmann’s Antwort:

“Man muss halt auch klar sagen, dass das in einem öffentlichen Ausschreibungsverfahren keine Rolle spielen kann, wenn wir hier in den Bauauftrag für irgendein Bauwerk in Bayern vergeben, kann ich auch nicht danach fragen, welche politische Gesinnung der Eigentümer dieser Firma hat.”

Diese Aussage leitet gleich aus mehreren Gründen in die Irre und das ist vermutlich kein Versehen des Polit-Profis Herrmann:

  1. Von einem “öffentlichen Ausschreibungsverfahren” kann keine Rede sein. Dem  Beschaffungsverfahren ging eine Marktsichtung voraus, darauf folgte ein beschränkter Teilnahmewettbewerb, zu dem geeignet erscheinende Anbieter eingeladen wurden. Öffentlich war lediglich die Mitteilung über diese Maßnahmen und – ganz zum Schluss die Veröffentlichung des siegreichen Gewinners – eben die deutschen Palantir-Tochter. Alles andere lief im Geheimen ab.
  2. Die Beschaffung von VerA zog sich über mehrere Jahre hin, es ging nicht um den  Bauauftrag für neue Garagen für das Polizeipräsidium Oberbayern, sondern um einen Rahmenvertrag, den Bayern mit der deutschen Palantir-Tochter abschloss und dem sich sämtlich deutschen Polizeibehörden anschließen können.
    Schon während der Entscheidungsphase arbeiteten Palantir-Mitarbeiter direkt im LKA Bayern mit, was sehr ungewöhnlich ist für ein solches Verfahren.
  3. Selbst in diesem Verfahren –  und soweit die Formalien des Verfahrens bekannt wurden – wurden Anforderungen an die Zuverlässigkeit des Bieters gestellt. Sie auf die “politische Gesinnung des Eigentümers” zu beziehen, lenkt vom Thema ab.

Tatsächlich relevant wäre allerdings nach der Person des Eigentümers des siegreichen Bewerbers zu fragen: Denn die deutsche Palantir Tochter (Palantir Technologie GmbH) ist hundertprozentige Tochter der US-Muttergesellschaft, eine Erkenntnis, die sich vom Schreibtisch aus in fünf Minuten abklären lässt.

Hier hätte nachgefragt werden müssen, welchen Verpflichtungen nach dem jüngst wesentlich verschärften US-Foreign Intelligence Surveillance Act (702/FISA) die Firma Palantir unterliegt. Und was das für Menschen und deren Daten in deutschen Polizeisystemen bedeutet.

Auch hätte gefragt werden müssen, an wen Bayern eigentlich die sicher erklecklichen Lizenz-, Wartungs- und Anpassungsgebühren bezahlt. Denn die Palantir GmbH führt in ihren veröffentlichten Jahresabschlüssen aus, dass sie ihre Einnahmen von der US-Mutter erhält.

Mindestens diese beiden Fragen hätten dringend notwendige Aufklärung angestoßen. Statt den Herrn Innenminister mit seinen billigen Allgemeinplätzen davonkommen zu lassen.

Meinungsmache wie bei der Wetterkarte

Schwenk vor der dritten Szene:  O-Ton eines Sprechers aus dem Off:

“Wir fragen gemeinsam mit dem WDR und der Süddeutsche Zeitung alle Bundesländer an, wie sie zu solcher Datensoftware stehen. Die Antwort ist  eindeutig: Alle wollen so eine große deutschlandweite Software [sic?!]. Aber um Palantir gibt es Streit. Länder wie Bayern, Hessen oder NRW, vertrauen der Software bereits. Andere Bundesländer- hier rot eingefärbt- vor allem SPD-geführte – sind eher dagegen. Sie wollen eine eigene europäische Lösung.


Dazu wird diese Karte eingeblendet: Blau eingefärbt sind die drei erwähnten Länder, die Palantir bereits einsetzen: „Noch-nicht Palantir-Verwender“ – vor allem SPD-geführte, wie es überflüssigerweise und teils auch sachlich falsch im Text heißt – sind rot. Doch warum sind auch Baden-Württemberg und Sachsen in blau eingefärbt, also als Palantir-Länder ausgewiesen?

Ist das schon Manipulation oder “nur” schlampige Abweichung zwischen Sprechertext und dokumentierter (?) Grafik.

3. Szene: Die Innenminister aller Länder und des Bundes vereinen sich …

Panorama berichtet, dass die Innenminister der Länder – hinter verschlossenen Türen – angeblich beschlossen hätten, der Polizei künftig deutlich weitergehende Befugnisse zuzugestehen: O-Ton Alexander Dobrindt, CSU, Bundesinnenminister:

„Das, was entschieden worden ist, dass man automatisierte Datenanalysen machen kann, dass man Datenabgleichs machen kann. Dass man auch nachträglich biometrische Datenabgleiche machen kann im Internet mit frei zugänglichen Daten, also eine klassische automatisierte Datenanalyse auch mittels Kl.“

Man hätte gern erfahren, ob der Minister denn ERKLÄREN kann, was er da von sich gibt. Was sollen „nachträgliche biometrische Datenabgleiche“ sein? Welche „biometrischen Daten“ sind „im Internet frei zugänglich UND für polizeiliche Ermittlungen tatsächlich ergiebig? Mugshots, Finger- und Handflächenabdrücke, wie sie bei polizeilichen erkennungsdienstlichen Behandlungen verwendet werden, wohl eher nicht. Schnappschüsse aus sozialen Medien oder aus Überwachungskameras – denkbar, wenn auch recht undankbar in der Treffergenauigkeit. Und was ist eine „klassische automatisierte Datenanalyse auch mittels KI?“ 

Und wie sieht’s aus mit der Rechtsgrundlage dafür? Bzw.: Nach wie vielen Jahren werden der Bundesgesetzgeber und alle Länderparlamente diesen erheblichen Änderungen wohl zustimmen?

Die deutliche Antwort von Panorama:
Vermutlich bringt Palantir-Software mehr Sicherheit

Fragen über Fragen, doch die Schlussphrase der Redaktion bleibt schwammig:

„Online-Analysen mit Kl? Gesichts- und Stimmerkennung im Internet, eine Datei von psychisch-Kranken, die gefährlich werden könnten? Das dürfte weit über das hinausgehen, was heute erlaubt ist. Weit mehr als gedrosselte Palantir-Software. Bringt es mehr Sicherheit?“  

Das Fazit dann manipulativ: „Vermutlich schon, aber zu welchem Preis?“

Panorama hat eine tolle Gelegenheit versäumt, auf DIESEN PREIS deutlich hinzuweisen

Indem die vorgeführte polizeiliche Praxis hinterfragt wird und Folgen für mögliche Betroffene offengelegt werden.

  • Die Tatsache, dass die gesetzlich vorgeschriebene Kennzeichnung des Zweck, zu dem personenbezogene Daten erhoben werden, in der VerA-Praxis offensichtlich kein Thema ist.
  • Die offensichtliche Überschreitung gesetzlicher Grenzen aus Polizei- und Datenschutzgesetzen über die zulässige Weiterverarbeitung personenbezogener Daten.
  • Die Nicht-Kennzeichnung von personenbezogenen Daten (zu denen auch Fahrzeuge gehören!), die mit verdeckten Mitteln erhoben wurden.

Der Preis dafür ist, dass personenbezogenen Daten, die seit 2018 europaweit unter besonderem Schutz stehen sollten, gar nicht den Schutz genießen, den die Datenschutz- und Polizeigesetze ihnen zuweisen. Man nennt so etwas gemeinhin Schaufensterpolitik.

Das Positive an diesem Panorama-Beitrag ist: Die tatsächliche Praxis und die Haltung in Polizei und Politik wird dokumentiert:

  • Übergriffige Software, die auf die Einhaltung gesetzlicher Rechte offenbar nicht angepasst ist.
  • Essenzielle Softwarefunktionen, wie der Abgleich von Personenidentitäten, die zu simpel implementiert sind und deren systemische Fehler daher absehbar sind.
  • Ein bayerischer Innenminister, der ein amerikanisches IT-System klandestin beschafft, auf der Hand liegende, gravierende Bedenken ignoriert und über den möglichen Abfluss von Daten in die Vereinigten Staaten mit einer grotesken Simplifizierung hinwegzutäuschen versucht.
  • Und ein Bundesinnenminister, der Aktionismus verbreitet mit Heilsversprechen, die keine sind, und das Land mit Sicherheit nicht sicherer machen würden.

Offenbar hat keiner der Macher dieser Sendung verstanden, was sie da eigentlich vor der Kamera hatten und wie sehr die drei Protagonisten die ARD/Panorama/-Bühne für ihre Zwecke genutzt haben. So etwas nennt man eine vertane Chance.

Schlimmer noch wäre die Vermutung: Sie haben es verstanden, aber freiwllig den Sendeplatz für Polit-PR geboten. Dazu empfiehlt sich Absatz 1 der Präambel des Pressekodex, auch bezeichnet als die „Publizistischen Grundsätze“.


Fußnote 1 / nachgetragen am 24.6.25: Es sind in diesem „TV-„Beitrag von Panorama gar keine echten Video-Aufnahmen aus der Perspektive des Analysten vom BayLKA zu sehen. Vielmehr wird wiederholt nach einem Schnitt ein „Still“, ein Standbild gezeigt. Aus dem Bild mit der Namensliste und dem zweiten, oben wiedergegebenen Beziehungsgeflecht sieht man auch deutlich, dass diese Bilder teilweise oder ganz „geblurred“ sind, also mit einem Unschärfe-Filter überlegt sind. Auch das spricht für ein Standbild – und das alles in Summe dafür, dass hier ein Theaterstück inszeniert wurde, recht schlecht noch dazu, wenn man die obigen Anmerkungen noch mit ins Kalkül zieht zu den aus diesen Bildchen gezogenen „analytischen Schlussfolgerungen“. Ein übles Zeichen dafür, wie leicht sicher gut bezahlte ÖRR-Mitarbeiter zu täuschen sind – oder einen solchen Aufzug vorsätzlich mitmachen.

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