Sollte es in Deutschland zu einem Anschlag kommen, womit nach Aussage von Innenpolitikern ja „jederzeit“ zu rechnen ist oder auch zu einer „Großschadenslage“, so sind die Polizeibehörden schlecht gerüstet. Jedenfalls, was die Informationsverarbeitung und den Informationsfluss angeht: Wer sammelt Informationen über Vermisste, Verletzte und Getötete? Wie gut sind die Informationssysteme der Polizeibehörden für diesen Fall gerüstet? Wie ist der Informationsaustausch geregelt mit den Rettungsdiensten und Personenauskunftsstellen. Das wollte ich, wieder einmal, vom Bundesministerium des Innern wissen: Eine Antwort auf diese Frage vor vier Jahren hatte erheblichen Verbesserungsbedarf aufgezeigt. Doch das Ergebnis ist auch heute noch sehr ernüchternd … | Lesedauer: Ca. 10 Minuten
Informationsfluss im Postkutschentempo
Vor vier Jahren hatte Police-IT eine solche Anfrage schon einmal beim Bundesministerium des Inneren gestellt. Schon damals besagte die Antwort, dass nach einem solchen Anschlag der Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Bundesländern und mit dem Bundeskriminalamt und der Bundespolizei nur im Postkutschentempo verläuft. Ob die Polizei andere Prioritäten setzt, wenn so ein Anschlag passiert ist?! Mehr so Richtung Strafverfolgung und Gefahrenabwehr?! Verletzte ein Fall sind für die Rettungsdienste, Tote – nun ja – keine Eile mehr haben und die Spurensicherung warten kann? Ich weiß es nicht, wunderte mich damals allerdings schon über die Gelassenheit, mit der man die Mankos in der technischen Ausstattung in Kauf nimmt.
Daher wollte ich, fast vier Jahre später, wissen, ob es inzwischen vielleicht den Informationsaustausch 4.0 gibt: Und stellte Anfang 2019 beim BMI die gleiche Anfrage wie vor vier Jahren.
Um es gleich vorweg zu sagen: Das sieht nicht gut aus! Jeder von uns sollte sich darauf einrichten, im Falle eines Anschlags oder großen Unglücks, möglichst autark zu sein hinsichtlich der Kommunikation mit seinen Lieben.
Um Ihnen vor Augen zu führen, auf welche Situation als Betroffener bzw. Angehöriger man sich da einstellen sollte, begleiten Sie mich doch bitte in ein erdachtes Szenario:
Das erdachte Szenario
Im größten Stadion in Hannover sollte heute Nachmittag die deutsche gegen die niederländische Fußball-Nationalmannschaft spielen. Kurz nach Spielbeginn waren Detonationen zu hören, anschließend kam es zu chaotischen Zuständen auf dem Spielfeld und im Stadion. Zu den Ursachen kann aktuell niemand etwas sagen, genauso wenig gibt es aktuell verlässliche Angaben über Verletzte, Tote oder den Sachschaden.
Augenzeugen, die im Stadion waren, berichten, dass in der Kurve der organisierten deutschen Fans eine gewaltige Pyroshow abgezogen worden sei. Die Polizei sei eingeschritten und das Spiel wurde angepfiffen. Wenige Minuten später seien aus der Südkurve in schneller Folge mehrere, sehr laute Detonationen zu hören gewesen. Und danach sei das große Chaos ausgebrochen …
Sportreporter, die im Stadion waren, berichteten, dass sie durch die Rauchschwaden nur sehr schemenhaft hätten erkennen können, dass es auf der anderen Seite des Spielfeldes viele Verletzte gegeben hat und vermutlich auch Tote. Sie versuchten natürlich, so schnell wie möglich rauszukommen aus dem Stadion. Im dabei entstehenden Gedränge seien viele Leute umgestoßen und niedergetrampelt worden seien. Es ist also zu befürchten, dass sich die Zahl der Verletzten auf jeden Fall noch weiter erhöhen wird und dass es möglicherweise auch dabei zu weiteren Toten kam.
Was tut sich in einem solchen Fall – im Idealfall – auf Seiten der Polizei?
Schon kurz nach dem Schadensereignis wird in der Polizei die BAO Lagefall Hannover ausgerufen. Das ist DIE Polizeiorganisation, die speziell für diesen Ereignisfall eingerichtet wird und die Federführung bei der polizeilichen Bearbeitung dieses Ereignisses übernimmt. Auch wenn sie kurze Zeit später personell und logistisch aufgestockt wird, u.U. durch Polizeibehörden anderer Länder und des Bundes, behält diese BAO die Führung des Einsatzes und der Ermittlungen.
Da ich hier keinen Krimi schreibe, will ich mal hintanstellen, was dann weiter geschieht bei der kriminalpolizeilichen Sachbearbeitung, Ermittlung, Auswertung und Aufklärung. Und den Scheinwerfer lieber darauf richten, was Betroffene und Angehörige am meisten interessiert: Wer weiß was über Verletzte und Getötete?
Die beteiligten polizeilichen Systeme und ihre Aufgaben:
Ein großes, Problem besteht darin, dass es für einen solchen Fall nicht DAS Informationssystem, mit dem sämtliche Polizei- und Sicherheitsbehörden und Rettungsdienste GEMEINSAM arbeiten können. Es gibt vielmehr eine Vielzahl von Systeminseln: Angefangen bei der Polizei in Niedersachsen, Für die ihr Vorgangsbearbeitungssystem NIVADIS die erste Wahl ist, um polizeilich relevante Informationen zu erfassen. Das steht allerdings nur den niedersächsischen Polizisten zur Verfügung. Kollegen aus Hamburg, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen, die kurze Zeit später zur Unterstützung vor Ort sind, haben in ihrem Land ihre eigenen Systeme. Gleiches gilt für das BKA; das mit seiner Abteilung Staatsschutz hier auch schon bald vor Ort sein wird. Auch die nutzen, je nachdem um welche Information es sich handelt, das Fallbearbeitungssystem b-case bzw. das BKA-Vorgangsbearbeitungssystem.
BAO Lagefall ST
Wenige Stunden später ist beim BKA eine eigene Datenbank hochgefahren (das System dazu ist quasi immer „stand-by“). Sie heißt BAO Lagefall ST. Ihre Aufgabe ist es, die Polizei – und zwar bundesweit! – bei der Erfassung von Hinweisen zu unterstützen und die Hinweise zentral zusammen zu führen, ganz egal, ob sie in der Polizei Bad Reichenhall oder in Flensburg erfasst worden sind.
Was Hinweise sind, fragen Sie? Grundsätzlich alles, was für den Fall, hier unseren gedachten Anschlag, aus polizeilicher Sicht relevant erscheint und von dritten Quellen mitgeteilt wird:
Beispiele für Hinweise
- Frau Adelsberger ruft bei der Polizei in München über die Notrufnummer 110 an und teilt mit, dass sich ihr Mann Herbert auf Montage in Hannover befunden hat und sehr darauf gefreut hat sich das Fußball-Länderspiel direkt im Stadion anzusehen. Sie kann ihn telefonisch jetzt nicht mehr erreichen und macht sich große Sorgen. Ganz ähnliche Anrufe gehen bei vielen Polizeidienststellen ein, von Aachen bis Zwickau.
- Ganz außer Atem ruft Sabine Schmidt bei der Polizei in Hannover an: Sie war mit ihrem Freund Oliver auf der gegenüberliegenden Seite im Stadion, als das Ganze passierte. Im Tumult, beim Versuch, das Stadion zu verlassen, hat sie Oliver aus dem Auge verloren. … Er ist ca. 1,80 groß, untersetzt und hat einen blau-rot-karierten Blouson an.
- Stefan Kleine meldet sich bei der Bahnpolizei in Hamburg. Er war heute Morgen im Intercity von München nach Hamburg unterwegs: Im Zug sind ihm drei junge Männer aufgefallen, die sich seiner Meinung nach „konspirativ“ verhalten haben und in Hannover ausgestiegen sind. Jeder von ihnen hatte einen Rucksack auf. …
- usw. usw.
Nach den Anschlägen in London vom 7.7.2005 sind innerhalb der ersten 24 Stunden 108.000 solcher Anrufe bei den zuständigen Polizeidienststellen aufgelaufen.
Informationsfluss im Idealfall
Man sieht an den Beispielen, dass solche Hinweise bei jeder Polizeidienststelle auflaufen können. Im Idealfall werden sie so rasch und präzise wie möglich vom entgegennehmenden Sachbearbeiter durch Fragen ergänzt und mittels Formular elektronisch erfasst.
Der relevante Inhalte solcher Hinweise kann vielfältig sein: Es können Mitteilungen sein über vermisste Personen, aber auch Mitteilungen von Zeugen über Beobachtungen, die für die kriminalpolizeiliche Ermittlung des Geschehens relevant sein können. Denn diese Aufgabe können natürlich nicht die Mitarbeiter der Polizei leisten, die die Hinweise am Telefon entgegennehmen. Ganz im Gegenteil: Die Polizeibehörden vieler Länder unterhalten dafür eigene Hinweisaufnahme-Zentren, die im akuten Bedarfsfall, wie diesem vermutlichen Anschlag, innerhalb kürzester Zeit technisch hochgefahren und personell bestückt werden können. Diese Zentren funktionieren ähnlich wie Callcenter. Die Sachbearbeiter am Telefon haben „nur“ die Aufgabe, die notwendigen Angaben von den Anrufern möglichst eindeutig zu verstehen und zu erfassen und die notwendigen Nachfragen zu stellen.
Die so aufgenommenen Hinweise werden umgehend intern weitergegeben an einen weiteren Abschnitt der Organisation, in dem die Hinweisbearbeitung und -bewertung erfolgt. Sie hat eine mehrfache Filterfunktion: Ein Teil der Hinweise wird Aktionen anderer Polizeidienststellen auslösen, die lokal für den Anrufer oder Betroffenen zuständig sind. Andere Hinweise können direkt an den Abschnitt Ermittlungen vor Ort weitergegeben werden. Und wieder andere Hinweise sind von überregionaler Bedeutung. Die werden dann an die an die Zentralstelle beim BKA weitergeben. Das gilt insbesondere für den Abgleich von Vermisstenanzeigen, wie z.B. der Frau Adelsberger aus München, mit Mitteilungen von Krankenhäusern und Rettungsdiensten, die ja solch vermisste Personen u.U. in der Zwischenzeit bergen und versorgen konnten.
Die tatsächliche Situation: Über viele Brücken muss sie gehen – die Information …
Doch wie sieht dazu aktuell die technische Lösung aus?! Zwischen dem BKA als Zentralstelle und den Polizeibehörden der Länder gähnt ein tiefer Graben: Genauer gesagt zwischen den landeseigenen Vorgangs- bzw. Fallbearbeitung-Systemen auf der einen Seite und dem System BAO Lagefall ST beim BKA auf der anderen Seite.
Denn die Hinweisaufnahme und-Bewertung in den Polizeibehörden erfolgt in deren jeweiligen Landessystemen und wird auch dort gespeichert. Da Bayern und Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg oder Nordrhein-Westfalen jeweils eigene Systeme betreiben, ist ein Informationsfluss, sagen wir direkt von Bayern nach Niedersachsen von vornherein ausgeschlossen. Daher hat man die zentrale Lösung mit der BAO Lagefall ST (und ihren Schwestersystemen – siehe unten) ja überhaupt eingeführt.
Richtig „doof“ ist allerdings, dass es auch zwischen den Landessystemen und dem BKA keine Brücke, d.h. Schnittstelle gibt. Das gilt heute jedenfalls für die meisten Landessysteme. Zwar existiert eine solche Schnittstelle „im Prinzip“: Sie heißt BLDS – Bund-Länder-Datei-Schnittstelle. Sie wurde jedoch so oft „weiterentwickelt“, muss für jede einzelne Zielanwendung beim BKA eigens angepasst und vom BKA abgenommen werden, dass die meisten Bundesländer auf diesen Aufwand (gerne) verzichten. Nicht zuletzt auch, weil es schlicht zu teuer wurde.
Beim BKA bzw. dem BMI sieht man dieses Problem ganz entspannt: Und argumentiert, dass doch MANUELL jedes Land jederzeit Informationen in der BAO Lagefall ST (und ihren Schwesteranwendungen) erfassen könne. Man muss dazu nur einen Polizisten an den entsprechenden Arbeitsplatzrechner stellen: Der ruft eine Browseranwendung auf, wird direkt mit der entsprechenden (INPOL-Fall-)Anwendung beim BKA verbunden. Und kann damit loslegen, DIE Informationen erneut einzutippen, die ohnehin schon längst im landeseigenen System erfasst sind. Das würde ich Polizei-IT 1.0 nennen!
An diesem vorsintflutlichen Zustand hat sich seit der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland nichts geändert. Ganz im Gegenteil: Damals kam man zwar reichlich spät, wenige Monate vor dem großen Ereignis auf die Idee, dass ein solches Informationssystem für Bund und Land Sinn machen würde. Also wurde eine erste Version dieser BLDS-Schnittstelle im Auftrag des BKA entwickelt und interessierten Ländern zur Entwicklung ihrer „Brücke“ zwischen dem Landeseigenen Informationssystem und BLDS und den BKA-Anwendungen zur Verfügung gestellt. Ich war, gemeinsam mit meinem Kollegen, einer der wenigen Betroffenen, die diese Anbindung eines Landessystems unter höchstem Zeitdruck in den paar verbleibenden Wochen vor dem ersten Anpfiff entwickeln und testen durften. Die Aufgabe war eigentlich noch umfassender: Denn wir bauten im Landesinformationssystem eigene Anwendungen, die den Informationsfluss von Hinweisen von der Hinweisaufnahme über die -Bewertung bis hin zur Weiterleitung an das BKA benutzerfreundlich abbildete. In den letzten Tagen war dann auch noch die Abnahmeprozedur durch das BKA für drei unterschiedliche (!) Zielanwendungen zu absolvieren (erfolgreich). Und dann rollte auch schon der erste Ball. Ich berichte dies deshalb so breit, um zu demonstrieren, dass es seit langem möglich ist, solche Anwendungen = Problemlösungen zur Verfügung zu stellen.
Doch offensichtlich nehmen die Entscheider in den Innenministerien von Bund und Ländern in Kauf, dass es bei einem Anschlag oder einer Schadenslage, wie zum Beispiel einem Zugunglück, zu dem absolut absehbaren Chaos kommen wird, sehen allerdings keinen Handlungsbedarf.
Die Geschichte an sich ist damit zu Ende erzählt. Sollten SIE daraus Handlungsbedarf erkennen, so machen Sie doch Ihren Bundestagsabgeordneten mal aufmerksam auf diesen Missstand: Denn zur Besorgnis um mehr Innere Sicherheit, die die Innenpolitiker stets proklamieren, gehört doch auch, Vorkehrungen zu treffen, wenn es denn doch mal zu einem Anschlag kommt.
Ich will Ihnen aber nicht vorenthalten, was es mit den oben erwähnten „Schwesteranwendungen“ zur BAO Lagefall ST auf sich hat:Großschadenslage
Mit diesem Sammelbegriff bezeichnet man in der Polizei alle Ereignisse mit großem Personen- und Sachschaden und zwar unabhängig von ihrer auslösenden Ursache. Ein terroristischer Anschlag ist also genauso eine Großschadenslage, wie ein Zugunglück, ein Flugzeugabsturz, der Austritt von radioaktiven Stoffen aus einem Atomkraftwerk oder ein entsprechender Unfall in einer Chemiefabrik, sofern damit entsprechender Personen- und Sachschaden verbunden ist.
Bei solchen Großschadenslagen werden – unter Umständen eine Vielzahl – von Menschen verletzt, oder kamen sofort ums Leben oder werden noch geborgen und in Krankenhäuser eingeliefert. Andere bringen sich zunächst selbst in Sicherheit, begeben sich dann aber doch in ein Krankenhaus, wieder andere werden als vermisst gemeldet von ihren Angehörigen: Ich denke sie können sich den gordischen Knoten an Informationen vorstellen, der hier in kürzester Zeit zusammenkommt. Einerseits müssen am Ereignisort bzw. im Zusammenhang mit verletzten und getöteten Personen möglichst genau und zeitnah Informationen darüber erfasst werden, um WEN es sich eigentlich handelt: Das kann schwierig werden, wenn der oder die betreffende tot oder nicht ansprechbar ist.
Es kann auch notwendig werden auf andere Informationen zur Personenidentifikation zurückzugreifen: Sei es zum Beispiel auf Ausweise oder Zahlungskarten, die in der Tasche gefunden wurden. Ja selbst die Sitz-Nummer des Sitzes, aus dem eine Person geborgen wurde, kann, nach Abstimmung mit dem Buchungssystem der Bahn-oder Fluggesellschaft die richtige Identifikation der Person liefern. Im Zusammenhang mit der Erfassung dieser Informationen kommt natürlich den Rettungsdiensten eine ganz besondere Verantwortung zu.
Warum ist die zentrale Zusammenführung der Informationen so wichtig?
Diese Beispiel machen aber auch deutlich, warum eine zentrale Zusammenführung relevanter Informationen so wichtig ist. Nehmen wir an, dass eine verletzte, nicht ansprechbare Person ins Krankenhaus gebracht wurde und dort noch im OP liegt. In der Jackentasche fand sich ein Ticket auf den Namen Herbert Adelsberger. Diese Information sollte zeitnah an die Zentrale, als das BKA übermittelt werden (mittels der Anwendung GSL = Großschadenslage). Aufgrund der Zusammenführung dort wird erkannt, dass es sich höchstwahrscheinlich um den Mann handelt, dessen Frau vor Stunden bei der Polizei in München eine Vermisstenanzeige aufgegeben hat. Und die Frau kann nun benachrichtigt werden … Das geschieht übrigens nicht vor Ort beim BKA, sondern durch eigene Einsatzabschnitte der BAO. Voraussetzung ist allerdings, DASS es solcherart zusammengeführte Daten in einem zentralen System / beim BKA überhaupt gibt!
Solche „direkten“ Treffer zwischen Vermisstenanzeige und gefundener Person sind natürlich nicht die Regel. Daher müssen alle Informationen, die den betroffenen Menschen zugeordnet werden können, insbesondere natürlich im Hinblick auf getötete Menschen, abgeglichen werden mit sogenannten Personen-Auskunftsstellen bzw. dem Melderegister. Durch entsprechende Massen-Abgleichsverfahren soll anschließend festgestellt werden, wo identifizierte verletzte und getötete Personen gemeldet sind und wer gegebenenfalls als Angehöriger im gleichen Haushalt zu verständigen ist.
Auch zu diesem Zweck existiert beim Bundeskriminalamt „im Prinzip“ eine zentrale Anwendung bestehend aus der (auf INPOL-Fall aufsetzenden) Datenbank Großschadenslage (GSL) und einer entsprechenden INPOL-Fall-Erfassungsanwendung. Nach einer Auskunft, die wir vor wenigen Wochen vom Bundesinnenministerium erhalten haben, wurde diese Anwendung bisher überhaupt noch nicht in der Praxis eingesetzt! [Bei der FUßball-WM 2006 gab es ja glücklicherweise keinen Ernstfall!] Auch das vorgesehene Massenabgleichsverfahren wurde bisher noch nicht in der Praxis getestet, zumindest insofern als von den Personen-Auskunftsstellen noch keine Daten angeliefert worden sind. Auch in diesem Fall gilt – leider: Man kann nur hoffen, dass der Großlagenschadensfall ausbleibt und allen Betroffenen das mit Sicherheit zu erwartende Chaos erspart bleibt!
Streugut (SG)
Diese Anwendung / Datenbank ist die dritte im Bunde: Mit oberster Priorität kümmert man sich nach einer Großschadenslage um die betroffenen Menschen. Wenn alle Verletzten versorgt und in Krankenhäuser gebracht sind, wenn alle Leichen und Leichenteile geborgen und abtransportiert sind, übernehmen die Kriminaltechniker und kümmern sich um das systematische Einsammeln der Sachen am Ereignisort. Vielleicht haben Sie im Fernsehen bereits gesehen dass der Ort dazu in recht engmaschige Planquadrate aufgeteilt wird, sodass man jederzeit bestimmen kann, an welcher Stelle eine bestimmte Sache gefunden worden ist. Akribisch werden dann von entsprechend ausgebildeten Kriminaltechnikern alle Gegenstände eingesammelt, die dort zu finden sind; mit besonderer Aufmerksamkeit natürlich solche, die eventuell noch einer Person zugeordnet werden können, wie Ausweisdokumente, Mobiltelefone, Zahlungskarten und andere einer Person zuordenbare Sachen.
Auch dazu wird beim Bundeskriminalamt ein System namens Streugut vorgehalten, bei dem es sich, wie bei den beiden vorgenannten Systemen um eine Datenbank auf der Plattform von INPOL-Fall handelt.
Das grundsätzliche Problem aber, das oben bereits dargestellt ist, wird dadurch nicht einfacher: Ganz im Gegenteil: Wo Schnittstellen für die Informationen an BAO Lagefall, GSL und SG nicht vorhanden sind, muss umso mehr MANUELL in der jeweiligen Datenbank erfasst werden.
Dafür gibt es übrigens, meinem Kenntnisstand nach, keine spezifische Anwendung, z.B. Erfassungsmasken oder ähnliches. Vielmehr muss sich der Erfasser für jede Person, jede Adresse, jede Sache usw., die er erfassen will, das passende Informationsobjekt aus einem grafischen Baum „klauben“. Dann sucht er sich aus einer Liste die notwendigen Attributtypen, also den Nachnamen und schreibt den „Adelsberger“, dann den Attributtyp „Vornamen“ und schreibt den „Herbert“ dahinter, dann den nächsten Objekttyp „Adresse“ und zimmert die Adresse vom Herbert Adelsberger in München zusammen usw. usw.
Und aus diesem Grund schrieb ich eingangs: Denken Sie doch mal drüber nach, welche Vereinbarungen Sie mit Ihren Lieben treffen könnten. Um sich möglichst autark zu machen, von einer solch vorsintflutlichen Informationsverarbeitung im Schadens- oder Katastrophenfall!
Fußnote
[a] Die Abkürzung „BAO“ steht für Besondere Aufbauorganisation
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