Rola Security Solutions: Staatlich geschaffener Monopolist

Die Innenminister von Bund und Ländern jammern über „19 verschiedene Systeme für Datenerfassungen und 11 Systeme zur Datenbearbeitung“. Es waren die gleichen Innenminister, die über Jahre hinweg jeden Wettbewerb ausgeschaltet und den Alleinanbieter groß gemacht haben, der die IT-Systeme der Bundespolizeibehörden und von drei Viertel der Länderpolizeien geliefert hat. Der kann sich freuen: Zum dritten Mal in Folge verbleiben weit mehr als 430 von 1.000 Euro Umsatz als Gewinn beim Anbieter.

Die Innenminister: Klagen über eine selbst verursachte Misere

Datenbanken und Software für die Ermittlungsunterstützung und Fallbearbeitung sind die wichtigsten IT-Werkzeuge für die Polizeibehörden und Nachrichtendienste in Deutschland. Die Innenminister, allen voran der Bundesinnenminister, wiederholen unablässig, dass ein funktionierender Datenaustausch zwischen den Datenbanken der verschiedenen Behörden von ausschlaggebender Bedeutung für den Erfolg und die Innere Sicherheit ist.

Das wirft allerdings die Frage auf, was diese Innenminister bisher daran gehindert hat, Datenbanken und Software zu beschaffen, die diese Anforderung hätten erfüllen können. Denn die gleichen Innenminister sind seit Jahren die Entscheider für ihre jeweilige Polizeibehörde, wenn es um die Beschaffung der entsprechenden Systeme, Software und Dienstleistungen geht. Sie haben zugelassen und aktiv betrieben, dass sich für Datenbanken und Software für die polizeiliche Ermittlungsunterstützung und Fallbearbeitung ein Monopol entwickelt hat:

Ende der 90iger Jahre gab es noch mindestens zwei mittelständische Firmen in Deutschland, die entsprechende Produkte anbieten konnten und deren Produkte vergleichbar waren. Die eine dieser Firmen, von vielen als technologisch führend betrachtet, wurde in ihrer Entwicklung massiv behindert und letztlich aus dem Markt gedrängt. Die andere Firma, Rola Security Solutions GmbH, hatte im social Networking besondere Stärken: Bei Hausmessen von Rola traten die Präsidenten von Landeskriminalämtern ans Rednerpult, um ihren Untergebenen, die das Publikum stellten, Vorträge zu halten [1]. Die Bezahlung von hohen jährlichen Pauschalgebühren an den Bund Deutscher Kriminalbeamter für die so genannte ‚Sicherheitspartnerschaft‘ sorgte dafür, dass sich auch die BDK-Funktionäre für die Beschaffung von Rola-Produkten in ihrem jeweiligen Behörden stark machten [2].

Marketing und Vertriebsunterstützung dieser Art zeigte die gewünschte Wirkung: Die Rola Security Solutions GmbH, wurde über die Jahre hinweg vom Bundesministerium des Innern, sowie von 12 der 16 Bundesländer zum Alleinanbieter im Markt der Datenbanken und Software für Ermittlungsunterstützung und Fallbearbeitung gemacht.

Umso mehr erstaunt allerdings, dass das Ergebnis, also die aktuell eingesetzten IT-Systeme der Polizei- und Sicherheitsbehörden offensichtlich so gar nicht den Anforderungen der Innenminister entsprechen: Der IMK-Vorsitzende Klaus Bouillon beklagte auf der letzten Herbsttagung: „Wir haben 19 Erkennungsdaten …, wir haben 19 verschiedene Systeme für Datenerfassungen. Und wir haben 11 Systeme, wie man die Daten bearbeitet. Nach unterschiedlichen Parametern …“ [3]. Doch wer, wenn nicht die Innenminister mit ihrer Beschaffungspolitik hat diese Misere eigentlich möglich gemacht, obwohl Bund und drei Viertel der Bundesländer seit fast einem Jahrzehnt bei einem Anbieter einkaufen, den sie inzwischen zum Monopolisten gemacht haben?!

Wie der Gesetzgeber Wirtschaftlichkeit bei der Beschaffung durchsetzen wollte

Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sind die wesentlichen Grundsätze im Haushaltsrecht, das für alle deutschen Behörden gilt. Um Wirtschaftlichkeit bei der Beschaffung durch öffentliche Auftraggeber sicherzustellen, hat der Gesetzgeber schon Anfang 1958 das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) eingeführt. Freier und fairer Wettbewerb soll sicherstellen, dass die Nachfrager, also die öffentlichen Auftraggeber, das wirtschaftlichste Angebot erhalten. Um den freien Wettbewerb zu ermöglichen, gibt es u.a. – europaweit und in Deutschland – das Vergaberecht. Das schreibt allen öffentlichen Auftraggebern als Regelform für die Auftragsvergabe die öffentliche Ausschreibung vor. Das bedeutet praktisch: Geplante Auftragsvergaben sind öffentlich bekannt zu machen, mindestens aber sind mehrere in Frage kommende Anbieter zu einem Teilnahmewettbewerb aufzufordern. So veröffentlichte Aufträge sind nach fairen, transparenten Kriterien zu vergeben. Und auch die Auftragsvergabe (wer, an wen, welcher Auftrag, zu welchem Preis) ist wiederum öffentlich bekannt zu machen.

Wie deutsche Polizeibehörden bei der Beschaffung von IT-Werkzeugen mit dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit umgehen

Es hat gute Gründe, dass der Gesetzgeber durch Kartellrecht, Wettbewerbsrecht und Vergaberecht sicherstellen will, dass in jedem Marktsegment ein freier und fairer Wettbewerb gewährleistet ist. Dies geschieht nicht etwa, um Anbieter zu schützen, sondern um den öffentlichen Auftraggebern die Möglichkeit zu geben, sich unter mehreren Angeboten das wirtschaftlichste, d.h. beste und preiswerteste herauszusuchen. Das wirtschaftlichste Angebot vereint die besten Leistungsmerkmale mit dem besten Preis.

Doch Wirtschaftlichkeit spielt bei den Polizeibehörden und Innenministerien in Deutschland seit vielen Jahren keine Rolle mehr, wenn es um die Beschaffung von Datenbanken und Ermittlungswerkzeuge für Polizeibehörden geht: Auf Wettbewerb legen sie keinen Wert. Der Vergleich von Leistungsmerkmalen konkurrierender Produkte spielt für sie keine Rolle. Alternative Preise für Produkte anderer Anbieter wollen sie nicht wissen. Die Haushaltsgrundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sind ausgerechnet bei den Gesetzeshütern flächendeckend außer Kraft gesetzt.

Die prägende Rolle des Bundes bei der Monopolisierung des IT-Markts der Sicherheitsbehörden

Es war insbesondere der Bund, in Person des Bundesinnenministerium, des Beschaffungsamts des BMI und des Bundeskriminalamts, das der Monopolisierung den Weg bereitet hat:

  • Rola-Systeme wurden – entgegen dem Vergaberecht freihändig – beschafft, um das Bundeskriminalamt flächendeckend mit einem Fallbearbeitungssystem auszustatten. Dafür wurden seit 2005 4,700 Mio Euro gezahlt [4]
  • Kurz darauf folgte die flächendeckende Ausstattung der Bundespolizei, wiederum ohne Ausschreibung. 2011 zahlte der Bund dafür weitere 4,389 Mio Euro. [4]
  • Für Softwarepflege und Zusatzmodule beim BKA und der Bundespolizei flossen bis Ende 2014 weitere 4,076 Mio Euro an Rola [a].
  • Als IT-System für eine Gemeinsame Ermittlungsdatei im Staatsschutz (GED) – „Zwischenlösung“ wurde erneut – freihändig – ein Auftrag an Rola vergeben. Der belief sich auf 1,436 Mio Euro für die Beschaffung und 378.500 Euro für die Softwarepflege bis Ende 2015 [in a]. Diese GED-Zwischenlösung sollte zum Beispiel nach einem terroristischen Anschlag vom Bund und den Ländern gemeinsam mit Informationen bestückt werden. Obwohl der Mehrzahl der Bundesländer mit Rola-Systemen arbeiteten, gab es keine direkte Datenübertragung aus den Fallbearbeitungssystemen der Länder an die GED. Der Bund stellte den Ländern daher so genannte Terminal Server zur Verfügung. Die nach einem terroristischen Anschlag – erfahrungsgemäß in den Polizeibehörden eine Zeit von besonderer Ruhe und Kontemplation – – genutzt werden sollen, um die Informationen aus dem jeweiligen Land an diesen „Terminals“ noch einmal zu erfassen und damit an den Bund zu übertragen [5].
  • Auch noch das Bundesamt für Verfassungsschutz wurde mit Datenbank- und Ermittlungssoftware von Rola ausgestattet. Dort heißt das System NADIS-Neu, was dafür gezahlt wurde, ist geheim. Mit NADIS-Neu wurden dann auch noch die Landesämter für Verfassungsschutz ausgestattet.
  • Und auch der Bundesnachrichtendienst, so heißt es, setzt Systeme der Firma Rola ein. Auch diese Ausgaben gibt die Bundesregierung nicht bekannt [in a].
  • 2014 erreichte diese Shopping-Gala des Bundes bei der Firma Rola dann ihren vorläufigen Höhepunkt damit, dass das Zentralsystem für den neuen Bund-Länder-Verbund der Polizeibehörden, den Polizeilichen Information- und Analyseverbunds (PIAV), auch noch bei Rola eingekauft wurde. Und zum dritten Mal sind die Ausgaben öffentlich nicht bekannt [6].

Drei Viertel der Länder folgen dem „Geleitzug“ des Bundes

Dass sich der Bund so deutlich und an allen relevanten Gesetzen vorbei für diesen Anbieter aussprach, hatte bei den Ländern eine entsprechende Wirkung. Gerne wird in diesen Kreisen vom ‚Geleitzug‘-Charakter gesprochen. Der hatte zur Folge, dass sich seit 2003 12 der 16 Bundesländer ebenfalls für Rola entschieden.

Der Bund wirkte nicht nur mit der Entscheidung für Rola, sondern auch mit seinem Vorgehen bei der Beschaffung – im negativen Sinne – stilbildend: Denn wenn es der Bund nicht nötig hat und offensichtlich damit davonkommen kann, sich über Wettbewerbs- und Vergaberecht einfach hinweg zu setzen, konnte dies auch jedes kleine oder größere Bundesland. So kam es dann, dass die Beschaffung von Rola-Systemen in den Ländern ebenfalls weitgehend freihändig erfolgte.

Die geballte Macht von Bund und Ländern als Nachfrager sorgte dafür, dass kein anderer Anbieter mehr eine Chance hatte. Die Firma Polygon, einst aussichtsreicher Mitbewerber von Rola, hatte längst von Angeboten an deutsche Polizeibehörden Abstand genommen. Keiner anderen Firma gelang seitdem „neben Rola“ ein erfolgreicher Markteintritt. Bund und die Bundesländer, die sich in der Konferenz der Innenminister mindestens halbjährlich eng austauschen und Vereinbarungen treffen, stellen zusammen ein unüberwindliches Nachfragemonopol dar.

Der Bund erwirbt den Alleinanbieter

Durch die Beschaffungen des Bundes und der Bundesländer gelang es der Firma Rola, zum Alleinanbieter im Markt aufzusteigen.
Beim Bund beschloss man dann 2013 – da stand die Beschaffung für das PIAV-Zentralsystem beim BKA vor der Tür – die Ausschreibungsanforderungen für PIAV-Operativ Zentral so zu gestalten, dass nur ein Wunschanbieter Chancen auf den Zuschlag haben konnte: Hohe Punktzahlen brachte ein zweistelliger Millionenumsatz und mehr als 200 technische Software-Mitarbeiter. Als die Ausschreibung veröffentlicht wurde, konnte allerdings auch die Firma Rola diese Anforderungen nicht erfüllen [7]. Beim Bund beschloss man daher, den Alleinanbieter unter die Fittiche zu nehmen: Dazu wurde erst ein früherer Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz in der Firma Rola als neuer Geschäftsführer installiert. Kurz darauf kaufte die teilstaatliche T-Systems dem noch verbliebenen Gründungsgesellschafter/Geschäftsführer seine Firmenanteile ab. Mit T-Systems im Rücken waren die Kennzahlen dann offensichtlich gut genug, um Rola den Auftrag für das PIAV-Zentralsystem zu erteilen [8]. Die Monopolstellung war damit zementiert.

Der Bund beherrscht sowohl die Nachfrage als auch das Angebot

Damit war der Bund, vertreten durch das Bundesinnenministerium, nicht nur der größte Nachfrager geworden, sondern hatte auch den nötigen Einfluss auf den von ihm geschaffenen Alleinanbieter in diesem Marktsegment. Indirekt war der Bund damit Monopolist auf Nachfrageseite und auf Anbieterseite. Auch der technische Aspekt dieser Erwerbung darf nicht übersehen werden: Denn seitdem hat es der Bund in der Hand, wie effektiv und erfolgreich (?!) die Datenbanken und Ermittlungswerkzeuge für die Polizei- und Sicherheitsbehörden weiter entwickelt und ausgebaut werden. Dies gilt umso mehr, als der Bund schon seit der Beschaffung der Rola-Produkte für BKA und Bundespolizei Eigentümer der Rechte an den Rola-Produkten geworden sein soll.

Rola als monopolistischer Anbieter

Erst das Nachfragemonopol aus Bund und Bundesländern hat aus der mittelständischen Firma Rola Security Solutions GmbH einen Monopolisten gemacht. Seit der Übernahme von Rola durch die teilstaatliche T-Systems zeigen sich mehr als deutlich die drei wesentlichen Merkmale eines Anbietermonopols: Diese sind

  • hohe Gewinne des Anbieters
  • fehlende Vergleichsmöglichkeiten mit Produkten von Wettbewerbern
  • Barrieren für den Marktzutritt durch andere Anbieter

Kennzahlen aus dem zuletzt veröffentlichten Jahresabschluss von Rola

Die veröffentlichten Jahresabschlüsse der Rola Security Solutions belegen dies sehr deutlich: Zwischen 2007 und 2015 hat sich der Umsatz annähernd verdreifacht, von 7,8 auf 22,4 Mio Euro. [9a, 9b, 10]

Umsatzentwicklung der Rola Security Solutions GmbH 2007 – 2015

Rola Security Solutions GmbH
Gewinn (vor Steuern) bezogen auf den Umsatz
Der Gewinn ist seit der Übernahme durch T-Systems nahezu explodiert. In 2013, 2014 und 2015 weist Rola eine Umsatzrendite aus von zwischen 43% und 46%, das bedeutet: Von 1.000 Euro Umsatz verbleiben zwischen 430 und 460 Euro bei der Firma. Das ist seit Jahren bekannt; POLICE-IT hatte schon in den vergangenen Jahren darüber berichtet [9a, 9b]. Dennoch ist die Rendite im letzten veröffentlichten Jahr – 2015 – noch einmal angestiegen auf nunmehr 46% [10].

Rola Security Solutions GmbH
Umsatzrendite 2015 im Vergleich mit Unternehmen aus anderen Branchen
Die Umsatzrendite von Rola ist, auch im Vergleich mit verwandten Branchen, unterreicht: Traditionell wird in den Branchen „IuK“ = Information und Kommunikation, sowie mit Unternehmensdienstleistungen gut verdient. Der Branchenvergleich zeigt jedoch, dass Rola selbst diese Sehr-gut-Verdiener noch um Längen hinter sich lässt.

Kunden der Rola sind ‚Militärorganisationen‘, Polizeibehörden und Nachrichtendienste. Der Umsatz mit sonstigen Kunden spielt keine Rolle mehr.

Rola Security Solutions GmbH
Umsatzentwicklung in den Kundensegmenten 2014-2015

94% seines Umsatzes erzielt Rola aus Dienstleistungen, nur 4% entfallen auf den Verkauf von Software. Das Geschäftsmodell von Rola besteht also nicht darin, den Behörden Lizenzen an den Rola-Produkten zu verkaufen. Vielmehr erbringt Rola und zahlen die Kunden für die im Software-Geschäft üblichen Dienstleistungen: Das sind

  • Software-Pflege,
  • die Entwicklung von Software-Erweiterungen und „Anpassung von neuen Funktionen“,
  • die „Spezifikation der Lasten und Erstellung eines Pflichtenheftes für einen automatisierten Datenaustausches“
  • Erbringung von Migrationsleistungen
  • oder – gleich von mehreren Bundesländern – „Erweiterungen des PIAV-Land Moduls um zusätzliche Funktionalitäten“ (für PIAV-Stufe 2)

Wenn dieses Bezahlmodell fortgesetzt wird (jeder PIAV-Teilnehmer muss für jede der sieben PIAV-Ausbaustufen jeweils neu bezahlen), ist PIAV für Rola (und T-Systems) noch auf Jahre eine einträgliche Einnahmequelle.

Auswirkungen auf die Informationstechnik der Sicherheitsbehörden

Polizei und Politiker setzen entweder auf Vergesslichkeit oder auf vollkommenes Desinteresse bei Polizei-Angehörigen, der Medien und der Öffentlichkeit. Denn es ist ihnen überhaupt nicht peinlich, seit vielen Jahren die gleichen Forderungen zu wiederholen, wie die nach ‚Einmal-Erfassung und Einmal-Abfrage‘ oder die nach dem notwendigen verbesserten Datenaustausch zwischen polizeilichen Informationssystemen. Bei den entsprechenden Forderungen bleibt es dann allerdings auch:

Über Jahre hinweg wurde für die Beschaffung des Rola-Systems mit demselben Argument geworben: Wenn alle das gleiche System haben, wird es keine Probleme mit dem Datenaustausch geben. Dieses von niemandem vor der Beschaffung überprüfte Verständnis führte dazu, dass das Rola-System in 12 Bundesländern, sowie beim BKA und der Bundespolizei beschafft wurden. Danach stellte man fest, dass diese Annahme mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun hatte: Oder, wie es der stellvertretende BDK-Vorsitzende Küch in der Fernsehsendung FRONTAL21 am 20.03.2016 erklärte, „die bayerische Polizei ist nicht in der Lage, ihre Vorgänge so ohne weiteres mit Niedersachen oder Schleswig-Holstein auszutauschen“ [11]. Das war insofern aufschlussreich, als sowohl die bayerische Polizei als auch Niedersachsen und Schleswig-Holstein mit dem Rola-System arbeiten.

Ebenfalls im Frühjahr 2016 sollte nach fast achtjähriger Vorbereitungszeit, endlich eine erste, funktional sehr überschaubare Ausbaustufe des Polizeilichen Informations- und Analyseverbunds (PIAV) in Betrieb gehen. 12 der 16 Landesbehörden und die zwei Bundesbehörden setzten zu diesem Zweck auf Rola, ebenso kommt das PIAV-Zentralsystem beim BKA von dieser Firma. Erst mit fast einjähriger Verspätung, nämlich Anfang März 2017, fand sich dann eine offizielle Mitteilung auf der Webseite des Bundeskriminalamts, dass der Wirkbetrieb für diese erste Ausbaustufe des PIAV inzwischen begonnen hat.

Nach den Anschlägen von Paris und Brüssel hatte auch Bundesinnenminister De Maizière das Thema des Datenaustauschs zwischen unterschiedlichen Datentöpfen (so seine Formulierung) entdeckt. In der ihm unterstellten Behörde, beim BKA nämlich, ist die Situation ganz besonders desaströs: Denn nur ein Bruchteil der zig Datentöpfe, die für die unterschiedlichen Deliktsbereiche im kriminalpolizeilichen Meldedienst verwendet werden, ist in der Lage, mit den anderen „Töpfen“ Informationen auszutauschen [12].

Ähnlich desaströs sieht die Lage in den Ländern aus. Innerhalb ein- und desselben Bundesland gibt es meist keinen automatisierten Datenaustausch zwischen dem Vorgangsbearbeitungssystem (, in dem sämtliche polizeilich relevanten Informationen landen) und dem Fallbearbeitungssystem. Und zwischen den Bundesländern gibt es derzeit überhaupt keinen funktionierenden Datenaustausch zwischen den Fallbearbeitungssystemen.

In jedem weiteren Fall eines terroristischen Anschlags wird hinterher bekannt, dass die Sicherheitsbehörden sehr wohl alle Informationen hatten, die auf den späteren Täter hindeuteten. Dass sie jedoch nicht in der Lage waren, die Relevanz dieser Informationen zu erkennen bzw. rechtzeitig der zuständigen Behörde zur Verfügung zu stellen. So geschah es zuletzt im Fall des Attentäters vom Berliner Breitscheidplatz. In dieser Situation tritt dann der Bundesinnenminister schneidig vor seine Kollegen und bietet Ihnen ein ‚einheitliches Fallbearbeitungssystem‘ (eFBS) an.

Bei der Beschaffung dieses Systems wiederholt sich ganz offensichtlich die gesetzwidrige Praxis der vergangenen fünfzehn Jahre: An ein öffentliches Ausschreibungsverfahren – „die Regelform der Auftragsvergabe“ – ist nicht gedacht: Auf Anfrage der POLICE-IT-Redaktion im Herbst 2016 teilte das BMI mit, es handele sich bei dem „sogenannten eFBS um ein mandantenfähiges Fallbearbeitungssystem, welches sich derzeit noch in einer frühen Planungs- und Ausbaustufe befindet.“

Dabei belässt man es anscheinend auch: Denn auf dem Europäischen Polizeikongress vor wenigen Wochen wussten mehrere meiner Gesprächspartner zu berichten, dass das eFBS „nichts anderes ist als eine überarbeitete, neue Version des Rola-Systems“. Das sei etwas in die Jahre gekommen und bedürfe einer gewissen Modernisierung. Die werde nun vorgenommen, indem zunächst die Fallbearbeitungssysteme der Bundespolizei und des Bundeskriminalamts miteinander „harmonisiert“ würden. [b] Was dabei dann herauskomme, werde dann das zukünftige einheitliche Fallbearbeitungssystem.

Das bisherige Gewurstel geht also weiter, wie gehabt: Keine Projektdefinition, die diesen Namen verdient, keine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, keine Leistungs- und Erfolgskontrolle, freihändige Auftragsvergabe an einen Anbieter, der Spitzenpreise fordern kann aufgrund der Tatsache, dass Bund und Länder ihn freiwillig zum Monopolisten gemacht haben und nun jeden Preis zahlen müssen.

Fehlende Kontrollen

Nicht genug damit, dass die Innenminister sich im Bereich der IT-Systeme der Sicherheitsbehörden einen Bereich geschaffen haben, in dem sie Angebot und Nachfrage monpolistisch in der Hand haben. Es finden auch keinerlei Kontrollen durch die an sich vorgesehenen und legitimen Kontrollinstanzen statt:

  • Mitbewerber, die bei einer Vergabekammer gegen Vergaberechtsverstöße vorgehen könnten, gibt es nicht mehr.
  • Die Rechnungshöfe schauen weg – ganz besonders der Bundesrechnungshof. Wo, wie z.B. in Sachsen, einmal kritische Feststellungen gemacht wurden, bleibt es beim „Du-Du“ in einem Feststellungsbericht. Doch ernsthafte Konsequenzen oder spürbare Folgen für die Verantwortlichen sind und bleiben: Fehlanzeige!
  • Die Datenschutzbeauftragten müssen freundlich „Bitte-bitte“ sagen, wenn sie polizeiliche Informationssysteme prüfen wollen. Selbst Hand anlegen an diese Systeme dürfen sie nicht. Sie müssen glauben, was man ihnen erzählt. Wie polizeiliche Informationssysteme mit polizei- und datenschutzrechtlichen Bestimmungen umgehen, weiß außerhalb der Polizeibehörden ohnehin niemand. Genauso übrigens, wie niemand weiß, was diese Systeme tatsächlich leisten – oder auch nicht. Und mit welchen anderen Systemen sie kommunizieren – oder auch nicht.
  • Und Preisprüfungen, die dazu da sind, dass „marktwirtschaftliche Grundsätze auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens verstärkt durchgesetzt“ werden, wie es in der Preisprüfungsverordnung heißt, finden offensichtlich nicht statt.

Fußnoten

[a]   Auswertung mehrerer Antworten der Bundesregierung auf Kleine Anfragen, u.a. zu den Kosten für IT-Systeme der Bundespolizeibehörden, sowie eigene Presseanfragen beim BMI

[b]   Es sind wohl eher die Datenbankstrukturen und vor allem die Informationsmodelle zu harmonisieren. Das mag notwendig und sinnvoll sein, hat jedoch mit der Entwicklung eines einheitlichen Fallbearbeitungssystems, das gleichermaßen den funktionalen Anforderungen der Länder- und der Bundespolizeibehörden genügt, nicht viel zu tun hat. Außerdem stellt sich die Frage, wer, wann und zu welchen Kosten danach eigentlich die Informations- und Datenmodelle der IT-Systeme der Polizeibehörden der Länder harmonisiert.

Quellen

[1]   Gemauschel bei Polizeiprojekten?, 23.10.2010, Telepolist
https://www.heise.de/tp/features/Gemauschel-bei-Polizeiprojekten-3387283.html

[2]   BDK und DPolG – Polizei-Vertretung oder PR-Agenturen?, 17.052016, POLICE-IT

BDK und DPolG – Polizei-Vertretung oder PR-Agenturen?

[3]   Innenministerkonferenz beschließt „grundlegende Modernisierung des Informationsmanagements der deutschen Polizei“, 30.11.2016, POLICE-IT
https://police-it.net/imk_herbsttagung-beschliesst-modernisierung-der-polizeilichen-it

[4]   Computergestützte Kriminaltechnik bei Polizeibehörden, Antwort der BUndesregierung vom 02.12.2012 auf eine Kleine Anfrage, DBT-Drs. 17/8544(neu)
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/085/1708544.pdf

[5]   Bewährungsprobe für die GED, die Gemeinsame Ermittlungsdatei im Staatsschutz, 16.11.2015, POLICE-IT
https://police-it.net/bewaehrungsprobe-fuer-die-ged

[6]   Was kostet der PIAV?
https://police-it.net/themenseiten_piav_uebersicht/was-kostet-der-piav

[7]   PIAV: Der ideale Kandidat ist noch nicht geboren, 12.01.2014, POLICE-IT
https://police-it.net/piav-der-ideale-kandidat-ist-noch-nicht-geboren

[8]   PIAV: WIe der ideale Kandidat gemacht wurde, 12.05.2014, POLICE-IT
https://police-it.net/piav-wie-der-ideale-kandidat-gemacht-wurde

[9a]   zum Jahresabschluss 2013: Umsatz-/Gewinn-Verhältnis von Rola übertrifft selbst Apple, 04.02.2015, POLICE-IT
https://police-it.net/umsatz-gewinn-verhaeltnis-von-rola-uebertrifft-selbst-apple

[9b]   zum Jahresabschluss 2014: PIAV als Goldgrube, 29.01.2016, POLICE-IT
https://police-it.net/piav-als-goldgrube

[10]   Jahresabschluss 2015 ist öffentlich verfügbar unter unternehmensregister.de

[11]   Stv. BDK-Vorsitzender: Informationsaustausch funktioniert nicht!, 03.04.2016, POLICE-IT
https://police-it.net/stv-bdk-vorsitzender-informationsaustausch-funktioniert-nicht

[121]   Datenbanken-Wildwuchs beim BKA, 15.02.2017, POLICE-IT
https://police-it.net/datenbanken-wildwuchs-beim-bka

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