Der Zweitnutzen verhinderter Terroranschläge

Ein 17-jährigen Iraker soll sich 75gr Schwarzpulver besorgt haben, um einen noch nicht konkret geplanten Selbstmordanschlag zu verüben. Dank des Analysewerkzeugs Hessendata/Palantir konnte dieser Terroranschlag verhindert werden, sagt der hessische Innenminister. Der Chef der Firma Palantir, die dieses System für die Polizei Hessen BETREIBT, behauptet gar, dass er „ungefähr einmal pro Woche von einem verhinderten Terroranschlag in Europa“ erfährt. Das Dumme an solchen Nachrichten ist: Es gibt dafür keine objektiven Beweise. Und zu oft schon wurden vergleichbare ‚Erfolgsmeldungen‘ aus taktischen Gründen verwendet, wenn Vertreter des Sicherheitsapparats MEHR haben wollten: MEHR Befugnisse, MEHR Geld, MEHR Personal … | Lesedauer: Ca. 3 Minuten

HessenData: Terroranschlag mit 75gr Schwarzpulver durch 17-jährigen Iraker verhindert

Am 02.07.2018 teilte der hessische Innenminister Beuth der Öffentlichkeit mit: „Wir konnten dank des gezielten Einsatzes der Software [Hessendata / Palantir-Gotham] durch unsere Analysten bereits einen bevorstehenden Anschlag verhindern.“ [1]
Das wollten wir etwas genauer wissen. Über die Pressestelle des hessischen Innenministeriums gerieten wir an die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt. Und die teilte folgendes mit [2]:

Der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt hat die Anklage zugelassen, die Hauptverhandlung soll am 26.02.2019 beginnen [3]. Ob sich das Gericht von den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft überzeugen lässt, wird der Ausgang des Verfahrens zeigen.

Darüber hinaus macht dieser Fall aber deutlich, was ein vager Verdacht auf einen Anschlag bewirken kann, wenn dazu 75gr Schwarzpulver kommen in der Hand eines 17-jährigen, der noch dazu Iraker ist: Er reicht aus um für die Öffentlichkeit die Einführung eines Analysewerkzeugs zu begründen, das bestens geeignet ist, um flächendeckende Rasterfahndung, auch unter Einbeziehung von sozialen Medien über Geschädigte, Tatverdächtige und Beschuldigte aber auch jedes Familienmitglied, jede Begleit- oder auch nur entfernte Kontaktperson durchzuführen (Mehr dazu in [A]).

Palantir-Chef Karp erhält „wöchentlich Informationen über verhinderte Terroranschläge in Europa“

Dr. Alex Karp, der CEO von Palantir, war in den vergangenen Wochen auf Werbetour in Vorbereitung des geplanten Börsengangs der Firma in diesem Jahr. Die Arbeit seiner Firma für Sicherheitsbehörden hat er vehement verteidigt. In einem Interview, das Springer Vorstandschef Döpfner höchstpersönlich mit Karp führte [a], sagte Karp: „Ich erfahre von einer verhinderten Terrorattacke in Europa ungefähr ein Mal pro Woche“. Auch er „verwies darauf, dass die hessische Polizei nach eigenen Angaben mit Hilfe der Software des Unternehmens einen Terroranschlag vereitelt habe.“ [4] Verständlicherweise hat Springer-Chef Döpfner nicht nachgefragt, wer den CEO einer amerikanischen Firma mit besten Kundenkontakten in den US-Geheimdienst- und Sicherheitsapparat so dauerhaft und zuverlässig mit solchen, sonst ja hochgeheimen Informationen versorgt. Die Antwort auf diese Frage könnte im Zusammenhang damit stehen, dass Palantir in Hessen den Auftrag hat, das Analysewerkzeug Hessendata ZU BETREIBEN. Denn das legt nahe, dass Palantir-Mitarbeiter – und deren Chef – umfassenden Zugang zu Informationen des Systems haben, das die Firma als Betreiber verantwortet.

Nicht zum ersten Mal: Behauptete, erfolgreiche Terrorabwehr als Begründung für MEHR für die Sicherheitsbehörden

Bei beiden Nachrichten handelt es sich um Behauptungen, die Außenstehende nicht überprüfen können. Nicht jeder hat allerdings noch das Vertrauen, dass Politiker, wie der hessische Innenminister Beuth oder Geschäftsleute, wie Dr. Karp, objektiv „die Wahrheit“ sagen. Deren eigene Interessen sind in beiden Fällen mit Händen zu greifen und haben Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit.

Zumal ja solche Behauptungen, sprich angebliche Erfolgsgeschichten, schon seit langem in den Medien auftauchen. Legendär sind die Erfolgsstories von bzw. über den Bundesnachrichtendienst oder andere Bundessicherheitsbehörden, die über Jahre hinweg immer dann in die Presse kamen, wenn kurz darauf der Bundestag über die Haushaltsmittel der Behörde für das kommende Jahr zu entscheiden hatte. Wie dieser Modus Operandi der Sicherheitsbehörden bei der Begründung für MEHR (Befugnisse …, Geld …, Personal …) funktioniert, haben Helmut Lorscheid und Peter Kleinert an einem Beispiel schon 2008 detailliert dargestellt [5]. „Obskure Meldungen über terroristische Bedrohungen werden – wie vergangene Woche wieder einmal von BKA Und Innenministerium in die Welt gesetzt – in vielfältiger Weise von den üblichen Medien übernommen und dabei reichlich phantasielos ausgeschmückt. Nur selten werden solche Meldungen hinsichtlich Stichhaltigkeit und Beweislage hinterfragt. …“
Daran hat sich auch elf Jahre später im Prizip nichts geändert.

Fußnote

[a]   Dr. Alex Karp ist seit 2018 Mitglied im Aufsichtsrat von Springer SE,

Verwandte Beiträge

[A]   Alle bisher erschienenen Beiträge zu Palantir bzw. Hessendata in Das Palantir-Dossier

[B]   “Russische Hackerangriffe“ fördern die Finanzausstattung der Sicherheitsbehörden, 02.03.2018, POLICE-IT
https://police-it.net/russische-hackerangriffe-foerdern-die-finanzausstattung-der-sicherheitsbehoerden

Quellen

[1]   Pressemitteilung des hessischen Ministerium des Innern und für Sport vom 02.07.2018

[2]   Antwort der Pressestelle der Generalstaatsanwaltschaft an unsere Redaktion per Email vom 01.02.2019.

[3]   Pressemitteilung der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main vom 04.12.2018

[4]   Palantir-Chef Alexander Karp verteidigt Arbeit für Sicherheitsbehörden mit Terror-Prävention, 24.01.2019, Wirtschaftswoche
https://www.wiwo.de/unternehmen/it/datenanalyse-firma-palantir-chef-alexander-karp-verteidigt-arbeit-fuer-sicherheitsbehoerden-mit-terror-praevention/23899554.html

[5]   Medial geschürte Terrorhysterie, 13.02.2008, NRhZ-Online,
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=12079

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