Merkwürdigkeiten bei der Beschaffung von IT-Systemen beschränken sich nicht nur auf Hamburg, von wo wir erst vor kurzem berichtet hatten. Auch in Bayern gibt es aktuell einen seltsamen Fall: Der hat zu tun mit Easy, dem Fallbearbeitungssystem der Polizei Bayern, das vom bayerischen LKA gemeinsam mit der Firma Rola Security Solutions entwickelt wurde oder von der Firma Rola für die Polizei in Bayern. Schon darüber gehen die Aussagen auseinander.
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Aufträge für Easy aus Bayern an die Firma Rola
Die Zusammenarbeit zwischen Rola und der bayerischen Polizei reicht zurück bis ins Jahr 2001 [1]. „Die bayerische Polizei ist“, so die Eigenbeschreibung [2], „mit 41.400 Beschäftigten einer der größten Polizeiverbände in der Bundesrepublik.“ Entsprechend umfangreich ausgebaut ist auch Easy, das flächendeckend eingesetzte Fallbearbeitungssystem der bayerischen Polizei. Aufträge für Beschaffung, Ausbau und Pflege dieses Systems müssten daher vorwiegend in einer Größenordnung von über 207.000 Euro liegen. Das ist der Schwellenwert, ab dem die beabsichtigte Vergabe solcher Aufträge meist und die erfolgte Vergabe immer im Amtsblatt der EU zu veröffentlichen sind. Mit dieser Überlegung begann unsere Recherche …
Im [Supplement zum] Amtsblatt der EU werden solche Bekanntmachungen veröffentlicht und in der Datenbank TED [3] sind sie ein/zwei Tage nach Bekanntmachung für jedermann suchbar. Wir fanden aus dem Zeitraum der letzten vier Jahre auch acht einschlägige Bekanntmachungen. Und zwar jeweils die Bekanntmachung der Vergabe von Aufträgen vom BayLKA im Zusammenhang mit RSCase bzw. Easy an eine Firma Rola … Die letzten stammten aus dem Jahr 2014 und betrafen
- einen Wartungsvertrag mit der Firma Rola … für die Anwendungen ‚EASy‘ und zwei Zusatzmoduln vom 03.09.2014, ohne Angabe des Auftragswertes [4]
- die “EASy Modul-Beschaffung für die Bayerische Polizei“ bei der Firma Rola … ohne Angabe des Auftragswertes, veröffentlicht am 27.11.2014, [5]
- und einen Tag später die ‚Anpassung von EASy‘, ebenfalls ohne Angabe des Auftragswertes [6]
- Und am 20.11.2015 taucht noch eine Bekanntmachung auf über die Vergabe des Lieferauftrags für den „SpASS-Modul ‚Lieferstufe 14‘ für die Bayerische Polizei.
Aufträge des Bayerischen LKA für den PIAV?!
Was wir allerdings nicht fanden, waren irgendwelche Aufträge des BayLKA in Sachen PIAV. PIAV, der polizeiliche Informations- und Analyseverbund, soll ja am 1. Mai 2016 den Wirkbetrieb aufnehmen. „Ab Mai 2016 sollen Waffen- und Sprengstoffdelikte direkt über die Teilnehmersysteme [aller Länder- und Bundespolizeibehörden / d. Verf.] im PIAV bereitgestellt werden,“ hatte uns eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums noch am 17.12. bestätigt [7]. Auch Easy, so leistungsfähig es auch sein mag, kann nicht per se alle Funktionen umfassen, die notwendig sind, um aus dem bayerischen Fallbearbeitungssystem heraus via PIAV Daten und Nachrichten mit dem BKA und anderen PIAV-Teilnehmern auszutauschen. Es hätte sich also zumindest eine Vergabebekanntmachung finden lassen müssen über die Erweiterung von Easy für PIAV. Wir fanden jedoch keine. Und haben daher am 10.12. beim Bayerischen LKA nachgefragt, wann und wo eine solche Auftragsvergabe veröffentlicht wurde.
Auch nachdem wir unsere Anfrage am 14.12. per Fax wiederholt hatten, geschah jedoch – scheinbar – gar nichts. Jedenfalls erhielten wir keine direkte Antwort. Am gleichen Tag jedoch reichte das BayLKA zwei Vergabebekanntmachung beim Amtsblatt der EU ein:
- Mit der einen wurde die Beschaffung eines „PIAV-Modul als Erweiterung von Easy“ bekanntgemacht mit einem Auftragswert von 320.000 Euro. [8]
- Und mit der anderen wurden 216 Bearbeitungstage Unterstützungsleistung für die Spezifikation der Lasten und Erstellung eines Pflichtenheftes für einen automatisierten Datenaustausch“ … zwischen dem Vorgangsbearbeitungssystem IGVP-FE, dem Fallbearbeitungssystem Easy, dessen PIAV-Land-Modul, sowie Schnittstellen zwischen diesen Systemen beschafft mit einem Auftragswert von 250.560 Euro [9]
Beim erstgenannten Auftrag, dem über die Beschaffung des PIAV-Moduls für Easy, muss allerdings ein Fehler passiert sein. Denn als Tag der Entscheidung wurde in der Veröffentlichung der 5.11.2013 angegeben. Das wären nicht 48, wie gesetzlich vorgeschrieben, sondern 770 Tage zwischen Vergabeentscheidung und Veröffentlichung.
Wahrscheinlich ein Schreibfehler, dachten wir uns, und fragten genau nach, wann denn für den PIAV-Modul die Zuschlagsentscheidung getroffen wurde. Eine Antwort haben wir zwar erhalten, sie hatte allerdings nichts mit unserer Frage zu tun und war insofern wertlos. Also haben wir am 18.12. noch einmal nachgehakt. Auf die Antwort warten wir – noch immer.
Bleibt also als erstes Zwischenergebnis: Hier hat allem Anschein nach unsere Presseanfrage vom 10.12. und Nachfrage vom 14.12. dafür gesorgt, dass man sich im BayLKA an die gesetzliche Pflicht zur Veröffentlichung vergebener Großaufträge erinnert hat und das ganz schnell – am 14.12. – nachgeholt hat.
Sind drei verschiedene Schreibweisen für ein- und denselben Firmennamen noch Zufall?!
Die Vermutung mit dem Schreibfehler ist allerdings gar nicht so abwegig. Angeregt durch die 770 Tage zwischen Entscheidung und Bekanntmachung im Fall des ‚PIAV-Moduls‘, haben wir uns die Vergabeveröffentlichungen des BayLKA an die Firma Rola insgesamt mal etwas näher angesehen. In den acht einschlägigen Bekanntmachungen aus dem Zeitraum 2011 bis 2015 tauchen drei verschiedene Schreibweisen auf für die Firma, die richtig Rola Security Solutions heißt: In den drei Bekanntmachungen, in denen es um die Beschaffung von Easy und dessen Anpassung geht heißt die Firma „rola Securuty Solution““. In der Bekanntmachung über die Beschaffung des „PIAV-Moduls heißt sie dann „rola Securtiy Solutions“.
Zufall? Absicht?! Oder fortgesetzte Schlamperei bei Auftragsvolumen im sechs- bis siebenstelligen Bereich?! Im Ergebnis sorgt es dafür, dass trotz gezielter Suche in der Vergabedatenbank TED nach Aufträgen an die Firma rola Security Solutions GmbH nichts gefunden werden kann. Wir haben bei BayLKA auch danach gefragt. Auf die Antwort allerdings warten wir bis heute – vergeblich.
Quellen zu diesem Beitrag
[1] Easy – die zukunftsweise Ermittlungssoftware, Gerald Eder, EKHK im Bayerischen LKA in ‚Kriminalpolizei‘ 4/05 ab Seite 133http://www.die-kriminalpolizei.de/downloads/kripodez2005.pdf
Vorsicht: Download umfasst insgesamt 37 Seiten, Artikel ist zu finden ab Seite 26 [2] Polizei Bayern – Wir über uns, abgerufen am 22.12.2015
https://www.polizei.bayern.de/lka/wir/index.html [3] Datenbank TED: ted.europa.eu [4] Wartungsvertrag mit der Firma rola für die Anwendungen „EASy“, „DV-gestützte Spuren- und Asservatenverwaltung (SpAss)“ und „rsExTract®“, 2014/S 170-301590, 05.09.2014
http://ted.europa.eu/udl?uri=TED:NOTICE:301590-2014:TEXT:DE:HTML&src=0 [5] EASy Modul-Beschaffung für die Bayerische Polizei, 2014/S 229-404084, 27.11.2014
http://ted.europa.eu/udl?uri=TED:NOTICE:404084-2014:TEXT:DE:HTML&src=0 [6] Anpassung von EASy, 2014/S 230-405882, 28.11.2014
http://ted.europa.eu/udl?uri=TED:NOTICE:405882-2014:TEXT:DE:HTML&src=0 [7] Schon wieder Verzögerungen beim PIAV: Jetzt klemmt es bei den Teilnehmersystemen, 14.12.2015, Police-IT
https://police-it.net/pit/itsysteme_projekte/piav/schon-wieder-verzoegerung-beim-piav-jetzt-klemmt-es-bei-den-teilnehmersystemen-10430 [8] 216 Bearbeitungstage Unterstützungsleistung für die Spezifikation der Lasten u. Erstellung eines Pflichtenheftes für einen automatisierten Datenaustausches, 2015/S 244-443994
http://ted.europa.eu/udl?uri=TED:NOTICE:443994-2015:TEXT:DE:HTML&src=0 [9] Beschaffung von Software: PIAV-Modul als Erweiterung von EASy, 17.12.2015, 2015/S 244-443994
http://ted.europa.eu/udl?uri=TED:NOTICE:443394-2015:TEXT:DE:HTML&src=0