Hessen, seit mehr als zwanzig Jahren unter der Führung einer CDU-Regierung, verfolgt in der Ausländerpolitik einen stramm rechtskonservativen Kurs: Dazu wurde eigens eine Konzeption entwickelt zur „täterorientierten Intervention für Besonders auf- und straffällige Ausländer“ (BasA). Ziel von BasA ist die gemeinsame Schwerpunktsetzung bei der Strafverfolgung sowie der Durchführung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen durch Ausländerbehörde, Polizei und Staatsanwaltschaft.
Per 01.07.2018 wurden die Regierungspräsidien zuständig gemacht für die Vollstreckung der Ausreisepflicht und zudem für die Herbeiführung der Ausreisepflicht und es wurde, im Februar 2018, jeweils eine ‚Gemeinsamen Arbeitsgruppe Intensivtäter‘ (GAI) bei den Zentralen Ausländerbehörden (= ZAB) der Regierungspräsidien Darmstadt, Gießen und Kassel eingerichtet bzw. in Frankfurt die schon bestehende GAI dort fortgeführt. Seitdem arbeiten dort Polizeibeamte Hand in Hand mit Beamten der Ausländerbehörde zusammen, um ausländische Straftäter unter Nutzung aller zur Verfügung stehenden Informationen in ihr Heimatland zurückzuführen.“ Soweit der O-Ton aus dem hessischen Innenministerium.
Die Umsetzung dieses Konzepts in der Praxis lässt sich eindrucksvoll demonstrieren am Exempel eines algerischen Staatsangehörigen namens TR. Der ist, um dies gleich vorweg zu sagen, kein Unschuldslamm: Hat Ladendiebstähle und andere Eigentumsdelikte begangen, ist ohne deutschen Führerschein Auto gefahren u. ä.. Dennoch zeigt meine gründliche Auswertung der über ihn gespeicherten Informationen in den Datenbanken der Polizei und dem Ausländerzentralregister, sowie seiner Ausländerakte, eines ganz deutlich: Was ihm dort – neben den Eigentumsdelikte, die er begangen hat, für die er verurteilt wurde und die Geldstrafen bezahlt hat – an (angeblichen) Straftaten zugeordnet wird und ihn – der Aktenlage nach – zum BasA macht, einen besonders auf- und straffälligen Ausländer, geht zum erheblichen Teil auf das Konto von Schlampereien in der Datenhaltung, in der Aktenführung und im Umgang von Marburger Polizei- und Justizbeamten mit Personalien, sowie polizeilichen und justiziellen Befugnissen.
Ein Drohbrief gegenüber einer Flüchtlingsbetreuerin und der Familie TR im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit Presseanfragen von POLICE-IT bei der StA Marburg wirft die Frage auf, ob Behördenmitarbeiter wirklich „nur“ fahrlässig, schlampig und gleichgültig agieren. Oder ob hinter scheinbaren Schlampereien MEHR steckt, nämlich der Vorsatz, diesem Ausländer mehr ‚Lastenpäckchen“ anzuhängen und ihn damit nach der Datenbank- und Aktenlage zum besonders auf- und straffälligen Ausländer zu machen.
POLICE-IT ist seit Monaten mit Auswertungen im Fall TR beschäftigt. Ein abschließendes Ergebnis liegt noch nicht vor. Wohl aber ein Zwischenrésumé, das aufzeigt, wie leicht einer Person „Lastenpäckchen“ in Form von Straftaten, Straf- oder Haftbefehlen Fahndungsnotierungen usw. angehängt werden können. Und wie immens schwer es ist, als Betroffener oder dessen Anwalt davon überhaupt Kenntnis zu erlangen, geschweige denn sich gegen solche, nur hinter Behördenmauern blühende Informationen zur Wehr zu setzen.
Zur Vorgeschichte und Herkunft von TR
TR kam 2012 in die Bundesrepublik, zunächst ohne hier Asyl zu beantragen. Das war schon die erste Straftat – illegale Einreise. In seinem Heimatland Algerien war er ein erfolgreicher Jungunternehmer gewesen mit eigenem Spenglereibetrieb, an die zehn Angestellten, Firmenwagen und Eigentumswohnung. Grund für seine Flucht aus Algerien war ein persönlicher/ familiärer: Die Frau seines Herzens, FA, Tochter des Direktors der Stadtwerke einer Großstadt und in einem liberalen Familienumfeld aufgewachsen und im zweiten Jahr Studentin der Informatik, geriet in Schwierigkeiten, als ihr Vater unvermittelt starb. Ein ultrakonservativ-religiöser Onkel nahm sie und ihre Mutter unter seine Obhut und wollte sie mit einem wesentlich älteren Mann zwangsverheiraten. Um dem zu entgehen, entschlossen sich TR und FA, Algerien zu verlassen.
Asylantrag in Deutschland
Einen Asylantrag stellten die beiden erst 2014. Bis dahin hatte es TR für eine gute Idee gehalten, sich einen Kunstnamen zuzulegen. SBA – eine Mischung aus Namen, die in Algerien viel verwendet sind. Sein richtiger Name wurde korrekt im Asylantrag vermerkt, der ursprünglich schon entstandenen Datensatz allerdings unter dem Kunstnamen SBA geführt.
Seitdem hat TR selbst diesen Namen SBA nie mehr verwendet. Doch die Vorstellung des algerischen Romeos und seiner Julia davon, dass sie sich in Deutschland leicht würden selbst ernähren können – er als Handwerker, sie mit besten Arabischkenntnisse und dem angefangenen Informatikstudium vielleicht im IT-Bereich, zerschellten am deutschen Asylrecht: Denn eine Arbeitsgenehmigung wurde nicht erteilt. Die familiäre Situation wurde prekärer, als sich das erste Kind ankündigte. TR wurde erwischt, beim Versuch einen Babystrampler zu klauen. Einige Monate später kam eine Anzeige aus einem Supermarkt hinzu, wo er versucht hatte, Haarshampoo und Obst – zusammen im Wert unter 10 Euro – mitgehen zu lassen.
Diese Straftaten führten zu Strafbefehlen im Jahr 2015 und 2016, die auf seinen richtigen Namen ausgefertigt waren. Die entsprechenden Geldstrafen hat TR bezahlt.
Stimmung gegen ‚Nafris‘ im Zuge der Flüchtlings“welle“ seit 2015
Seit Anfang 2015 hatten sich hunderttausende andere Menschen aus diversen Ländern auf den Weg gemacht, um in Deutschland Asyl zu beantragen. „Flüchtlinge“ generell, aber insbesondere Geflüchtete aus Nordafrika – wozu das Heimatland von TR und FA gehört – wurden in Deutschland medial und politisch zunehmend zum Kardinalproblem erklärt. Silvester 2015 kam es zu den bekannt unschönen Ereignissen auf der Kölner Domplatte. ‚Nafris‘ – Nordafrikaner – war seitdem ein Schlagwort für Menschen, die in Deutschland Asyl suchten, obwohl sie (anders als Syrer, Eritreer, Somalier oder Afghanen) doch „eigentlich nur Wirtschaftsflüchtlinge“ waren: Leute, die in Deutschland ein besseres Leben suchten, als es ihnen ihr Heimatland bieten konnte. Diese Einstellung wurde verstärkt durch den damaligen Bundesinnenminister De Maizière: Der über Monate als politisches Hauptziel verfolgte, mit den Ländern Nordafrikas Verträge abzuschließen, die die dortigen Regierungen (für unbekannt viel Geld und andere Vergünstigungen) dazu bewegen sollten, Menschen aus diesen Ländern ohne viel Federlesens wieder „zurück“ zu nehmen. In diese politische Wetterlage gerieten auch TR und FA.
Hessen
Im ehemals roten, SPD-geführten Hessen stellt die CDU seit 1999 den Ministerpräsidenten und die größte Regierungsfraktion. Trotz Koalitionen, wenn notwendig, mit FDP, SPD und zuletzt den Grünen, dominiert damit seit zwei Jahrzehnten eine stramm rechtskonservativ orientierte Asylpolitik auch den Umgang mit Geflüchteten in Hessen.
TR als Exempel für den Umgang Hessens mit Geflüchteten
TR ist – zumindest für die Geschichte, die hier erzählt werden soll – ein inzwischen gut dokumentiertes und daher belegbares Exempel für einen Geflüchteten, der vor Jahren nach Deutschland kam und Asylantrag stellte – und dabei einen Phantasienamen angab. Vielleicht in der naiven Hoffnung, damit in Deutschland ein wirklich neues Leben anfangen zu können. Unter diesem Phantasienamen – SBA – wurde er im polizeilichen Informationssystem erfasst.
Fingerabdrücke als eindeutiges Identifizierungsmerkmal
Bei dieser Ersterfassung wurden auch seine Fingerabdrücke genommen, Lichtbilder gefertigt und zusammen mit dem angegebenen Namen in INPOL-Zentral und im Ausländerzentralregister gespeichert.
Das Bundeskriminalamt (BKA) leistet bei solchen Asylverfahren Amtshilfe. Denn sämtliche Fingerabdrücke, die im Rahmen von Asylantragsverfahren gemeinsam mit den dabei angegebenen Personalien erhoben werden, speichert das BKA in der Datenbank INPOL-Zentral. INPOL ist die gemeinsame Datenbank aller Polizeibehörden des Bundes und der Länder. Teilbestände für den Zuständigkeitsbereich der einzelnen Polizeibehörden (16 Bundesländer, drei Bundespolizeibehörden) werden in so genannten INPOL-Teilnehmersystemen gehalten, von denen das hessische System den Namen HEPOLAS trägt.
Die Amtshilfe des BKA besteht darin, dass sein Fingerabdruck-Identifizierungssystem (AFIS) auch für die Auswertung der Fingerabdrücke von Asylbewerbern genutzt wird. Neu von einem Asylbewerber aufgenommene Fingerabdrücke werden im BKA verglichen mit dem dort vorhandenen Gesamtbestand von Millionen Fingerabdrücke anderer Menschen – Deutscher, wie auch Ausländer. Jedes eindeutige, d.h. noch nicht dort vorhandene Fingerabdruck-Set bekommt nach dieser Auswertung eine eindeutige Nummer. Mit dieser Nummer kann in der Zukunft der Mensch, der diese Fingerabdrücke wie seinen individuellen Stempel vorweisen kann, als der identifiziert ist, als der er bzw. sie in der Polizei- und Ausländer-Datenbank erfasst ist. Und diese Nummer wird auch vom BKA im Rahmen eines Personenfeststellungsverfahrens rückgemeldet an die sachbearbeitende Polizei- bzw. Ausländerbehörde und ergänzt – als eindeutiges Identifizierungsmerkmal – den Datensatz der Person.
Polizei und Ausländerbehörden verwenden in ihren Datenbanken Namen – auch falsche – zur Identifizierung
Und genau da beginnt das Problem: Denn Geflüchtete werden in INPOL und dem Ausländerzentralregister nicht primär anhand ihrem Fingerabdruck-Set und dessen eindeutiger Nummer identifiziert. Sondern anhand ihrer Namen. Von denen die Führungspersonalie bei der Ersterfassung vergeben wird. Und – bei Asylbewerbern – sehr häufig falsch ist.
Ohne genaue Zahlen zu kennen, gehe ich davon aus, dass zigtausende der Personalien in diesen Datenbanken falsch sind. Mit falsch ist gemeint, dass diese Namen nicht den Personalien entsprechen, die diese Menschen im Herkunftsland getragen haben. Sofern diese Namen überhaupt irgendwie registriert und administriert werden, was längst nicht in allen Herkunftsländern nachvollziehbar der Fall ist.
Ein Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Marburg bestätigte gegenüber POLICE-IT diese Annahme sinngemäß:
01.01.1992 – ein willkürlich gewählter Standardwert als Platzhalter für das unbekannte Geburtsdatum
Das Geburtsdatum ist bei der Erfassung vieler Asylanträge ein weiteres Problem: Aus Sicht der Antragsteller, denn die wussten nicht (genau), wann sie geboren wurden oder sie wollten es nicht sagen. Und aus Sicht der Datenbankbetreiber (beim BKA) ebenfalls, denn das Feld ‚Geburtsdatum‘ ist in INPOL ein Pflichtfeld. Dort muss ‚was rein und zwar im richtigen Format JJJJMMTT! Wäre ja noch schöner, wenn man für einen Anwendungsfall, der mehr als eine Million mal vorkommt, ein neues Feld ‚unbekanntes Geburtsdatum‘ kurzfristig in INPOL implementieren würde!
Um also dieses Problem zu lösen, einigte man sich in den Polizeibehörden auf einen willkürlichen Standardwert: Für Asylbewerber ohne festgestellten Geburtstag wurde in INPOL-Z und dem Ausländerzentralregister (AZR) der 01.01.1992 eingetragen (in der Schreibweise 19920101). Mehr als 250.000 Personendatensätze sollen inzwischen diesen behördlich verordneten Geburtstag ausweisen.
Der Personendatensatz – ein virtueller Spind für alle polizeilich relevante Informationen über eine Person
Ein solcher Datensatz ist wie ein virtueller Spind, der für eine Person in der Datenbank eingerichtet wird. Je nachdem, was noch an Erkenntnissen über diese Person hinzukommt, werden weitere Einlagen in diesem Spind gemacht. Das können z.B. durchgeführte erkennungsdienstliche Behandlungen (ED-Behandlungen) sein, die bei der Einreise bzw. im Rahmen des Asylantragsverfahrens durchgeführt werden. Oder später, falls eine Person von der Polizei als Beschuldigter in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren geführt wird: Bahnfahren ohne Fahrkarte ist dafür absolut ausreichend. Oder es kann sich um Fahndungsnotierungen handeln, wenn diese Person z.B. von einem Gericht zur Aufenthaltsermittlung (nach angeblich oder tatsächlich unbekanntem Aufenthaltsort) oder zur Festnahme ausgeschrieben wird. Oder um den Vermerk über eine Haftstrafe, auch Untersuchungshaft, die diese Person betroffen hat. usw.
Die diversen Personalien des TR
Unserem prototypischen Geflüchteten dämmerte schon bald, dass die Angabe einer falschen Personalie keine gute Idee gewesen war. Im Rahmen seines Asylantrages stellte er diese Falschangabe richtig. Das brachte ihm einen Strafbefehl ein, bewirkte auch, dass sein richtiger Name – TR – als weiterer Name in seinem Personendatensatz eingetragen wurde. Es blieb jedoch dabei, dass der Datensatz selbst weiterhin angeführt wurde von der P-Gruppe mit der Personalie SBA.
Diese anfangs so smart erschienene Idee mit dem falschen Namen hatte er auch einigen Kumpels aus Algerien erzählt, die ebenfalls in Deutschland lebten. Die waren noch ein klein wenig smarter als TR. Und auch wesentlich „krimineller“. Kleinganoven, könnte man sagen. Wenn sie dann mal, was vorkam, von der Polizei erwischt und in Gewahrsam genommen wurden, gaben sie freimütig ihren Namen an: Sie hießen, behaupteten sie, SBA. Das machte es einfach für den jeweiligen Polizeivollzugsbeamten, der diesen Fall zu erfassen hatte. Den Datensatz von SBA fand er leicht im AZR und auch in INPOL. Hatte also nicht viel Arbeit mit der Erfassung. Konnte diese Daten übernehmen ins Vorgangsbearbeitungssystem (ComVor in Hessen) und eine nächste Strafanzeige für den gerade offenkundig gewordenen Fall – sagen wir einen Reifendiebstahl, aufnehmen.
Doch im realen Leben sammelten sich im virtuellen Spind mit der Beschriftung SBA im Laufe der Jahre weitere Datenpäckchen: Es kumulierten sich auch weitere Namen, nämlich alle die, die der jeweilige Delinquent bei der Polizei angegeben hatte. Die wurden als weitere „andere Namen“ erfasst. Daraus wurde mit der Zeit ein hübsches Sammelsurium von Phantasienamen und solchen von real existierenden Personen.
Die zweite Gruppe von Datenpäckchen, die hinzukamen, betrafen durchgeführte ED-Behandlungen – bei denen im Zuge der Auswertung der Fingerabdrücke im BKA eigentlich auffallen musste, zu welcher real existierenden Person das aktuelle Set von Abdrücken gehörte. Denn diese Fingerabdrucks-Sets („Fingerabdruckblätter“ genannt) werden vom BKA mit einer eindeutigen Nummer versehen. Noch nicht geklärt werden konnte bisher, warum nicht die Fingerabdrücke all dieser Personen, wie eigentlich vorgeschrieben für Beschuldigte in einem Strafverfahren, aufgenommen und beim BKA abgeglichen wurden. Spätestens damit hätte auffallen müssen, dass es sich um unterschiedliche Personen handelte.
Und dann kann sich im virtuellen Spind noch eine dritte Gruppe von Datenpäckchen ansammeln, oder solle man besser Lastenpäckchen sagen, nämlich die Straftaten, die man in dem Datensatz mit der Führungspersonalie SBA sammelte. Die in der Wirklichkeit aber von mehreren Personen begangen worden waren.
„Namen sind Schall und Rauch“ – die Einstellung in Marburger Justiz- und Polizeikreisen
In der Polizei und Ausländerbehörden interessierte dieses Durcheinander, das sich da allein in diesem einen Datensatz entwickelte, niemanden. „Namen“ sind (bei „denen“) ohnehin Schall und Rauch“ war bzw. ist bis heute eine Devise dort, selbst in hohen Führungskreisen der Justiz. Darüber hinaus herrschte in Beamtenkreisen die Einstellung, dass es „keinen Falschen trifft“, wenn man einem Geflüchteten eine Straftat zuordnet, die der gar nicht begangen hat.
Heureka! 2015 und 2016 gab es tatsächlich mal Strafbefehle vom AG Marburg unter dem richtigen Namen
Bis etwa 2016 hatte sich, zumindest bei manchen der zuständigen Behörden bzw. Sachbearbeiter, das Chaos in dem Datensatz von TR gelichtet: 2015 und 2016 erließ das Amtsgericht Marburg zwei Strafbefehle, die tatsächlich auf den richtigen Namen TR ausgefertigt waren. Den Anlass dafür hatte auch der echte TR geliefert. Und die Geldstrafe anschließend bezahlt.
Nach wie vor Datensalat im ausländerrechtlichen Verfahren
Doch der Inhalt des Spinds mit dem Namensschild SBA verfolgte den TR und seine Partnerin FA weiter. Ihr Asylantrag wurde abgelehnt, weil – siehe oben – sie ja in der Tat aus menschlich/familiären Gründen geflüchtet waren, die nicht in das eng geschnürte Korsett der noch akzeptierten Asylantragsgründe seit 2015 passten.
Es folgte das Übliche: Widerspruch gegen den Asylantrag, Klage gegen die Entscheidung vor dem Verwaltungsgericht, abschlägige Entscheidung des Gerichts und dann Androhung der Abschiebung. Die war unterfüttert von der Überzeugung der zuständigen zentralen Ausländerbehörde (ZAB) beim Regierungspräsidium Gießen, dass der TR auf dem besten Weg zum besonders auf- und straffälligen Ausländer (BasA) sei.
Das hessische Konzept BasA – täterorientierten Intervention für besonders auf- und straffällige Ausländer (BasA)
Eingangs der 2000er Jahre hatte das Polizeipräsidium Frankfurt ein Konzept für die Erkennung, Prognose und den Umgang mit Intensivtätern aus dem Milieu der Clan- und organisierten Kriminalität entwickelt. Im Fokus standen Schwerstkriminelle, die innerhalb kurzer Zeit zwanzig und mehr Delikte der Gewalt- und Eigentumskriminalität in ihr Kerbholz schnitzten. Seit dem Anstieg der Asylbewerberzahlen seit 2015 und gefördert durch die Politik der hessischen Landesregierung, wurde dieses Konzept sinngemäß auch auf die polizeiliche und justizielle Kategorisierung von Asylbewerbern übertragen. Die erhielten jetzt die freundlicher klingende Bezeichnung „BasA – besonders auf- und straffällig gewordene Ausländer“.
Was das ist, erklärte der stellvertretende Pressesprecher aus dem hessischen Ministerium des Innern und für Sport gegenüber POLICE-IT wie folgt:
Der klare Schwerpunkt liegt dabei auf der Rückführung von Gefährdern und Straftätern ohne deutsche Staatsangehörigkeit.
Ein besonderes Augenmerk verdient die Tatsache, dass ein überproportional hoher Anteil von Straftaten im Bereich der Massen- und Straßenkriminalität durch relativ wenige Täter begangen wird.
Aus diesem Grund und um den weiteren Besonderheiten von Straftätern ohne deutsche Staatsangehörigkeit angemessen Rechnung zu tragen, erfolgte seitens der hessischen Polizei die Entwicklung einer Konzeption zur „täterorientierten Intervention für Besonders auf- und straffällige Ausländer“ (BasA). Ziel von BasA ist die gemeinsame Schwerpunktsetzung bei der Strafverfolgung sowie der Durchführung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen durch Ausländerbehörde, Polizei und Staatsanwaltschaft.
Ferner zeigte es sich als erforderlich, auf Seiten der für den Vollzug der Ausreisepflicht zuständigen Ausländerbehörden Ressourcen zu stärken, Kompetenzen zu bündeln und den Informationsfluss zwischen Polizei und Ausländerbehörde insbesondere hinsichtlich der sicheren Identifizierung der ausländischen Personen noch weiter zu optimieren.
Durch die Änderung der Verordnung über die Zuständigkeiten der Ausländerbehörden und zur Durchführung des Aufenthaltsgesetzes und des Asylgesetzes (AAZustV) am 01.07.2018 sind die Regierungspräsidien für die Vollstreckung der Ausreisepflicht und zudem für die Herbeiführung der Ausreisepflicht nach allgemeinem Ausländerrecht in bestimmten Fällen, insbesondere bei Straftätern, zuständig.
Aus diesen Gründen erfolgte bereits im Februar 2018 die Einrichtung jeweils einer „Gemeinsamen Arbeitsgruppe Intensivtäter“ (GAI) bei den Zentralen Ausländerbehörden der Regierungspräsidien Darmstadt, Gießen und Kassel. In der bestehenden GAI Frankfurt übernahm nach Änderung der Zuständigkeitsverordnung das Regierungspräsidium Darmstadt die Aufgaben der Ausländerbehörde der Stadt Frankfurt.
Seitdem arbeiten dort Polizeibeamte Hand in Hand mit Beamten der Ausländerbehörde zusammen, um ausländische Straftäter unter Nutzung aller zur Verfügung stehenden Informationen in ihr Heimatland zurückzuführen.“
Wie Straftaten verschiedener Personen aus dem virtuellen Spind aus dem TR einen ‚BasA‘ machen (sollen?)
Am Fall TR zeigte sich allerdings, dass noch erheblicher Verbesserungsbedarf besteht an der Zielsetzung „den Informationsfluss zwischen Polizei und Ausländerbehörde insbesondere hinsichtlich der sicheren Identifizierung der ausländischen Personen noch weiter zu optimieren.“ Während das weitere Ziel schon weit, manche meinen, zu weit, gediehen ist, nämlich dass „Polizeibeamte Hand in Hand mit Beamten der Ausländerbehörde zusammen [arbeiten], um ausländische Straftäter unter Nutzung aller zur Verfügung stehenden Informationen in ihr Heimatland zurückzuführen.“ [Unterstreichung / d. Verf.]
Das hier angetroffenen Durcheinander in Datenbanken und der Ausländerakte von TR ist nur vom gordischen Knoten zu übertreffen
Bei TR bot sich ein wahrer Fundus für „alle zur Verfügung stehenden Informationen“ in Gestalt des ihn betreffenden Datensalats in den Polizei- und Ausländerbehörden. Der ergänzt wurde durch seine bemerkenswerte Ausländerakte. Die man sich vorstellen muss als eine Sammlung von weit mehr als tausend Blättern ohne erkennbare Systematik, sachlich/fachliche Ordnung bzw. Struktur.
Relevante Datenbanken – INPOL und AZR – und die Auskunft daraus
Für den Betroffenen und seine Betreuer bzw. Anwälte ist es extrem schwer überhaupt zu erfahren, woraus dieser Datensalat besteht: Eine Auskunftsanfrage bei der für ‚Kriminalpolizeiliche Sammlungen‘ zuständigen Dienststelle im hessischen Landeskriminalamt für TR wurde zwar rasch beantwortet. Jedoch nur mit einem Textbausteinschreiben, dem zu entnehmen ist (und andere Betroffene bestätigen diese Erfahrung), dass die eigentliche Auskunft über bei der Polizei über TR gespeicherte Daten Monate auf sich warten lassen kann, denn die vielen Anträge werden in der Reihenfolge ihres Eingangs abgearbeitet.
Die Ausländerakte
Die Ausländerakte war, jedenfalls im Fall TR nur mit Hilfe eines Anwalts im Wege der Akteneinsicht zu erlangen. Es ist unmöglich daraus zu rekonstruieren, auf der Grundlage welcher Quellen und Belege die Polizei bzw. Ausländerbehörden eigentlich zur Ansicht kommen, dass Straftaten x, y oder z tatsächlich der real existierenden Person, hier TR, zuzuordnen sind.
Polizei- und Justizbeamte die – absichtlich?! – weitere Verwirrung stiften
Hinzu kommt, dass eine bemerkenswerte Nonchalance – um einen möglichst neutralen und freundlichen Ausdruck zu verwenden – im Umgang mit Personalien, Straf- und Haftbefehlen etc. von Beamten der Polizeidirektion Marburg und der Justizbehörden in Marburg an den Tag gelegt wurde. Wodurch sich das Informationschaos nur noch vergrößerte.
Der Abschiebungsversuch gegen die Familie und die unmittelbaren Folgen
Die Polizei Marburg hat sich den Preis des „Abgeschossenen Vogels 2019“, eines von uns verliehenen Preises für besonders aberwitziges Behördenhandeln, wirklich redlich verdient und zwar mit diesem Vorgehen:
Der erste Akt: Die Abschiebung mit Hilfe algerischer Behörden wird vorbereitet
Es wurde da – in der Polizeidirektion Marburg und unterstützt von den zuständigen Ausländerbehörden – mit viel administrativem Aufwand, der ja auch Beschäftigung bietet für zahlreiche Mitarbeiter, im Spätherbst 2018 die Abschiebung der Familie TR / FA vorbereitet.
Die Mitwirkung der Betroffenen war sichergestellt worden: Die hatte die Polizei in enger Kooperation mit den Ausländerbehörden zu einer Anhörung bei – dank der politischen Verträge – kooperationswilligen algerischen Behörden nach Frankfurt sammelverfrachtet: Was zur Folge hatte, dass Anfang Januar 2019 Passersatzdokumente aus Algerien vor lagen für TR und FA, die Eltern, wie auch für die beiden kleinen Töchter der Familie, die in Marburg geboren worden waren. FA war im Januar 2019 hochschwanger mit dem dritten Kind. Die Bescheinigung ihres Arztes, dass eine Flugreise nicht mehr in Frage komme in dieser Phase ihrer Schwangerschaft, wurde von der Polizei ignoriert. Stattdessen heuerten die Behörden für die Transportbegleitung („Hin- und Rückflug“, letzterer über Paris) eigens einen Allgemeinmediziner aus der Gegend an. Der sollte das Risiko für die Schwangere und das Ungeborene im Auge behalten.
Der zweite Akt: Abschiebeversuch
An einem sehr frühen Morgen im Januar 2019 holten Polizeibeamte der PD Marburg die Eltern und die beiden kleinen Mädchen aus der Wohnung ihrer Gastgeberin ab (sie wohnten unentgeltlich bei Frau Dr. R., einer Flüchtlingsbetreuerin, die später noch eine Rolle spielen wird), präsentierten ihnen die Abschiebeverfügung, ausgestellt auf die aus Algerien bestätigten rechtmäßigen Personalien und verschubten TR und seine vor Kälte und Angst zitternden Kinder und Frau an den Flughafen Frankfurt für die Abschiebung nach Algier. Doch dieser Abschiebeversuch scheiterte, weil sich der Pilot der algerischen Verkehrsmaschine weigerte, die hochschwangere Frau zu befördern.
Also brachte man die Familie zurück nach Marburg und setzte sie vor einer Polizeidienststelle ab. Polizeilicher Einsatzführer dieses Abschiebeversuchs war ein POK (=Polizeioberkommissar) aus der Polizeidirektion Marburg. Der dem TR zum Schluss noch ein Blatt Papier in die Hand drückte: Der sich als Strafbefehl herausstellte, ausgefertigt am 19.11.2018 vom AG Marburg auf den Namen SBA. Wir erkennen hier wieder das Muster: „Namen“ sind bei manchen Beamten aus Marburger Polizei- und Justizbehörden in der Tat „Schall und Rauch“.
Der dritte Akt: Öffentliches Tribunal soll aus TR einen BasA machen, einen besonders straf- und auffälligen Ausländer
Im April 2019 kam es zu einer öffentlichen Veranstaltung des Flüchtlingsrates in Sachen der – in Marburg inzwischen zum Politikum gewordenen – Angelegenheiten der Familie TR / FA. Ein Leitender Polizeidirektor (LPD) Heimann von der zentralen Ausländerbehörde (ZAB) am Regierungspräsidium Gießen hatte Folien vorbereitet: Mit denen er die Öffentlichkeit davon zu überzeugen suchte, welch kriminelle Gestalt dieser TR doch war. Dass die vielen – zwanzig sollen es gewesen sein – Vorwürfe, die er da gegen TR erhob, diesen zum erheblichen Teil gar nicht betrafen, sondern aus dem virtuellen Spind des SBA stammten und anderen Personen zuzuordnen waren, störte den LPD Heimann nicht weiter. Auch längst eingestellte Verfahren bereicherten seine Aufzählung, getreu dem Motto „viel hilft viel“, wenn demonstriert werden soll, was ein BasA ist, ein besonders auf- und straffälliger Ausländer.
Der vierte Akt: Der polizeiliche Einsatzführer fühlt sich von TR verleumdet, der Strafbefehl wird auf SBA ausgestellt
Anwesend war bei dieser Veranstaltung auch TR selbst, den diese öffentliche Vorführung als angeblicher Intensiv-Krimineller nachvollziehbar nicht kalt ließ. Und anwesend war auch der polizeiliche Einsatzführer, der den Abschiebeversuch im Januar geleitet hatte. TR soll diesen Polizeioberkommissar in der Veranstaltung verbal attackiert haben. Das hatte umgehend eine Strafanzeige dieses Beamten zur Folge wegen Verleumdung. Die wurde geahndet durch einen weiteren Strafbefehl des Amtsgerichts Marburg über 60 Tagessätze zu 10 Euro, ausgefertigt auf den Namen SBA. Und erhöhte im virtuellen Spind weiter die Straftaten des besonders auf- und straffälligen Ausländers TR. (Das Verfahren wurde später „vorläufig“ eingestellt.“)
Die Rechtsgrundlage für dieses Strafverfahren ist ein Antragsdelikt des Geschädigten, hier also des polizeilichen Einsatzführers. Was die Frage aufwirft: Hat der einen Abschiebungsversuch gegen TR geleitet, dann aber wider besseres Wissen Strafanzeige erstattet gegen die nicht existierende Kunstfigur SBA. Gegen die dann das Amtsgericht Marburg einen Strafbefehl erließ? Wir sehen erneut: „Namen“ sind in den Kreisen von Justiz- und Polizeibeamten in Marburg wirklich „Schall und Rauch“. Und der Preis des „Abgeschossenen Vogels 2019“ für die PD Marburg und ihren Polizeioberkommissar daher wohlverdient.
Eine notwendige Bemerkung zur Frage: Wie kriminell ist TR wirklich?
Nachdem hier immer wieder von Straf- oder gar Haftbefehlen die Rede ist, muss ich eines klarstellen. Von den vielen Strafbefehlen betrafen einige zu Recht die Person TR. Ja, er hat einen Babystrampler und Babyschuhe mitgehen lassen, Haarshampoo und Obst in einem Supermarkt geklaut und ja, er hat ohne deutsche Fahrerlaubnis, nur mit seinem algerischen Führerschein in Deutschland mehrfach ein Kraftfahrzeug geführt. Das alles hat ihm Strafbefehle eingebracht, die er akzeptiert hat – einen Teil davon, obwohl sie auf den falschen Namen SBA ausgestellt waren. Und, ja, er hat – auch mit tatkräftiger finanzieller Unterstützung seiner ehrenamtlichen Betreuer – die dafür auferlegten Geldstrafen bezahlt. Diese Betreuer haben ihm auch unmissverständlich deutlich gemacht, dass auch im so reichen Deutschland nicht einfach mitgenommen werden darf, was einem nicht gehört. Das hat TR verstanden und will sich daran halten.
Die Rolle der Justizbehörden Marburg bei der Verfertigung des ‚BasA TR
Aus dem Dreigestirn der Behörden, die in Sachen Ausländer in Hessen eng zusammenarbeiten, fehlen noch die Justizbehörden und ihr Wirken im Fall TR: Denn ihre Funktion ist wichtig: Weil zur Behauptung von der Straffälligkeit einer Person zwangsläufig gehört, dass Strafen bzw. Urteile auch rechtskräftig ausgesprochen werden. Und dann ggf. vollstreckt werden, wobei Fahndungsausschreibungen und der Erlass von Haftbefehlen für Ersatzfreiheitsstrafen zweckdienlich sein können. Hier kommt also die Justiz ins Spiel: Im Falle von TR in Gestalt des Amtsgerichts Marburg und der Staatsanwaltschaft Marburg, die beide im Justizzentrum am Ort ihren Sitz haben.
2015 gab es zwei Urteile des AG Marburg gegen TR wegen Diebstahls, aus 2016 stammt ein Strafbefehl, ebenfalls gegen TR wegen Fahrens ohne in Deutschland gültige Fahrerlaubnis. Daraus ergibt sich zumindest, dass es damals MÖGLICH war, Strafbefehle auf seinen richtigen Namen auszufertigen.
2017 und 2018 gab es keine Vorkommnisse dieser Art. Allerdings tauchte später ein Strafbefehl gegen den SBA auf, ausgefertigt von einer Rechtspflegerin der StA Marburg am 19.11.2018. Dem (nicht existierenden) SBA konnte er nicht zugestellt werden, dem vielleicht „gemeinten“ TR wurde er ebenfalls nicht fristgerecht zugestellt. Der erhielt dieses Dokument durch den polizeilichen Einsatzleiter, der ihm den Strafbefehl nach dem für alle Beteiligten extrem unerquicklichen Ausflug zum Flughafen Frankfurt nach dem Aussteigen auf dem Bürgersteig in die Hand drückte.
Da dieser Strafbefehl weder formell oder inhaltlich den TR betraf, noch seine richtige Adresse nannte, gab es auch keinen Grund, sich weiter darum zu kümmern. Mit diesem Laissez-faire kam TR bei der Rechtspflegerin der Staatsanwaltschaft Marburg allerdings an die falsche Adresse. Im Oktober 2019 nämlich fertigte sie einen Haftbefehl gegen den SBA zur Ersatzvollstreckung. Denn der habe die Geldstrafe aus dem Strafbefehl vom 19.11.2018 nicht bezahlt. Der nicht existierende SBA, wie nicht wenig verwunderlich, reagierte daraufhin nicht.
Darauf veranlasste die Rechtspflegerin im dritten Zug eine polizeiliche Fahndungsausschreibung gegen den SBA. Der sei nämlich unbekannten Aufenthalts und daher zur Aufenthaltsermittlung auszuschreiben. Auf dem entsprechenden Formular sind neben SBA acht weitere Namen eingetragen, einige mit Adressen. Handschriftlich ist, vermutlich von einem Polizeibeamten, eingetragen, dass der richtige Name doch TR sei, über dem Namen SBA ist handschriftlich „Alias!“ eingesetzt.
Doch anscheinend reichte diese Zermürbungstaktik für TR und vor allem für seine ehrenamtlichen Betreuer. Einer von ihnen zahlte aus eigener Tasche 1.500 Euro Geldstrafe bei der Polizei ein für „Diebstahl geringwertiger Sachen in 2 Fällen“, die dem SBA zur Last gelegt wurden und gegen die sich der TR nie verteidigen konnte. Damit war wenigstens die Gefahr gebannt, dass die Familie, die Kinder vor allem, wieder Panikattacken bekommen, wenn die Polizei vor der Tür steht und den Papa in Haft nehmen will. Denn für die – einschließlich des kurz nach dem Abschiebeversuch geborenen Jungen – hat dieser Polizeieinsatz bleibende und tiefe psychische Wunden hinterlassen.
Über Presseanfragen, Dienstaufsichtsbeschwerden und einen Drohbrief an Flüchtlingsbetreuer und die Familie
Ende September 2020 war ich bei meinen Auswertungen von Unterlagen in etwa auf dem bis hier geschilderten Erkenntnisstand angelangt. Und verfasste daher am 06.10.2020 eine Presseanfrage an die Staatsanwaltschaft Marburg. Auf Nachfrage am 14.10. kam die Antwort, dass diese Anfrage dort nicht vorliege. Ich schickte sie also erneut, diesmal besonders nachweissicher.
Zwei Tage später ging bei der betagten Betreuerin, Frau Dr. R., der Familie TR/FA, die ihre eigene Wohnung der Familie überlassen und eine Mietwohnung im gleichen Mehrfamilienhaus bezogen hatte, ein Drohschreiben ein. Der Absender drückte seine Hoffnung aus, dass „der Dreck aus Ihrer Wohnung bald weg ist“ und die Frau (gemeint ist FA) und „die gestörten Kinder haben in Marburg nichts zu suchen“. Erwähnt wird auch noch, dass „die Akte am Gericht lang“ sei.
Auffällig war, dass der Name der Betreuerin falsch geschrieben war. In einer Schreibweise, die bis dahin so nur in Schreiben der Polizei verwendet worden war.
Mit diesem neuen Sachstand und meiner ursprünglichen Presseanfrage wandte ich mich am 19.10.2020 an die Pressestelle der Generalstaatsanwaltschaft. Sie hat die Fachaufsicht über alle Staatsanwaltschaften in Hessen.
Die reichte die Anfrage weiter an die „zuständigen Fachabteilungen meiner Behörde“: Von dort teilte mir eine Oberstaatsanwältin am 23.10.2020 mit, dass meine Presseanfrage als Dienstaufsichtsbeschwerde aufgefasst werde und daher der Staatsanwaltschaft Marburg übersandt worden sei. Die sei für die Dienstaufsicht ihrer Bediensteten zuständig. Der Umwidmung einer Presseanfrage zur Dienstaufsichtsbeschwerde widersprach ich mit Schreiben vom 28.10.
Am 30.10.2018 erhielt ich eine erste inhaltliche Reaktion des Pressesprechers der StA Marburg. Meine wesentlichen Fragen waren darin nicht beantwortet. Also reklamierte ich erneut am 23.11.2020, diesmal an den stellvertretenden Behördenleiter. Und stellte erneut konkrete Fragen. Der dortige Pressesprecher teilte mir per Email zehn Tage später mit, dass der Abschluss von einschlägigen Prüfungen noch ausstehe. Nach deren Abschluss werde man auf meine Anfrage zurückkommen und bitte bis dahin um Geduld. … … …
Gegenüber einer früheren Version des Artikels wurde die Aussage über den Zustand der Ausländerakte korrigiert.
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