„In der Woche nach ‚Würzburg‘, ‚München‘ und ‚Ansbach‘ muss auch eine Diskussion wieder aufgenommen werden, wie Amokläufe zu verhindern sind.“ regt auch Frank Tempel an, MdB und Leiter des Arbeitskreises Demokratie, Recht und Gesellschaftsentwicklung der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag. Und fragt weiter [1]:
- Wie kann es sein, dass es für einen Jugendlichen völlig unproblematisch ist, an eine Waffe und Munition heranzukommen?
- Was kann die Gesellschaft tun, dass der Hilfsbedarf insbesondere bei Jugendlichen erkannt und behandelt wird, bevor diese Schäden anrichten oder gegen andere Gewalt anwenden?
- Wie können sich Schulen und Einrichtungen besser schützen und so Opferzahlen minimieren, wenn ein Amoklauf doch passiert?“
Wenn Sie sich Sorgen machen über einen (Mit-)Schüler, einen Freund Ihres Kindes, Kollegen, Bekannten: Kostenlose Beratung durch das Beratungsnetzwerk Amokprävention
Professor Dr. Britta Bannenberg, Lehrstuhlinhaberin für Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzug an der Universität Gießen, befasst sich seit Jahren mit diesen Fragen. Auf der Seite ihres Lehrstuhls findet sich das Angebot des Beratungsnetzwerk Amokprävention, das wir hier wiedergeben:
IHR ANLIEGEN
- Sie fürchten eine Amoktat? Du machst Dir Sorgen, es könnte zu einer Amoktat kommen?
- Sie sind besorgt… wegen des Verhaltens eines Schülers / einer Schülerin (eines Mitschülers / einer Mitschülerin) / eines Freundes Ihrer Kinder / eines Kollegen / eines Bekannten?
- Das Verhalten wirkt bedrohlich, ist jedoch schwer einzuschätzen?
- Es könnte sich um eine Amokdrohung handeln?
- Es könnte auch ein unbedachter, dummer Scherz sein?
- Es könnte aber auch der Hinweis auf eine andere Problemlage sein?
- Sie sind sich nicht sicher…
- ob Sie die Polizei informieren sollten?
- ob es sinnvoll wäre, die Schulpsychologie oder andere externe Berater einzuschalten?
- ob Sie den Schüler / den Kollegen selbst ansprechen sollten?
UNSER ANGEBOT
An der Professur für Kriminologie befassen wir uns seit Jahren mit der interdisziplinären Erforschung von Amoktaten und Amokdrohungen. Seit 2013 bis 2016 forschen wir, gefördert vom BMBF, in einem nationalen Forscherverbund zum Thema. Unser Anliegen ist es, Amoktaten zu verhindern und betroffene Institutionen mit unseren wissenschaftlichen Erkenntnissen zu unterstützen.
Gern beraten wir Sie kostenlos bei der Abklärung der Bedrohung (Gefahrenprognose) und beim Umgang mit der bedrohlichen Person.
Wir arbeiten mit dem Aktionsbündnis Amoklauf Winnenden zusammen.
Rufen Sie uns (Mo. – Do. von 9:00 bis 12:00 Uhr und 13:00 bis 15:00 Uhr) an:
0641 99 21571
Falls Sie ausnahmsweise niemanden erreichen, rufen wir Sie rasch zurück. Bitte hinterlassen Sie Ihre Rufnummer auf dem Anrufbeantworter. Rufen Sie im Notfall die Polizei (110)!
Schreiben Sie uns eine Mail sekretariat.bannenberg@recht.uni-giessen.de
Hochaktuell: Analyse von Amoktaten in Deutschland seit den frühen 90iger Jahren
Erst vor wenigen Wochen wurden am gleichen Lehrstuhl die Ergebnisse dreijähriger Analysen [3] von nahezu allen Amoktaten junger Täter seit den frühen 90iger Jahren in Deutschland vorgestellt. ALs Auszug darauf finden Sie hier die spezifischen Merkmale junger Täter
„Diese jungen Amoktäter begehen eine geplante Mehrfachtötung, weil sie als sonderbare Einzelgänger psychopathologisch auffällig sind und ein Motivbündel von Wut, Hass und Rachegedanken entwickeln, das nicht rational begründet ist. Die Persönlichkeit zeigt narzisstische und paranoide Züge, das bedeutet, die jungen (ganz überwiegend männlichen) Täter sind extrem kränkbar, aber nicht impulsiv oder aggressiv auffällig. Sie fühlen sich oft gedemütigt und schlecht behandelt, ohne dass die Umwelt dieses nachvollziehen kann und beginnen, im Internet nach Vorbildern und Ventilen für ihre Wut zu suchen. Sie sinnen lange über „Rache“ und eine grandiose Mordtat nach, entwickeln ausgeprägte Gewalt- und Tötungsphantasien … Das zeigt, dass es auch jugendtypische Aspekte dieser Taten gibt: Die Inszenierung der Tat und die Selbststilisierung als sich rächendes Opfer, was mit der Realität nichts gemein hat, ist eine jugendtypische Facette dieser Taten. Deshalb haben die in der Öffentlichkeit häufig als Ursache missverstandenen Ego -Shooter, Gewaltvideos und hasserfüllten Liedtexte, sowie die Waffenaffinität auch eine besondere Bedeutung als Inspiration und Verstärker für die schon vorhandenen Gewaltphantasien und spielen eine Rolle bei der Selbstdarstellung der im realen Leben erfolglosen, überforderten und sich ständig gekränkt fühlenden Täter. Teilweise wird die Medienresonanz bewusst eingeplant. Gemeinsam mit der heterogeneren Gruppe der erwachsenen Amoktäter ist die hohe Bedeutung des Suizids bzw. des Suizidversuchs nach der Tat auszumachen. Es handelt sich hier nicht um depressive Verzweiflung, sondern um die Inszenierung eigener Grandiosität. Der Täter demonstriert seine Macht und den Hass auf die Gesellschaft und/oder besonders attackierte Gruppen mit einer öffentlichkeitswirksamen Mehrfachtötung, der der Suizid folgt.“
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Quellen
[1] Wie Amokläufe zu verhindern sind‘. 25.07.2016, Frank Tempel, Linksfraktion im Deutschen Bundestaghttp://linksfraktion.de/kolumne/wie-amoklaeufe-zu-verhindern-sind/ [2] Beratungsnetzwerk Amokprävention, Link vom 26.07.2016, Universität Gießen
http://www.uni-giessen.de/fbz/fb01/professuren/bannenberg/news/beratungsnetzwerk-amokpraevention [3] Kriminologische Analyse von Amoktaten (jugendliche und erwachsene Täter von Mehrfachtötungen, Amokdrohungen) – Forschungsergebnisse, 23.06.2016, Lehrstuhl Professor Bannenberg an der Universität Gießen
http://www.uni-giessen.de/fbz/fb01/professuren/bannenberg/mediathek/dateien/text-tagung-target.pdf