Arne Feuring, bis vor kurzem Polizeipräsident und seit vier Wochen Staatssekretär im Innenministerium des Landes Brandenburg, gerät zunehmend zwischen zwei Fronten.
Beiden Fällen ist der Vorwurf gemeinsam, dass Feuring Wirklichkeit im Nachhinein so gestaltet, wie sie ins (politische oder sonstige) Kalkül passt:
Fall 1: Vorgabe der „Erfassungsrichtung“ für die Polizeiliche Kriminalstatistik
Die Polizeiliche Kriminalstatistik war für ihn als Polizeipräsident von eminenter Bedeutung. Das Innenministerium wollte mit seiner ‚Polizeistrukturreform 2020′“ die Zahl der Polizeibeamten im Land Brandenburg drastisch reduzieren. Dem stand entgegen, dass die statistisch messbare und von der Bevölkerung gefühlte Kriminalitätsbelastung nach mehr Polizei verlangte. Also verlegte man sich auf kreative Buchführung, die von Experten als „Anweisung zum Schönen der Kriminalstatistik“ bezeichnet wurden: Dazu wurden mehrere, gleichartige Straftaten, wie z.B. Fahrraddiebstahl, die in einer bestimmten Gegend während einer Nacht oder eines Tages passierten, als nur ein Fall gezählt. Was schon mal die Zahl der Straftaten senkt. Wird nun aber nur einer dieser mehreren Fälle aufgeklärt, z.B. weil der Dieb eines Fahrrads gestellt wurde und diese Tat zugegeben hat, so werden diesem Beschuldigten „statistisch“ sämtliche Fahrraddiebstähle zugeordnet, die in der gleichen Gegend in den letzten drei Monaten erfasst wurden. Was die Aufklärungsquote, rein „statistisch“ auf 100% bringt.
Kritik
Diese spezifisch brandenburgische Zählweise, niedergelegt in einer internen Dienstanweisung der Polizeidirektion West, wurde von mehreren Seiten vehement kritisiert:
- Prof. Wolfgang Heinz, Jurist und Berater der Bundesregierung in Sachen PKS, sprach von einer „Abweichung von den bundeseinheitlichen Richtlinien und von dort gegebenen Beispielen“.
- Ein weiterer Rechtsexperte, Prof. Dr. Feltes, kritisierte, „dass hier bewusst und gezielt die PKS-Erfassung in einem bestimmte Richtung manipuliert werden sollte. Dies hat, im Vergleich zu bislang bekannten Problemen bei der PKS-Erfassung, eine andere Qualität, weil damit eine, wenn auch interne aber politische offensichtlich gewollte Erfassungsrichtung vorgegeben wird, die … Einfluss auf die Registrierung entsprechender Zahlen für die PKS haben dürfte.“
- Und auch der Bund Brandenburger Staatsanwälte sah Probleme: Denn fünf Einbrüche in einer Straße sind aus Sicht der Strafverfolger nicht ein Fall, sondern jede einzelnen Tat ist ein einzelnes Verfahren.
Feuring’s Verteidigung
Arne Feuring, damals noch Polizeipräsident, sah sich mit seiner Vorgehensweise jedoch vollkommen im Recht: „Wir sind gezwungen [sic! / d. Verf.] in Fällen der Tateinheit nur einen Fall anzunehmen in unserer Statistik“ erklärte er. Der damalige Innenminister, Holzschuher, stellte sich voll Inbrunst hinter seinen Präsidenten, erklärte, die Vorwürfe seien „haltlos“ und er, der Innenminister, würde „eine solche Manipulation niemals dulden“. Feuring verteidigte seine Auffassung jedoch auch vor dem Brandenburgischen Landtag und erklärte mehrfach, auch gegenüber der Klartext-Redaktion und der Presse, die Erfassung der Straftaten in Brandenburg erfolge „nach bundesweit geltenden Regeln“ und dies sei durch das brandenburgische Landeskriminalamt überprüft und bestätigt worden.
Neue Erkenntnisse aus dem LKA Brandenburg und aus dem Bundeskriminalamt
Das RBB-Politmagazin Klartext hat weiter recherchiert und herausgefunden: Feuring sagt nicht die Wahrheit: Sowohl die Fachabteilung „seines“ Landeskriminalamtes, wie auch das Bundeskriminalamt, haben schon im Herbst 2013 die Brandenburgische bzw. Feuring’sche Zählweise als nicht korrekt bezeichnet. In einem Dokument des LKA, das RBB [1] zitiert, heißt es: „Diese Handlungsanweisungen weichen in ihrer Gesamtheit [sic! / d. Verf.] bei der Umsetzung im Land Brandenburg von den bundeseinheitlichen Richtlinien ab. Sie sind mit sofortiger Wirkung zurückzuziehen.“ [Übrigens eine bemerkenswerte Formulierung einer untergeordneten Behörde gegenüber dem obersten Behördenleiter / d. Verf.]. Und im Protokoll eines Workshops von Bund und Ländern zum Thema PKS heißt es: „Die Teilnehmer der anderen Länder und des Bundes bewerten die von Brandenburg vorgeschlagenen Verfahrensweisen als nicht richtlinienkonform.“ Waren diese kompetenten Einschätzungen aus den Fachabteilungen des eigenen Hauses und der anderen Länder und des Bundes Herrn Feuring nicht bekannt? Oder hat er – sehr wohl informiert darüber – vor seinem Boss, dem Innenminister, der Öffentlichkeit, und dem Parlament das Gegenteil verbreitet in der Annahme, dass ohnehin keiner in der Lage sei, hinter die Mauern von Polizei und dem Handeln der Polizeiführung zu blicken? Die Opposition in Brandenburg jedenfalls attestiert dem Staatssekretär, er habe „an Glaubwürdigkeit verloren“ und fragt, ob der neue Innenminister weiter mit diesem Staatssekretär arbeiten kann und will.
Fall 2: Vorgabe der Ermittlungsrichtung im so genannten Maskenmann-Fall
Auch im so genannten Maskenmann-Prozess gab es Richtungsvorgaben der Polizeiführung. Es geht im „Maskenmann-Prozess“, der aktuell vor dem Landgericht Frankfurt/Oder verhandelt wird, um eine Folge von drei Anschlägen: Zwei galten der Familie eines reichen Berliner Immobilien-Tycoons, bei einem dritten Fall soll ein Investment-Banker entführt und zwei Tage gefangen gehalten worden sein. Noch während der ersten Vernehmung des Entführungsopfers nach dessen Selbst-Befreiung hat Polizeipräsident Feuring mit dem Investmentbanker Stefan T. telefoniert, anschließend durfte die Familie umgehend in Urlaub fahren. Für einige Ermittler war dieses Verhalten absolut unverständlich und behinderte aus deren Sicht die weitere Ermittlung. Und in der Tat wurde ab diesem Zeitpunkt nur noch sehr einseitig in Richtung des heute vor Gericht stehenden Mario K ermittelt. Was dazu führte, dass mindestens ein Mitglied der Ermittlungskommission sich (und Kollegen) wegen Strafvereitelung im Amt selbst anzeigte. Dieses Verfahren wurde inzwischen eingestellt, die ‚unbequemen‘ Ermittler allerdings sehen sich beruflichen Repressalien ausgesetzt. Selbst noch im aktuellen Gerichtsverfahren spielten schriftliche Anweisungen von Feuring darüber, was der einzelne aussagen darf und was nicht, immer wieder eine Rolle. Und der Leiter der Ermittlungskommission musste letzte Woche vor dem Frankfurter Landgericht einräumen, dass es „Fragen und Vorbehalte über den Ablauf [der vom Opfer geschilderten Entführung / d. Verf.] unter den Kollegen gab“, denen jedoch nicht nachgegangen wurde.
Was sind die Folgen?
In beiden Fällen stellt sich die Frage nach den Folgen:
- Wurde inzwischen die Polizeiliche Kriminalstatistik für 2013 (bzw. auch frühere Jahre) korrigiert, um die falschen Zahlen aufgrund der spezifisch brandenburgischen Zählweise wieder aussagekräftig und vergleichbar mit anderen Ländern zu machen?
- Werden – trotz des bereits laufenden – Gerichtsverfahrens im Maskenmann-Verfahren Ermittlungen geführt, die aufklären, was sich bei der ‚Entführung‘ des Investmentbankers T. tatsächlich zugetragen hat? Und wird dabei auch die Frage beleuchtet, welche Veranlassung der Polizeipräsident hatte, sich mit Vorgaben zur Ermittlungsrichtung in die laufende polizeiliche Arbeit einzumischen?
Man darf gespannt sein, ob es irgendwann einmal Antworten geben wird auf solche Fragen.
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