Als erstes Ergebnis der Ermittlungen gegen Polizeibeamte in Nordrhein-Westfalen wegen Teilnahme an extremistischen Chatgruppen liegt dem Innenministerium inzwischen die Managementfassung des Berichts einer Sonderinspektion vor. Der Essener Polizeipräsident fasste dies offensichtlich als Angriff auf „seine“ Behörde auf. Und teilte dem IM mit, dass „ein Netzwerk von (Rechts-)Extremisten innerhalb der KPB Essen … nicht existiert.“ Das ist SEHR wörtlich zu verstehen …
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Im September 2020 wurde bekannt, dass mehrere Chatgruppen aufgeflogen sind, in denen (auch) Polizeibeamte extremistische, rassistische und fremdenfeindliche Inhalte gepostet haben sollen. Die anfänglichen Ermittlungen betrafen 30 Polizeibeamtinnen und -beamte [1], etwa die Hälfte von ihnen aus Dienststellen in Duisburg, Essen, Moers, Mülheim und Oberhausen. Ferner gehörten dazu ein Dienstgruppenleiter aus Mülheim, ein Beamter aus dem LKA und zwei aus dem Landesamt für Zentrale polizeiliche Dienste (LZPD). Alle damals betroffenen Beamten wurden vom Dienst suspendiert. [2]
Das nordrhein-westfälische Innenministerium beauftragte das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten (LAFP) mit einer Sonderinspektion in der Essener Behörde. Eine 30-seitige ‚Managementfassung‘ von dessen Bericht liegt dem IM nun seit dem 22.02.2021 vor, ebenso auch dem Essener Polizeipräsidenten. Der verwahrte sich in einem Schreiben an das Innenministerium, das schon am 18.02.2021 versandt worden war [in 3]:
Diese Verteidigung gegen einen vermeintlichen Angriff, der sich nur auf „seine“ Behörde bzw. seine Beamten richtet, macht deutlich, dass der Behördenleiter das eigentliche Problem noch überhaupt nicht erfasst hat. Denn Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Islamphobie, Sexismus, Homophobie (Zitate aus dem Sonderbericht) sind Varianten einer Menschenfeindlichkeit gegenüber ganzen Gruppen von Menschen – außerhalb der Polizei. Die vor den Einstellungen und darauf u.U. erwachsenden Übergriffen seiner Beamten zu schützen, wäre wesentlicher Teil seiner Aufgabe. Oder glaubt der Polizeipräsident tatsächlich, dass seine Beamten ihre Einstellungen an der Pforte abgeben, wenn sie zum Dienst erscheinen?! Mit seinem Brief macht er deutlich, dass er selbst Teil eines viel tiefer liegenden Problems ist.
Auch das Innenministerium sieht diese Reaktion offensichtlich kritisch und machte daher den entsprechenden Teil des Berichts der Sonderinspektion öffentlich [in 3]:
Es handelt sich bei den identifizierten Chatgruppen nicht um extremistische Chatgruppen, sondern um private Chatgruppen *), die durch deviantes Verhalten [a] missbräuchlich genutzt wurden, u.a. durch das Einstellen von rechtsextremistische *), fremdenfeindlichen, rassistischen und antisemitischen Inhalten.
„Das Handeln der Treiber und Unterstützer ging deutlich über das Posten rechtsextremistischer *), fremdenfeindlicher, rassistischer und antisemitischer Inhalte hinaus. Es erfasste alle Aspekte des Syndroms: Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Islamphobie, Sexismus, Homophobie etc. Die Treiber und Unterstützer traten auch strafrechtlich mit den verschiedenen Deliktsformen (Staatsschutzdelikte, Amtsdelikte, Körperverletzungsdelikte, Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Eigentumsdelikte etc.) in Erscheinung. Insofern ist von einer Multidevianz auszugehen. Dieses Cluster erreichte eine bemerkenswerte Größenordnung.“
[Textauszeichnungen / d. Verf.]Ein Zitat, das wieder einmal belegt, dass nicht alles logisch und frei von Widersprüchen sein muss, was in Behörden so formuliert wird.
Die rund 30-seitige Managementfassung des Sonderberichts wird im NRW-Innenministerium derzeit noch geprüft. Nach Abschluss der Prüfung plant der Innenminister eine Veröffentlichung dieser Managementfassung gegenüber den Abgeordneten des Landtags und der Öffentlichkeit.[/su_quote]
Fußnote
[a] deviant laut Duden ein von der Norm sozialen Verhaltens, vom Üblichen abweichendes Verhalten.Quellen
[1] Weitere Maßnahmen gegen Rechtsextremismus bei Polizei, Pressestelle des Innenministerium NRWhttps://www.im.nrw/weitere-massnahmen-gegen-rechtsextremismus-bei-polizei [2] Rechtsextreme Chatgruppen aufgeflogen, 17.09.2020, Tagesschau
https://www.tagesschau.de/regional/nordrheinwestfalen/nrw-rechtextreme-polizei-netzwerk-101.html [3] Sonderinspektion zu Chatgruppen: Rechtsextremismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, 23.02.2021, Pressestelle des Innenministerium NRW
https://www.im.nrw/sonderinspektion-zu-chatgruppen-rechtsextremismus-rassismus-fremdenfeindlichkeit-antisemitismus
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