Zusätzliche Einnahmen des Bundes sollen 1:1 auf Verteidigungs- und Entwicklungsministerium verteilt werden. So steht es im Koalitionsvertrag. Im aktuellen Haushaltsentwurf für 2019 erhält der Verteidigungsetat fast das 15fache! Dem Entwicklungsminister Müller (CSU) ist am Mittwoch wenigstens ein bisschen der Kragen geplatzt …
Versprechen im Koalitionsvertrag: Zusätzliche Haushaltsmittel gehen 1:1 an Verteidigung und Entwicklungshilfe
Wie oft haben wir das jetzt schon gehört aus Politikermund?! Dass Fluchtursachen bekämpft werden müssen, indem (Entwicklungs-)Hilfe vor Ort geleistet wird. Selbst in den Koalitionsvertrag hat es diese Absicht geschafft. Dort ist vereinbart, dass „zusätzliche Haushaltsspielräume“ ab 2019 im Verhältnis 1:1 aufgeteilt werden auf den Verteidigungshaushalt und den Haushalt des Entwicklungsministeriums. Dort sollen sie verwendet werden für Krisenprävention, humanitäre Hilfe, Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit.
Absicht im aktuellen Haushaltsentwurf für 2019: Das 15-fache geht an Verteidigung
Diese hehre Absicht ist offensichtlich unter die Räder der Trump’schen Drohungen geraten: Denn in den aktuellen Haushaltsansätzen für 2019 erhält der Verteidigungshaushalt zusätzliche Mittel in Höhe von 4,38 Milliarden Euro. Für den Etat des Entwicklungsministers bleiben gerade mal ein Plus von 295 Millionen Euro. [1]
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) ist daraufhin heute morgen der Kragen geplatzt: Im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erinnerte er an die „unmissverständliche“ Vereinbarung im Koalitionsvertrag [2]:
Im Rahmen der jährlichen Haushaltsaufstellung ab 2018 bis 2021 wird die Koalition zusätzlich entstehende Haushaltsspielräume prioritär dazu nutzen, neben den Verteidigungsausgaben zugleich die Mittel für Krisenprävention, humanitäre Hilfe, auswärtige Kultur- und Bildungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit ausgehend von der Grundlage des 51. Finanzplans angemessen zu erhöhen im Verhältnis von 1:1 beim Verteidigungshaushalt zu Ausgaben im Rahmen der ODA-Quote (Krisenprävention,
humanitäre Hilfe, Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit).
Diese Erhöhungen dienen der Schließung von Fähigkeitslücken der Bundeswehr und der Stärkung der europäischen Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich wie auch gleichermaßen der Stärkung der zivilen Instrumente der Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen einer umfassenden gemeinsamen Friedens- und Sicherheitspolitik. Deutschland wird verbindlich mit dieser Haushaltspolitik und der Koppelung von Verteidigungsausgaben und ODA-quotenfähigen Ausgaben sowohl dem Zielkorridor der Vereinbarungen in der NATO folgen als auch den internationalen Verpflichtungen zur weiteren Steigerung der ODA-Quote nachkommen, deren beider Absinken bereits 2018 verhindert werden muss.
International zugesagte ODA-Quote von 0,7 Prozent noch nie eingehalten
Die Bundesregierung hat international schon seit (spätestens) 2000 zugesagt, pro Jahr 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe (a) auszugeben. Erreicht wurde dieser Anteil, die so genannte „ODA-Quote“, allerdings noch nie [A]. Minister Müller fordert nun eine „Unterstützungsmilliarde“ für sein Haus. Damit könnte verhindert werden, dass die Quote von derzeit 0,51% auf 0,48 Prozent absackt.
Übrigens: Vor genau drei Jahren, am 25.09.2016 hat Bundeskanzlerin Merkel bei der Eröffnung des UN-Gipfels zur Verabschiedung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung vollmundig versprochen [3]: „Deutschland steht zu der Verpflichtung, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungshilfe einzusetzen.“ Doch das war wohl, genauso wie die Absichtserklärung im Koalitionsvertrag, nur ein leeres Versprechen.
Sind Mittel für Entwicklungshilfe wirklich Almosen?!
Der Entwicklungsminister scheint das zu kennen. Und übt sich in Realpolitik. Die EINE „Unterstützungsmilliarde“, die er jetzt einfordert ist weniger als die Hälfte dessen, was dem Etat seines Hauses zusätzlich laut Koalitionsvertrag eigentlich zusteht. Dass ein Minister freiwillig weniger als die Hälfte dessen verlangt, was im Koalitionsvertrag vereinbart ist und die Bezeichnung als „Unterstützung“ lässt erahnen, wie es in Kabinettssitzungen tatsächlich zugeht, wenn Mittel für Krisenprävention,
humanitäre Hilfe, Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit auf der Tagesordnung stehen. Vollmundige Versprechungen bei Reden und auf geduldigem Papier sind rasch beieite geschoben. Solche Maßnahmen gelten offensichtlich als Almosen, auf die die Empfänger – trotz Zusagen auf internationaler Bühne – keinen Anspruch haben.
Siehe auch
[A] Armutsbekämpfung und Entwicklungshilfe, 30.09.2015, CIVES
Merkel versucht Punkte zu machen bei einem Auftritt vor den Vereinten Nationen. Angeblich ist Deutschland ganz großzügig, wenn es um Armutsbekämpfung und Entwicklungshilfe geht. Tatsächlich wendet die Regierung Merkel seit zehn Jahren nur einen Bruchteil der angeblichen 0,7% vom BIP für Entwicklungshilfe auf. Der Rest wird „eingespart“. Die Folge dieser Politik sind aktuell hunderttausende von Flüchtlingen.
Fußnoten
[a] Genau genommen sind es nicht 0,7% vom Bruttoinlandsprodukt, sondern 0,7% vom Bruttonationaleinkommen, früher als „Bruttosozialprodukt“ bezeichnet. Das ist die Summe der innerhalb eines Jahres von allen (inländischen) Bewohnern eines Staates erwirtschafteten Einkommens. Weder der andere Begriff noch die relativen Größen ändern etwas an den Aussagen in diesem Artikel.
Quellen
[1] Heute im Bundestag, Nr. 702 vom 26.09.2018, dort Ziffer 4
[2] Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 19. Wahlperiode
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/2018/03/2018-03-14-koalitionsvertrag.pdf
[3] Rede von Bundeskanzlerin Merkel bei der Eröffnung des UN-Gipfels zur Verabschiedung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung am 25.09.2015
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2015/09/2015-09-28-rede-merkel-eroeffnung-vn-gipfel.html
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