Heiße Luft im Entschließungsantrag

Was Sie – auch ohne viel zu lesen – über den Entschließungsantrag wissen sollten, mit dem der mögliche nächste Bundeskanzler – Friedrich Merz – Stimmung macht gegen einen politischen Hauptgegner – die AfD und fünf Forderungen an „die Bundesregierung“ erhebt zur „unverzüglichen Umsetzung von Maßnahmen“, die schon bei einfachster Überprüfung deutlich machen, dass es sich um einen Sack voller heißer Luft handelt.

Zum Entschließungsantrag der CDU/CSU-Fraktion

Eine offizielle Fassung liegt (Stand: Sonntag, 26.1. nachmittags) nicht vor, insbesondere nicht auf der Webseite  des Bundestages oder der der CDU/CSU-Fraktion.

Ein Termin für die Beratung des Antrags ist bisher nicht veröffentlicht. Es bleiben dazu auch nur noch maximal fünf Sitzungstage vor der Bundestagswahl.

Der Antrag erhebt Forderungen zur „Umsetzung unverzüglicher Maßnahmen“ an die Bundesregierung. Die aktuelle Regierung wird davon nichts mehr umsetzen können. Merz, so heißt es, wolle sich mit den bisherigen Ampelfraktionen darüber abstimmen, nicht aber mit Linken, BSW und AfD. So demonstriert er seine wahren Prioritäten.

Zu den geforderten Maßnahmen

Der Antrag hat den Titel „Fünf Punkte für sichere Grenzen und das Ende der illegalen Migration“.

… sichere Grenzen

… darum geht es in den ersten zwei Punkten: Die CDU/CSU fordert die „dauerhafte Kontrolle der deutschen Staatsgrenzen zu allen Nachbarstaaten“ und „die „Zurückweisung ausnahmslos aller Versuche illegaler Einreise“. Das bedeutet praktisch ständige Grenzkontrollen an

  • rund 254 „offiziellen“ Grundübergangsstellen, nämlich
  • 52 Grenzübergangsstellen an Nord- und Ostsee
  • 95 an Flugplätzen und Flughäfen
  • 107 an Autobahnen, Bundesstraßen und Bahnhöfen
  • ungezählte nicht dauerhaft kontrollierte Übergangsmöglichkeiten

Und wenn (wer eigentlich??) „ausnahmlos alle Versuche illegaler Einreise zurückweisen soll, bedeutete dies die ständige Kontrolle von

  • zu Land 3.842 km Staatsgrenze zu neun Nachbarstaaten und
  • 2.389 km Küstenlinie an Nord- und Ostsee.

Weder existiert dafür auch nur annähernd die personelle Kapazität bei der für die Grenzkontrollen zuständigen Bundespolizei, noch die logistische Ausstattung. Von rechtlichen Problemen – Stichwort Schengen! – ganz zu schweigen.

… das „Ende der illegalen Migration

Es folgen drei Forderung, die eines gemeinsam haben: Nichts davon würde „die illegale Migration“ beenden: Bei genauem Lesen erweisen sie sich als „heiße Luft“, anwendbar nur für rund 20% der Betroffenen und vor hohen rechtlichen Hürden, die eine „BUndesregierung allein gar nicht durchsetzen kann.

Forderung 3: „Unmittelbare“ Inhaft-Nahme von Personen, die „vollziehbar ausreisepflichtig sind“

Ende 2023 waren rund 243.000 Personen ausreisepflichtig. Von denen hatten allerdings 194.000, das entspricht rund 80% einen „Duldungsstatus“. Eine Duldung bedeutet, dass die Person zwar ausreisepflichtig ist, die Abschiebung jedoch vorübergehend ausgesetzt wird, etwa aufgrund fehlender Ausweisdokumente oder aus gesundheitlichen Gründen. Für die Geduldeten ist die Abschiebung also „nicht vollziehbar“: Die Forderung betrifft somit „nur“ rund 49.000 Personen.

Hinzu kommt: Die Bundesrepublik Deutschland ist durch internationale und europäische Verpflichtungen wie die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), das EU-Recht (z. B. Rückführungsrichtlinie) und das Genfer Flüchtlingsabkommen gebunden. Diese Regelwerke setzen verbindliche Standards für den Schutz vor Abschiebungen, die Deutschland nicht einseitig ändern oder aufheben kann. Änderungen wären nur durch eine internationale oder europäische Neuverhandlung dieser Abkommen möglich, was nicht allein in der Kompetenz der Bundesregierung liegt.

Forderung 4: „Mehr Unterstützung des Bundes für die Länder beim Vollzug der Ausreisepflicht“, Schaffung von „Bundesausreisezentren“ und
„Befugnis für die Bundespolizei zur Ausstellung von Haftbefehlen für Abschiebehaft bzw. Ausreisegewahrsam

Zunächst zur Klarstellung:
Ausreisepflicht nach Ablehnung eines Asylantrages ist Folge eines Verwaltungsakts.
Ein gerichtlicher Haftbefehl dient der Sicherung eines Strafverfahrens, beispielsweise zur Verhinderung von Flucht, Verdunkelung oder Wiederholung von Straftaten. Er erfordert immer einen dringenden Tatverdacht und einen Haftgrund (wie Fluchtgefahr, § 112 StPO).

Um diese Teilforderung umzusetzen, müssten

Bundestag und Bundesrat jeweils Zweidrittel-Mehrheit einer Änderung des Grundgesetzes zustimmen; das dürfte schwer werden mit den Grünen …

  • Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 GG): Jede Form von Freiheitsentzug muss verhältnismäßig sein und auf einer klaren gesetzlichen Grundlage beruhen. Eine „unbefristete“ Inhaftierung von ausreisepflichtigen Personen wäre mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip unvereinbar.
  • Recht auf Asyl (Art. 16a GG): Selbst abgelehnte Asylbewerber haben Schutzrechte, die berücksichtigt werden müssen. Ein genereller „Ausreisearrest“ würde wahrscheinlich als unverhältnismäßige Sanktion angesehen.

das Aufenthaltsgesetz angepasst werden:

  • Es müsste eine neue Rechtsgrundlage geschaffen werden, die eine unbefristete Haft von „ausreisepflichtigen Straftätern oder Gefährdern“ ermöglicht. Dies würde sowohl Abschiebungshaft als auch den präventiven Gefährdergewahrsam ausweiten.

europarechtliche und internationale Verpflichtungen müssten dem angepasst werden:

  • EU-Rückführungsrichtlinie (2008/115/EG): Diese begrenzt die Dauer der Abschiebungshaft auf maximal 6 Monate, in Ausnahmefällen auf 18 Monate. Eine unbefristete Inhaftierung würde gegen diese Richtlinie verstoßen.
  • Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK): Artikel 5 schützt die persönliche Freiheit und lässt Freiheitsentzug nur in eng begrenzten Fällen zu. Eine unbefristete Haft ohne konkrete Straftat oder Gefahrenlage wäre ein Verstoß gegen die EMRK.

Forderung 5: Unbefristete Inhaftierung von ausreisepflichtige Straftäter und Gefährdern …

„Ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder“ sollen „zeitlich unbefristet“ arrestiert werden, „bis sie freiwillig in ihr Heimatland zurückkehren.“.

Auch diese Forderung ist mit den oben genannten Rechtslage nicht umsetzbar.

Zur taktischen Absicht bzw. Wirkung

Entgegen den Schlagworten im Titel hat der Antrag auf „sichere Grenzen“ oder die „illegale Migration“ absehbar keine Auswirkungen. Er sorgt im Vorbundestagswahl-Getöse lediglich für Diskussionen – und Ablenkung von wichtigen Fragen.

Er  könnte allerdings zu einer Vorwahl-Verpflichtung für künftige Koalitionspartner der CDU/CSU aus SPD, Bündnis90/Grünen bzw. FDP nach der Wahl sorgen, sollten die bei einer doch noch kommenden Abstimmung dem Antrag in der vorliegenden Form zustimmen.


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