Warum Großprojekte scheitern oder viel zu viel Geld kosten

Im jüngst veröffentlichten Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler [1] finden sich auch dieses Jahr wieder unglaubliche Beispiele für die Verschwendung von Steuergeldern: Über Gebäude, die zwar leerstehen, aber beheizt werden oder über Fußgängerbrücken für Fledermäuse …
Neben diesen Geschichten, die kurz medial aufgegriffen, hochgekocht und dann wieder bis zum nächsten Jahr vergessen werden, enthält das Schwarzbuch auch eine Analyse, warum bei Großprojekten viel zu viel Geld vergeudet wird und warum viele Großprojekte scheitern: Es hapert gewaltig beim Projektmanagement – und zwar in allen Phasen …

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„Immer mehr Bürger“, heißt es in der Einleitung, „betrachten große öffentliche [Bau-]Vorhaben zunehmend skeptisch und lehnen sich gegen die ewigen Kostensteigerungen auf. Dabei steht im Mittelpunkt der Eindruck, dass die öffentlichen [Bau-]Herren – Politik und Verwaltung – offensichtlich über eine nicht ausreichende Sachkompetenz verfügen, um komplexe [Bau-]Projekte stemmen zu können. Dieser Eindruck kann nicht einfach von der Hand gewiesen werden. Ein ums andere Mal haben sich Groß[bau]projekte, wie der Flughafen Berlin Brandenburg oder die Elbphilharmonie im Zuge ihrer Realisierung durch [Bau-]Kostenüberschreitungen und [Bau-]Zeitüberschreitungen von Wahrzeichen zu Mahnzeichen verwandelt.“

Darauf folgt eine Zusammenfassung der „üblichen“ Fehler und Empfehlungen zur Lösung.

Projekt-Vorbereitung und -Zielsetzung

  • Fehlende umfassende bzw. fachlich und technisch ausreichende Bedarfsbeschreibungen
  • Nicht ausreichende oder unrealistische Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen
  • Machbarkeitsstudien werden nicht durchgeführt
  • Keine hinreichenden Kostenvergleiche
  • Entscheidungsunterlagen mit Kostenobergrenzen fehlen

In der mangelhaften Vorbereitung liegen, so meinen die Autoren des Schwarzbuchs, die Hauptursachen für Probleme, die sich durch das gesamte Projekt ziehen und zu wesentlichen Zeit- und Kostenüberschreitungen führen. Es sei daher wichtig, speziell am Anfang ausreichend in die Projektvorbereitung und -planung zu investieren. Eine solche solide Vorbereitung könne zwar die Planungskosten erhöhen, zahle sich jedoch am Ende für das gesamte Projekt aus.

Planung und Kostenkontrolle

  • Keine umfassende Gesamtplanung vor Projektbeginn
  • Häufigste Ursache von Kostenexplosionen: Die Ausführungsplanung, wie z.B. alle Fachplanungen [bei Softwareentwicklung, -Einführungsaufwendungen, Schulung, Änderungsaufwand und Softwarepflege, etc. / d. Verf.] und entsprechende Kostenkalkulation erfolgt erst im Verlauf des Projekts.
  • Dadurch werden vermeidbare Nachträge fällig. Diese werden dem öffentlichen Auftraggeber bzw. „der Öffentlichkeit“, wenn nicht gänzlich vermeidbar, so überhaupt erst nach Auftragserteilung und Ausführung mitgeteilt.
  • Vergaben von Projektleistungen während der Projektdurchführung werden nicht nach den Regeln des Vergaberechts durchgeführt.
  • Der öffentliche Auftraggeber greift bei Kostensteigerungen nicht oder zu spät ein.

Die Autoren empfehlen, die Gesamtplanung und die daraus resultierende Auftragsvergabe besser mit der Projektausführung zu verzahnen und insbesondere Auftragnehmer schon in der Planungsphase mit ins Boot zu holen. Damit könnten einerseits Streitigkeiten zwischen Projektverantwortlichen, Planern und Auftragnehmern vermieden und die Kostentransparenz und -wahrheit [sic!] sichergestellt werden.

Projektumsetzung und -steuerung

  • Keine ausreichende Überwachung der genehmigten Planziele
  • Keine klare Aufteilung der Aufgaben und Kompetenzen
  • Keine ausreichende Koordination der Projektbeteiligten
  • Keine Erfolgskontrolle der Ziele (Soll-Ist-Vergleich) während der Projektdurchführung
  • Zielkonflikte [z.B. fachliche / gesetzliche Anforderungen aus Polizeigesetzen / d. Verf.] werden nicht erkannt
  • Finanzielle Auswirkungen werden nicht rechtzeitig erkannt bzw. haushalterisch berücksichtigt

Mehr Kompetenz beim Projektmanagement ist erforderlich, fordert der Bund der Steuerzahler und zwar sowohl bei den Planern als auch bei den für die Durchführung Verantwortlichen beim öffentlichen Auftraggeber. Auch hier sollten die Praktiker stärker einbezogen werden, also die Auftragnehmer. Es könnten damit Konflikte an den Schnittstellen der diversen am Projekt Beteiligten besser erkannt und schneller beseitigt und Abweichungen vom Planbudget früher erkannt werden.

Projektabschluss und Nachfolgekosten

  • Einseitige Fokussierung auf die reine Projektrealisierung – der „Blick fürs Ganze“ geht verloren
  • Dauerhaft anfallende Unterhalts-, Pflege- und Betriebskosten werden ebenso unterschätzt, wie die Folgekosten einer systemischen Fehlentscheidung zu Projektbeginn
  • Wo solche Kosten nicht unterschätzt werden, werden sie u.U. bewusst verschwiegen, um von Fehlentscheidungen der Projektentscheidungsebene abzulenken
  • Überzogene bzw. bewusst zu optimistisch dargestellt. Einnahme- bzw. Einsparungserwartungen bw. -prognosen kollidieren mit der Realität
  • Die finanziellen Folgen solcher „aus dem Ruder laufenden“ Projekte werden den Kontrollgremien nicht rechtzeitig bzw. ausreichend dargelegt – Versuch der Verschleierung
  • An defizitären Projekten wird zu lange festgehalten, um den Misserfolg nicht eingestehen zu müssen

Die Autoren betonen, dass gerade große Projekte einen langfristigen Nutzen für die Gesellschaft bzw. Steuerzahler stiften sollen. Es sei daher notwendig, den gesamten Lebens- und Nutzungszyklus zu betrachten und nicht nur die eigentliche Errichtung eines Bauvorhabens oder Einrichtung und Inbetriebnahme eines IT-Systems. Aufwand und Nutzen des Betriebs seien daher in die Gesamtbetrachtung mit einzubeziehen. Kostenprognosen müssten aufgrund belastbarer Annahmen getroffen werden. Die Betriebskosten seien daher, wesentlich stärker als bisher, in die Projektgesamtkalkulation mit einzubeziehen.

Was hat das mit IT-Projekten zu tun?!

Zwar beschäftigt sich das Schwarzbuch 2013 besonders mit Baugroßprojekten; die dort beschriebenen typischen Fehler haben jedoch nichts mit der ingenieurmäßigen Durchführung eines Bauvorhabens zu tun, sondern liegen im Bereich der Projektplanung-, -Durchführung und -Kontrolle, kurz also: Im Projekt-Management. Gleiche Phänomen und deren fatale Folgen für den eben nicht eingetretenen Projekterfolg ließen sich auch bei den IT-Großprojekten der Polizei- und Sicherheitsbehörden in der Vergangenheit beobachten bzw. zeichnen sich in aktuell laufenden Projekten erneut ab.

Zahlen über das Scheitern von IT-Projekten liegen seit mehr als 20 Jahren auf dem Tisch – und verändern sich auch nicht: Von allen IT-Projekten scheitern schon mal 20%. Bei den IT-Großprojekten steigt die Zahl auf über 40%. IT-Verbundprojekte des Bundes und der Länder weisen – systembedingt – Eigenschaften auf, die amerikanische Wissenschaftler schon vor Jahren empirisch erhoben und als besondere Risikofaktoren beschrieben haben, die das Scheitern von IT-Projekten begünstigen: Lesen Sie dazu unseren Artikel ‚IT-Verbundprojekte der Polizei: Anfällig für spätere Desaster …

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Dieser Artikel ist Teil der Serie Projektmanagement | Großprojekte

Eine Übersicht über sämtliche bisher erschienenen Artikel dieser Serie finden Sie hier.

Quellen zu diesem Artikel

[1]   Die öffentliche Verschwendung 2013, Bund der Steuerzahler
     http://www.steuerzahler.de/Die-oeffentliche-Verschwendung-2013/55064c64453i1p637/index.html

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