Datenmigration als Chance zum Entrümpeln

„Zweimal umgezogen, ist wie einmal abgebrannt. Anders als Brände kann man Umzüge jedoch planen und budgetieren“, schrieb die Washington Post vor einigen Jahren. Dieses Motto stellen wir dieser Folge der beliebten Tipps und Tricks für den Verwaltungspraktiker voran. Sie beschäftigen sich mit der Planung und Budgetierung des Umzugs von polizeilichen Informationssystemen, bei den Fachleuten auch als ‚Migration‘ bekannt. Einige grundsätzliche taktische Überlegungen schließen diesen Beitrag ab.

Wie die Washington Post schon richtig schrieb: Planung und Budgetierung können ein Schlüssel zum Erfolg sein. Wenn Sie allerdings gar nicht ernsthaft vorhaben, etwas zu migrieren oder wenn auch die Budgetierung in Ihrem Fall nicht wirklich eine Rolle spielt: Schreiben Sie gerade so viel in die Vorlage für Ihre Vorgesetzten, dass diese in Ihrem Sinne entscheiden.

Halten Sie sich auch nicht lange mit der Analyse und Darstellung von Zielen auf. Es genügt, dass Sie selbst wissen, was Sie wollen: Ein altes System muss weg, ein neues eingeführt werden, dieses Ziel ist vorgegeben und mit weiteren Überlegungen sollten Sie sich nicht belasten.

Planung der Migration

Was gibt es schon zu planen, wenn doch klar ist, was Sie wollen!

Grübeln Sie also nicht lange, was ‚Software-Migration‘, ‚Anwendungs-Migration‘, ‚Stichtags-Migration‘ und ähnliche Begriffe bedeuten könnten. Die Autoren dieses ‚Migrationsleitfadens‘ aus dem Hause der IT-Beauftragten der Bundesregierung gehören wahrscheinlich auch zu denen, die sonst nichts zu tun haben. Denn IT-Praktiker wie Sie haben doch gar nicht die Zeit, solche Schwarten zu lesen.

Was für Sie zählt, ist die Entscheider und Fachlichkeit mit Ihrer Vorlage auf den richtigen Pfad zu weisen: Dazu stellen Sie am besten schon in Ihrer Vorlage fest, dass eine Datenmigration nicht zu realisieren ist. Geben Sie dafür eine Begründung, bei der sachliche Richtigkeit nicht im Vordergrund stehen muss: Erfahrungsgemäß liest das ohnehin keiner! Und sollten doch Rückfragen kommen, verweisen Sie auf die Erfahrungen Ihres guten Kumpels. Der hat auch schon mal ’ne neue Software als Nachfolger Ihres Altprogramms auf Ihrem Rechner installiert und versprochen, dass er Ihnen zur Hand geht, wenn Sie die vielen alten Dateien damit lesen wollen. Die anschließend notwendige Neu-Erfassung vieler Daten hat Sie dann erst so richtig gut vertraut gemacht mit dem neuen System …

Kosten der Migration

Ein paar Worte sollten Sie darüber verlieren, was das Ganze kostet. Damit etwas in den ‚Haushaltsansätzen‘ steht. Dass es – gerade im IT-Bereich – bemerkenswerte Unterschiede zwischen Soll und Ist gibt, steht – erstens – ohnehin schon in der Zeitung [1]. Und – zweitens – kommt auch ein Rechnungshof nicht umhin festzustellen, wie beispielsweise hier auf Seite 145 zu lesen [2], dass Überziehungen der Haushaltsansätze über Jahre hinweg die Regel sind. Das hat allerdings keine Folgen, wie zahlreiche Beispiele, auch aus anderen Bundesländern belegen. Also kein Grund zur Sorge für Sie!

Wie kommen Sie nun aber zu passenden Haushaltsansätzen?!
Denn Erfahrungen mit einer Migration haben Sie nicht. Lust jemanden zu fragen, der damit Erfahrungen hätte, haben Sie auch nicht. Dass es somit an jeglicher Erfahrung fehlt, überspielen Sie am besten, indem Sie Ihre Einlassungen mit dem Wort „Erfahrungsgemäß …“ einleiten. Das wird die Leserschaft beruhigen.
Umso mehr, wenn Sie sogleich eine harte Zahl folgen lassen: Erklären Sie mit Bestimmtheit, dass die Migration z.B. „60 Manntage“ kosten wird. Ein Aufwand in dieser Größenordnung signalisiert der Fachlichkeit, dass Sie tatsächlich vorhaben, die Migration in Angriff zu nehmen. Und beruhigt die Entscheider, da die Kosten offensichtlich in einem überschaubaren Bereich bleiben. Und das ist es ja, was Sie derzeit wollen: Zustimmung von beiden Seiten!

Weitere taktische Überlegungen zur Datenmigration

Das Eingangsmotto „Zweimal umgezogen ist, wie einmal abgebrannt“ weist auf weitere, bedenkenswerte Optionen hin, die ein oder mehrere Umzüge so mit sich bringen können:

  1. Erfahrungsgemäß (!) geht bei jedem Umzug und bei jeder Migration ‚was kaputt oder verloren. Eben!
    Welche großartige Chance eröffnet sich da im Hinblick auf die Erstellung mehrjähriger Zeitreihen, Fertigung von Lagebildern oder im Hinblick auf ungeliebte Altfälle. Und sollten demnächst Wahlen anstehen, erhält dieser Aspekt weiteres Gewicht!
  2. Ein oder mehrere Umzüge in Folge werden die bisher unbekannten Nutzer des Altsystems ans Tageslicht befördern. Das ist für Sie eine wunderbare Gelegenheit festzustellen, wer oder was sich im Altsystem tummelt. Denn damit wird’s bald Schluss sein. Und wer sich nicht aus der Deckung traut – nun der geht eben mit dem Altsystem unter und seine Daten gleich mit…
  3. Beziehen Sie auch die Grundsätze von Datensparsamkeit und Datenvermeidung in Ihre Überlegungen und Präsentationen mit ein. Das Bundesdatenschutzgesetz liefert dafür die ideale Begründung. Dort steht [3], dass „so wenig personenbezogene Daten wie möglich zu erheben, zu verarbeiten oder zu nutzen“ sind. Wunderbar! Der ganze überflüssige Datenberg aus vielen Jahren kann also bleiben, wo er ist. Ins neue System, werden nur die absolut erforderlichen Daten mitgenommen.
  4. Das hat den weiteren Vorteil, dass das neue System – Kinderkrankheiten kann man ja nicht ausschließen – nicht von Anfang an hoch belastet wird.

Und noch ein abschließender Tipp für Ihr Selbst-Marketing

Dass andere Behörden viel Zeit und Geld aufwenden für Studien und Untersuchungen hatten wir in unseren früher erschienenen ‚Tipps zur Erstellung ergebnisoptimierter Vorstudien‘ [a] im Punkt 3 bereits festgestellt.
Dass die IT-Beauftragte der Bundesregierung [4] ebenfalls viel Zeit und Geld aufwendet, um einen

  • ‚Migrationsleitfaden‘ [5]
  • oder die ‚Wirtschaftlichen Aspekte von Software-Migrationen‘ [6]

herauszugeben, spricht für die beneidenswerte finanzielle Ausstattung von Bundesbehörden.

In Ihrer Behörde gibt es für solchen Luxus allerdings weder Zeit noch Geld. Nutzen Sie die Leitfäden dennoch für Ihre Zwecke. Sie bieten nämlich eine gute Gelegenheit, sich von solch überzogenen, theoretischen Ansätzen abzugrenzen: Weisen Sie daher dezent an geeigneter Stelle darauf hin, wie pragmatisch und damit sehr viel einfacher, kostengünstiger und taktisch zielführender Sie mit dem Thema Migration bisher umgegangen sind.

Quellen

[1]   Blitzer finanzieren neuen Polizei-Computer, 06.06.2013, Märkische Oderzeitung
http://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1158997

[2]   Landesrechnungshof Brandenburg, Jahresbericht 2011, dort Seite 145f
http://www.lrh-brandenburg.de/media_fast/6096/JB2011.pdf

[3]   Bundesdatenschutzgesetz, Par. 3a, Datenvermeidung und Datensparsamkeit
http://www.gesetze-im-internet.de/bdsg_1990/__3a.html

[4]   Homepage der Beauftragten der Bundesregierung für
     Informationstechnik
http://www.cio.bund.de/Web/DE/Startseite/startseite_node.html

[5]   Migrationsleitfaden, Version 4 der Beauftragten der
     Bundesregierung für Informationstechnik
http://www.cio.bund.de/SharedDocs/Publikationen/DE/Architekturen-und-Standards/migrationsleitfaden_4_0_download.pdf

[6]   Wirtschaftliche Aspekte von Software-Migrationen, Begleitdokument
     zum Migrationsleitfaden, Version 4 der Beauftragten
     der Bundesregierung für Informationstechnik
http://www.cio.bund.de/SharedDocs/Publikationen/DE/Architekturen-und-Standards/migrationsleitfaden_4_0_wirtschaftliche_aspekte_download.pdf