Trennungsgebot

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Das Trennungsgebot ist eine deutsche Besonderheit und eine besondere Ausprägung des Grundsatzes der Gewaltenteilung [1]. Es legt fest, dass Aufgaben, Funktion, informationelle Grundlagen, Organisation und Personal der Polizeibehörden und Nachrichtendienste voneinander zu trennen sind.

Wie ist das Trennungsgebot entstanden?

Das Trennungsgebot entstand aufgrund von spezifisch deutschen Erfahrungen:
Das war zum einen die politisch gelenkte, geheime Staatspolizei (Gestapo) [2] im Deutschen Reich von 1933 bis 1945.

Beseitigung der Länderpolizeien

In der Weimarer Republik war Polizeiarbeit Ländersache gewesen. Dies änderte sich nach dem Reichstagsbrand [3] und daraufhin erlassenen ‚Notverordnungen zum Schutz des deutschen Volkes und Staates‘. Das ‚Gesetz über den Neuaufbau des Reiches‘ vom 30.1.1934 beseitige den föderativen Aufbau Deutschlands und übertrug die Hoheitsrechte der Länder auf das Reich. Die Landespolizeibehörden wurden dem Reichsinnenminister unterstellt. Gut die Hälfte der Schutzpolizei wurde ein Jahr später in die Reichswehr überführt. 1936 wurde ein „Chef der Deutschen Polizei“ beim Reichsinnenministerium eingesetzt und die politische Polizei der Länder (entspricht dem heutigen polizeilichen Staatsschutz) in die „Geheime Staatspolizei“ (=Gestapo) überführt, sowie ein Reichskriminalpolizeiamt eingerichtet.“ [4]

Der Polizeibrief – Grundlage für die Trennung von Polizei und Verfassungsschutz

Drei Jahre nach Kriegsende – 1948 – beriet der Parlamentarische Rat, ein von den Westalliierten eingesetztes politisches Organ, über die politische Neuordnung West-Deutschlands und das zukünftige Grundgesetz. Dabei ging es auch um die Errichtung der Polizeigewalt für den Bund.

In einem später so genannten „Polizeibrief“, schränkten die Militärgouverneure der Alliierten ein, dass es „der Bundesregierung erlaubt ist, eine Behörde aufzubauen, um Informationen zu sammeln bzw. zu verbreiten, die staatfeindliche Bestrebungen gegen die Bundesregierung zum Ziel haben. Diese Behörde dürften jedoch keine Polizeivollzugsrechte eingeräumt werden.“ Damit sollte erreicht werden, dass ein – heute so genanntes – Bundesamt für Verfassungsschutz errichtet werden darf. Als das Grundgesetz für West-Deutschland im Mai 1949 von den Westalliierten genehmigt wurde, nahmen sie im Genehmigungsschreiben ausdrücklich Bezug auf diesen Polizeibrief [5].

„Historische Erfahrungen mit dem Staatssicherheitsdienst der DDR“

Eine ähnliche Einschränkung findet sich auch in der Verfassung des Freistaates Sachsen aus dem Jahr 1992: „Der Freistaat unterhält keinen Geheimdienst mit polizeilichen Befugnissen“. Und ähnlich auch in der Verfassung Thüringens aus dem Jahr 1993: „Zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung ist eine Landesbehörde einzurichten. Polizeiliche Befugnisse und Weisungen stehen dieser Behörde nicht zu.“ In einer Auslegung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes zum Trennungsgebot wird auch auf die „historische Erfahrungen mit dem Staaatssicherheitsdienst der DDR“ hingewiesen [6].

Das Trennungsgebot wurde nachfolgend in allen Nachrichtendienstgesetzen des Bundes und der Länder geregelt.

Bundesamt für Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt im Grundgesetz

Die mit dem Polizeibrief präzisierten Absichten sind niedergelegt im Artikel 87, Abs. 1 des Grundgesetzes [7]. Dort heißt es:

„… Durch Bundesgesetz können … Zentralstellen für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen für die Kriminalpolizei [=Bundeskriminalamt / d. Verf.] und zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, [=Bundesamt für Verfassungsschutz / d. Verf.] eingerichtet werden.“

Sicherheitsbehörden – Nachrichtendienste – Polizeibehörden

Sicherheitsbehörden ist der gemeinsamer Oberbegriff für Polizeibehörden und Nachrichtendienste.

Nachrichtendienste

Nachrichtendienste ist der Oberbegriff für

  • die Verfassungschutzbehörden, also das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Landesämter für Verfassungsschutz
  • den Bundesnachrichtendienst (BND)
  • den Militärischen Abschirmdienst (MAD)

Sie versorgen die politischen Entscheidungsträger mit Informationen über die Sicherheitslage. Sie sind ferner befugt, den Polizeibehörden im Einzelfall konkrete Ermittlungsansätze zu liefern [8].

Die Bezeichnung „Nachrichtendienst“ leitet sich daraus ab, dass die Tätigkeit dieser Behörden in der Beschaffung, Auswertung und Weitergabe von Informationen besteht.

Polizeibehörden des Bundes und der Länder

Polizeibehörden des Bundes sind die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt (BKA). Beide sind Behörden im Geschäftsbereich des Bundesministerium des Innern. Oberster Vorgesetzter der Bundespolizisten ist somit der amtierende Bundesinnenminister.

Das Bundeskriminalamt war lange Zeit „nur“ ausgelegt als „Zentralstelle für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen für die Kriminalpolizei“. Operativ-polizeiliche Aufgaben erhielt das BKA verstärkt in den letzten zwanzig Jahren. Gerade in der derzeitigen aufgeheizten Diskussion um ‚Innere Sicherheit‘ ist eine starke Tendenz, vor allem der CDU/CSU auf Bundesebene auszumachen, dem BKA mehr operative Befugnisse zuzuweisen und die Polizeibehörden der Länder schrittweise auf rein regionale, polizeiliche Aufgaben zu beschränken.

Polizeibehörden der Länder
Im Rahmen der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland besitzen die Länder die Verwaltungskompetenz und im Bereich des allgemeinen Polizeirechts auch die Gesetzgebungskompetenz. Demzufolge gibt es in allen 16 Bundesländern Landespolizeibehörden, die in ihrem Bundesland zuständig sind für die Wahrnehmung der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse, sofern nicht, wie insbesondere bei der Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus (nach §4a BKAG) das Bundeskriminalamt zuständig ist.

Unterschiedliche Aufgaben von Polizei und Verfassungsschutz

Polizei und Verfassungsschutz haben unterschiedliche Aufgaben. Die Polizei hat Gefahren abzuwehren, Störungen zu beseitigen und Straftaten zu verfolgen. Verfassungsschutz und Nachrichtendienste haben demgegenüber eher „strategische“ Aufklärungsaufgaben, die der Sicherung des Bestands der Bundesrepublik Deutschland dienen [9].

Dass diese Aufgabentrennung beibehalten wird, ist eine wesentliche Aufgabe des Trennungsgebots.

Polizei

Gesetzliche Grundlagen für die Polizei

Aufgaben und Befugnisse der Polizei sind in den Polizeigesetzen geregelt. Das sind für die Bundesbehörden das Bundespolizeigesetz [10] und für das Bundeskriminalamt das immer wieder geänderte, vor allem um Befugnisse erweiterte BKA-Gesetz [11].

Gesetzliche Grundlage für die Länderpolizeibehörden ist das jeweilige Landespolizei(aufgaben-)gesetz. Neuere Polizeigesetze lehnen sich mehr oder minder an den Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder“ der im Rahmen eines Programms für die Innere Sicherheit 1977 verabschiedet wurde [12].

Aufgaben und Schutzgüter der Polizei

  1. Wesentliche Aufgabe der Polizei ist die Abwehr von Gefahren für die öffentlichen Sicherheit (und Ordnung). Darunter versteht man
    • die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung,
    • die Unverletzlichkeit der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des einzelnen,
    • sowie der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Träger der Hoheitsgewalt
  2. die Vollzugshilfe und allgemeine Amtshilfe
  3. sowie „durch andere Rechtsvorschriften übertragene Aufgaben“

Strafverfolgung

Vielfach wird angenommen, dass die wesentliche Aufgabe der Polizei die Strafverfolgung sei. Dies ist allerdings gar nicht zutreffend. Die „Ahndung bereits begangenen, strafrechtlichen Unrechts („Repression“) ist vielmehr Aufgabe der Justiz, wobei der Polizei eine wichtige Rolle bei der ‚Erforschung‘ (§163 I StPO) und der Verfolgung von Straftaten zufällt“ heißt es dazu im ‚Handbuch des Polizeirechts‘ [13].

Aufgaben und Schutzgut des Verfassungsschutzes

Die wesentliche Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden ist die Verteidigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Dieses Konzept wird mit dem Schlagwort ‚wehrhafte Demokratie‘ bezeichnet.

Freiheitliche demokratische Grundordnung

Unter dem Begriff ‚freiheitliche demokratische Grundordnung‘ werden Grundsätze zusammengefasst, die im Grundgesetz niedergelegt sind [14]. Das sind

  • die Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk,
  • verbunden mit dem Prinzip allgemeiner, unmittelbarer freier, gleicher und geheimer Wahlen,
  • die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung,
  • die Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
  • das Recht auf Ausübung und Bildung einer parlamentarischen Opposition,
  • die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
  • die Unabhängigkeit der Gerichte,
  • der Ausschluss jeder Gewalt-und Willkürherrschaft,
  • sowie die im Grundgesetz konkret aufgeführten Menschenrechte.

Aufgaben und Arbeitsweise des Verfassungsschutzes im Einzelnen

  1. Wesentliche Aufgaben des Verfassungsschutzes sind
    • die Beobachtung von auf Dauer angelegten Personenzusammenschlüsse (so genannte ‚Bestrebungen‘), die als Angreifer auf die freiheitliche und demokratische Grundordnung aufgefasst werden, mit offenen als auch mit verdeckten Methoden
    • die Sammlung der entsprechenden Informationen
    • und deren Auswertung
  2. Daneben gehört zu den Aufgaben des Verfassungsschutzes auch die Spionageabwehr
  3. und der sogenannte Geheimschutz d. h. die technische und personelle Sicherung von sicherheitsrelevanten Informationen und Beratung von Bürgern und Unternehmen in dieser Hinsicht.

Das Trennungsgebot im einzelnen

Das Trennungsgebot wirkt sich auf verschiedenen Ebenen aus:

Aufgabentrennung

Das Trennungsgebot regelt vor allem, dass die Aufgaben des Verfassungsschutzes und der Polizei voneinander zu trennen sind. Die wesentliche Aufgabe des Verfassungsschutzes ist die „Sammlung von Unterlagen“, wie es im Gesetz heißt und insbesondere die so genannte Vorfeldaufklärung. Der Verfassungsschutz darf jedoch keine polizeilichen Zwangsbefugnisse ausüben, also insbesondere nicht Vernehmungen, Durchsuchungen oder Beschlagnahmen durchführen oder andere Zwangsmaßnahmen ausüben.

Informationelle Trennung

Informationen der Polizei und Informationen des Verfassungsschutzes sind getrennt gespeichert. Der Verfassungsschutz hat keinen Zugriff auf Informationen der Polizei, insbesondere nicht solche, die aufgrund von polizeilichen Maßnahmen erlangt worden sind.

Der Gesetzgeber hat im Zuge des Gesetzes über die Antiterrordatei und Gemeinsame Dateien, sowie über die Rechtsextremismusdateien gesetzliche Regelungen darüber getroffen, unter welchen Umständen und in welchem Umfang Gemeinsame Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten geführt werden und welche Verpflichtungen bestehen für die Einspeisung von Informationen in diese Dateien = Datenbanken.

Funktionelle Trennung

Den Verfassungsschutzbehörden und Nachrichtendiensten sind polizeiliche Befugnisse insbesondere polizeiliche Vollzugsmaßnahmen strikt untersagt.

Organisatorische Trennung / Personelle Trennung

Verfassungsschutzbehörden und Nachrichtendienste dürfen nicht an Polizeibehörden bzw. Dienststellen angegliedert werden.
Personalunion auf bestimmten Funktionen einer Verfassungsschutz- bzw. Nachrichtendienst- und Polizeibehörde ist untersagt.

Anmerkungen zur Aktualität des Themas ‚Trennungsgebot‘

  1. Bundesinnenminister De Maizière versucht, mit seinen neuesten Vorschlägen vom Januar 2017 – den ‚Leitlinien für einen starken Staat in schwierigen Zeiten‘ [15] – die Bundesbehörden für Verfassungsschutz und die ihm unterstellten Bundespolizeibehörden (BKA und Bundespolizei) unter (s)einem Dach zu vereinen. Dieser Vorstoß ist im Hinblick auf die organisatorische und personelle Trennung als kritisch anzusehen.
  2. Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, „forderte“ am 4.1.2017 in einem Beitrag, den das Redaktionsnetzwerk Deutschland verantwortete: „Das Trennungsgebot muss weg“. Anmerkungen dazu in einem eigenen Artikel auf unserem CIVES-Blog [16].

Hinweis

Das Thema ist komplex und vielschichtig. Man kann darüber auch 30 oder 300 Seiten schreiben. Die Wahrscheinlichkeit, dass die auch gelesen werden, ist eher gering. Wir haben uns daher zu der obigen Zusammenfassung entschieden und sind uns bewusst darüber, dass historische, rechtliche und fachlich/faktische Feinheiten darin auch nur im Überblick dargestellt sein können. Insofern vertrauen wir hier der 80:20-Regel. Sollten Sie Fehler entdecken oder Ergänzungen für notwendig halten, sind wir Ihnen für einen Hinweis sehr dankbar.

Quellen

[1]   Nachrichtendienste in Deutschland, 14.09.2012 Bundeszentrale für Politische Bildung und
http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/pocket-politik/16434/gewaltenteilung

[2]   http://www.bpb.de/presse/159497/grusswort-zur-vorstellung-des-themen-und-materialien-bandes-zur-polizei-im-nationalsozialismus

[3]   http://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/dossier-nationalsozialismus/39544/machtergreifung

[4]   Handbuch des Polizeirechts, Lisken/Denninger, 5. Auflage, Rn A62

[5]   Handbuch des Polizeirechts, Lisken/Denninger, 5. Auflage, Rn B40

[6]   Handbuch des Polizeirechts, Lisken/Denninger, 5. Auflage, Fußnote 70 zu Rn B40

[7]   Grundgesetz, Artikel 87
https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_87.html

[8]   Handbuch des Polizeirechts, Lisken/Denninger, 5. Auflage, Rn C85

[9]   Handbuch des Polizeirechts, Lisken/Denninger, 5. Auflage, Rn G467

[10]   Bundespolizeigesetz
https://www.gesetze-im-internet.de/bgsg_1994/BJNR297900994.html

[11]   BKA-Gesetz
https://www.gesetze-im-internet.de/bkag_1997/

[12]   Handbuch des Polizeirechts, Lisken/Denninger, 5. Auflage, Rn A99

[13]   Handbuch des Polizeirechts, Lisken/Denninger, 5. Auflage, Rn D12

[14]   Handbuch des Polizeirechts, Lisken/Denninger, 5. Auflage, Kapitel H

[15]   Leitlinien für einen starken Staat in schwierigen Zeiten, 03.01.2017, Abdruck eines „Interviews“ mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf der Webseite des Bundesministeriums des Inneren
http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Namensartikel/DE/2017/namensartikel-faz.html

[15]   Quatsch von Rainer Wendt, 11.01.2017, CIVES
http://cives.de/quatsch-von-rainer-wendt-4196

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