Nach jedem sicherheitsrelevanten Vorfall zeigt sich, wie unzureichend die behördliche Datenlage ist. So auch nach dem Anschlag von München: Noch während die Ermittlungen liefen, wurden voreilige Aussagen getroffen, basierend auf unsicheren Informationen. Warum scheitert der schnelle Zugriff auf gesicherte Daten? Welche Systeme gibt es, wo liegen die Bruchstellen, und welche Folgen hat das für die öffentliche Sicherheit? Eine Analyse der Kakophonie des Nicht-Wissens. | Lesezeit ca. 7 Minuten Mit einem 27-Punkte-Papier legt die CDU/CSU Forderungen aus ihren bisher erfolglos gebliebenen Gesetzesvorlagen zur Inneren Sicherheit vor. Mehr Sicherheit würde dadurch kaum erzielt, vor allem, weil es erheblich an den Rechtsgrundlagen fehlt; sicher wäre alleinfalls eine erhebliche Ausweitung der Überwachungsbefugnisse der Sicherheitsbehörden. Was Sie – auch ohne viel zu lesen – über den Entschließungsantrag wissen sollten, Erneut ein Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt. Erneut hatten die Sicherheitsbehörden ZUVOR ausreichende Hinweise auf die Gewaltbereitschaft des Täters. Erneut wurden vorhandene Informationen nicht als relevant erkannt. Erneut kamen Menschen ums Leben und wurden zahlreiche verletzt. Und danach? Kam – wie zu erwarten – wieder der Ruf nach besserem Informationsaustausch unter den Polizeibehörden. Genug Anlass also, sich den aktuellen Status anzusehen mit besonderem Fokus auf den Prioritäten, die in der „digitalen Transformierung“ der polizeilichen IT tatsächlich verfolgt werden. Watching You“ – „Ich beobachte Dich!“ mit dieser anmaßenden Behauptung betitelt der Dokumentarfilmer Klaus Stern sein jüngstes Werk. Wer hier wen beobachtet, bleibt offen. Genauso wie die notwendige Feststellung: Solange das Gebot der Zweckbindung für personenbezogene Daten in Polizeisystemen (noch?) gilt, ist der Einsatz dieses Systems nicht zulässig. Mit der Mehrheit von Ampelfraktionen, BSW und LINKE hat der Innenausschuss des Bundestages am 12.06.24 dem Bundestag empfohlen, den Antrag der CDU/CSU abzulehnen, die Palantir-Software Gotham alias „Bundes-VerA“ bei den Polizeibehörden des Bundes einzuführen. Die Auswertung der Jahresabschlüsse der deutschen Palantir-Tochter weist auf erhebliche finanzielle Abhängigkeiten von der UR-Konzernmutter hin. Bereinigt um konzerninterne Verrechnungen handelt es sich um ein mittelgroßes Unternehmen. Die Herkunft der Erlöse ist – möglicherweise pflichtwidrig – nicht erläutert. Ein transparentes Bild der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit damit nicht möglich. Am Tag, an dem im Bundestag-Innenausschuss ein Antrag beraten wird, um die Handlungssfähigkeit der Strafverfolgungsbehörden durch den Kauf der Datenanalyse-Software eines umstrittenen US-Herstellers „zu sichern“, erklärt die Leiterin der Staatsanwaltschaft, die die Cum-Ex-Verfahren führt, ihren Rückzug vom Amt. Es fehle die politische Unterstützung, Personal und die notwendige Behördenstruktur. Update am 24.4.24: Die Frage nach den Auswirkungen der wesentlich verschärften Section 702/FISA auf den Einsatz von Palantir-Systemen in Deutschland wurde von keinem Abgeordneten gestellt und auch von keinem Sachverständigen in der Anhörung thematisiert. Am 22.4.23 hört der Innenausschuss des Bundestages zehn Sachverständige zum Antrag der CDU/CSU auf Einführung von Palantir-Datenanalysesystemen bei BKA und Bundespolizei. Am 1.12.2023 beriet der Bundestag über den Antrag der CDU/CSU, mit dem die Entscheidung von Bundesinnenministerin Faeser revidiert werden soll, zunächst auf den Einsatz der Palantir-Software für BKA und Bundespolizei zu verzichten. Eine Suchmaske der Datenanalyse-Software VeRA in Bayern wird auf der Seite des Innenausschusses des Bundestages gezeigt. Sie enthält die gleichen Inhalte wie die nebenstehende Nachbildung und soll zur Abfrage VON INPOL aus VeRA zu nutzen sein. Das ist nach hiesiger Auffassung rechtswidrig: Denn INPOL kann die rechtlich geforderte Kennzeichnung von Quelldaten nicht leisten. Die Haushaltssperre des Bundes hat nicht nur unmittelbare Auswirkungen auf die Sicherheitsbehörden des Bundes. Betroffen ist die gesamte „Schaffung einer gemeinsamen, modernen, einheitlichen Informationsarchitektur für die Polizei des Bundes und der Länder“, also Polizei2020 nicht nur bei BKA, BPol und ZKA, sondern auch in allen Bundesländern. Neben den unmittelbaren Folgen für Hamburg und Hessen, deren eigens für das Palantir-System geschaffene Rechtsgrundlagen verfassungswidrig sind, hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts weitreichende Folgen für die polizeiliche IT. Vor allem aber für die Einführung von VeRA, das der neue „Standard“ der Polizeibehörden von Bund und Ländern für die automatisierte Datenanalyse werden sollte. … das hat das Bundesverfassungsgericht soeben entschieden. Dies als „Eilmeldung“. Mehr folgt … Die Hoffnungen an den Einsatz von künstlicher Intelligenz sind hoch, auch in der polizeilichen Informationstechnik. Geradezu einen Hype ausgelöst hat die Veröffentlichung des Chatbots GPT vor wenigen Wochen. Der verspricht eine Beantwortung von Fragen und die Erstellung von Texten quasi wie ein Mensch. Das wäre ein immenser Fortschritt für die vielen Texte in polizeilichen Informationssystemen. Wie belastbar diese Hoffnungen sind, habe ich mir in einem Test mit Fragen und Textaufgaben näher angesehen. Auch das Projekt eAMS, ein Teilprojekt von Polizei2020, liegt hinter dem Zeitplan. Zu einem sechzehn Monate alten Teilnahmeaufruf an interessierte Bewerber ist bis heute keine Entscheidung bekannt gemacht. Meine Presseanfrage an das BMI wurde erst ausgesessen, dann ignoriert. Grund genug also für eine Reihe von Fragen … Keine zwei Stunden war das Urteil öffentlich, mit dem der EuGH die allgemeine anlasslose Vorratsdatenspeicherung für nicht vereinbar mit dem EU-Recht erklärte. Da hatte Dr. Günter Krings, rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, auch schon eine Pressemitteilung auf der Seite seiner Fraktion raushauen lassen. Die es schafft, die erste Hälfte der sechzehn Zeilen mit Fake News zu bestreiten und die zweite Hälfte mit triefender Heuchelei. Zwei Top-Insider von Rola Security Solutions bzw. T-Systems sind seit kurzem registrierte Lobby-Vertreter der deutschen Tochter der US-Firma Palantir. Wettbewerbsverbote der bisherigen Arbeitgeber gab es offenbar nicht. Bedenken über deutsche Sicherheitsinteressen wurden bisher auch nicht öffentlich. Decken die sich neuerdings mit denen der größten Kunden der amerikanischen Palantir-Mutter – den US-Sicherheitsbehörden?! Mit einem Rahmenvertrag über fast zehn Jahre und einem Auftragsvolumen zwischen 138 und 207 Millionen Euro macht das Bundesinnenministerium (BMI) Accenture zum Generalunternehmer für Polizei2020. Das berichtete der Behörden-Spiegel am 17.05.2022 aufgrund „eigener Informationen“. Der Big Brother Award 2022 in der Kategorie ‚Verwaltung und Behörden‘ wurde gestern Abend an die deutsche Polizei verliehen, vertreten durch das Bundeskriminalamt (BKA). Grund ist die unbefristete Aussetzung der Kennzeichnungspflicht für personenbezogene Daten, die „eigentlich“ im BKA-Gesetz vor fünf Jahren verankert worden war.
Kakophonie des Nicht-Wissens
Vergiftetes, polittaktisch motiviertes „Angebot“ der CDU/CSU in 27 Punkten
Heiße Luft im Entschließungsantrag
mit dem der mögliche nächste Bundeskanzler – Friedrich Merz – Stimmung macht gegen einen politischen Hauptgegner – die AfD und
fünf Forderungen an „die Bundesregierung“ erhebt zur „unverzüglichen Umsetzung von Maßnahmen“, die schon bei einfachster Überprüfung deutlich machen, dass es sich um einen löchrigen Sack voller heißer Luft handelt.
Polizeilicher Informationsaustausch und der Anschlag von Magdeburg
Watching You! – eine Themaverfehlung
Mehrheit im Bundestag gegen Einführung der Palantir-Software auf Bundesebene
Die ‚wirtschaftliche Leistungsfähigkeit‘ der deutschen Palantir-Tochter
Politischer Wille und sein Einfluss auf die Handlungsfähigkeit der Strafverfolgungsbehörden
Undurchsichtige Verhältnisse
Vorrangig wäre die Frage zu klären, welchen Verpflichtungen nach dem jüngst wesentlich verschärften US-Foreign Intelligence Surveillance Act (702/FISA) die Firma Palantir unterliegt. Und was das für Menschen und deren Daten in deutschen Polizeisystemen bedeutet.
Datenschutz vs. Sicherheitsbedarf: Die hitzige Debatte über Bundes-VeRA im Bundestag
Das versteckte Risiko: Wie Bundes-VeRA und INPOL unsere Datenschutzrechte untergraben
Polizeiliche Informationstechnik in Zeiten der Haushaltssperre
Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur automatisierten Datenanalyse und seinen Folgen
Regelungen in Hessen und Hamburg zur automatisierten Datenanalyse für die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten sind verfassungswidrig
Ein herber Rückschlag für Hessen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Bayern und alle Verfechter von VeRA.
Hoffnungen auf Verbesserung polizeilicher Texte durch Chatbot GPT – eine Statusaufnahme
Einheitliches Asservatenmanagementsystem eAMS – Aktueller Stillstand, fragliche Zukunft
Heuchler von der CDU
Top-Insider von Rola bzw. T-Systems als neue Lobby-Vertreter von Palantir
BMI macht Accenture zum Generalunternehmer für Polizei 2020
Datenschutz-Negativpreis für Polizei und Bundeskriminalamt