Der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) arbeitet hart an seinem Image als Deutschlands schärfster Abschiebeminister. Aus seiner Sicht vielleicht ein Mittel, um Wählerpotenzial am rechten Rand doch noch einzufangen. Kurz vor Weihnachten und kurz nachdem die Menge der Pro-Pegida-Demonstranten in Dresden bis dato ihren Höhepunkt erreicht hatte, ließ Herr Ulbig wieder einmal seine Muskeln spielen: Sein Opfer war eine 18-jährige junge Frau …
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Nachtschichten für Polizei-Einsatzkommando und Feuerwehr: Eine junge Frau muss abgeschoben werden – und zwar sofort …
Zwischen 3 und 4 Uhr morgens klingelte ein Einsatzkommando der Polizei sämtliche Bewohner einer Gemeinschaftsunterkunft in Leipzig aus dem Bett. Zielobjekt war Tamara S. eine 18 Jahre alte Schülerin, die nach ihrem Schulabschluss eine Ausbildung zur Krankenpflegehelferin beginnen wollte, wie die Leipziger Volkszeitung [1] berichtete. Nach sächsischer Praxis war es unumgänglich, die junge Frau wenige Tage vor Weihnachten aus dem Bett zu holen, von ihren Eltern und Brüdern zu trennen und abzuschieben. Tamara geriet darüber in Panik, versuchte aus dem Fenster zu springen, um sich umzubringen. Also musste die Feuerwehr ran, um ein Sprungtuch aufzuhalten. Man ließ der Familie dann 20 Minuten, um einen Koffer mit nicht mehr als 20kg zu packen. Das sei so die Regel.
Dank überlegener Polizeistärke gelang es anschließend, Tamara in ein Polizeifahrzeug zu verfrachten, allein wohlgemerkt, die Mutter wollte man trotz deren inständigen Bitten nicht mitnehmen. Noch am gleichen Tag konnte das Mädchen polnischen Behörden übergeben werden. Die Familie ist ihr zwischenzeitlich nachgereist. Nun sitzen fünf Menschen in einem polnischen Aufnahmelager und wissen nicht, wie es weitergehen soll. Wenn das Beispiel Schule macht, wird Ulbig öfter für das besonders brutale Vorgehen gegen ein Familienmitglied vier weitere Flüchtlinge zählen können, die „freiwillig“ ausreisen. Insofern also ein voller Erfolg für die sächsische Abschiebungsbilanz.
Appell der sächsischen Polizeiseelsorge
Für solche Demonstrationen politischer Taktik werden Polizeibeamte eingesetzt. Allein schon die Uhrzeit solcher Einsätze dürfte nicht nur sie an schwärzeste Zeiten der jüngeren deutschen Geschichte erinnern. Bereits Wochen vor dem jüngsten Vorfall in Leipzig hatte ein Polizeiseelsorger der sächsischen Polizei dieses Vorgehen aufgegriffen [2]: In seinem Brief heißt es:
Bei der Abschiebung von Familien und Müttern mit Kindern spielten sich „furchtbaren Szenen“ ab. „Gestandene, kräftige“ Polizeibeamte erlebten ihren Einsatz als „schwerste Stunde ihres Berufslebens“. Wenn Familien ohne Aufenthaltserlaubnis nachts in ihren Wohnungen aus dem Schlaf gerissen und außer Landes gebracht würden, spielten sich dramatische Szenen ab. Die könnten viele Beamte nur schwer mit ihrem Gewissen vereinbaren.
Kinder würden verängstigt und traumatisiert, wenn sie von Uniformierten geweckt und abtransportiert würden. Die Polizisten fühlten sich „an der Berufsehre gekratzt“ und bekämen „Selbstzweifel an ihrem Beruf“, heißt es. „Junge Beamte zweifelten am Rechtsstaat, sprachen von drohender Kälte im Innersten, um den Beruf weiter ausüben zu können“, …
Das Schreiben gelangte auf Vermittlung von Landesbischof Jochen Bohl ans Innenministerium und den Landtag.
An Innenminister Ulbig ist dieser Appell bisher folgenlos abgeprallt. Er weigert sich auch, dem Beispiel anderer Länder zu folgen und im Winter auf Abschiebungen zu verzichten. „Klima ist keine Kategorie des Ausländerrechts“ erklärte er am 09.12. gegenüber der dpa. [3]
Unmenschlichkeit und Eiseskälte gehören für Herrn Ulbig offensichtlich nicht nur zur Flüchtlingspolitik, sondern auch zu seinen speziellen Führungsqualitäten, möchten wir dem noch hinzufügen.
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Quellen zu diesem Beitrag
[1] Abschiebe-Drama kurz vorm Fest in Leipzig: 18-jährige nachts außer Landes gebracht,27.12.2014, Leipziger Volkszeitung Online
http://www.lvz-online.de/leipzig/citynews/abschiebe-drama-kurz-vor-dem-fest-des-friedens/r-citynews-a-268165.html [2] Seelsorger beklagen Traumatisierung von Kindern, 18.10.2014,
Leipziger Volkszeitung Printausgabe zitiert in Abschiebepraxis: Polizisten zweifeln am Rechtsstaat, 21.10.2014
https://linksunten.indymedia.org/de/node/125326 [3] Sachsens Innenminister Ulbig lehnt Abschiebe-Stopp während der Wintermonate ab,
09.12.2014, Leipziger Volkszeitung Online
http://www.lvz-online.de/nachrichten/mitteldeutschland/sachsens-innenminister-ulbig-lehnt-abschiebe-stopp-waehrend-der-wintermonate-ab/r-mitteldeutschland-a-266109.html