Was ein Pressesprecher des Ministeriums von der Fachabteilung in Erfahrunge bringen konnte, war nicht allzu viel: Denn offensichtlich befinden sich Bund und Länder noch mitten in den Verhandlungen: Was zu der Annahme verleitet, dass der Minister mit seiner Hoffnung von einer Realisierung von Polizei 2020 innerhalb der nächsten zwei Jahre ziemlich optimistisch war, wie ja auch schon der Eindruck auf dem diesjährigen Europäischen Polizeikongress annehmen ließ [1]. | Lesedauer: Ca. 5 Minuten
Siehe auch: Polizei 2020 – die Zukunft der deutschen Polizei entwickelt sich – allmählich
Was bisher bekannt ist über den Polizei-IT-Fonds
Angekündigt ist der Polizei-IT-Fonds schon seit Herbst 2016. Im März 2018 haben die Regierungsfraktionen im gemeinsamen Koalitionsvertrag beschlossen, das BKA als „zentrales Datenhaus“ im polizeilichen Informationsverbund zu etablieren und einen gemeinsamen Investitionsfonds für die IT der deutschen Polizei zu schaffen. Die Mittel dafür sollen gemeinsam vom Bund und den Ländern aufgebracht werden und zwar nach dem sogenannten modifizierten Königsberger Schlüssel. Der kommt zur Anwendung, wenn der Bund bei gemeinsamen Finanzierungsmaßnahmen auch einen Teil der Kosten übernimmt. Der Bund trägt dann den gleichen Anteil, wie das Land mit dem höchsten Anteil. Über die Höhe der eingeplanten Mittel gibt es noch keine offiziellen Angaben; die Innenministerkonferenz werden die Fragen des Volumens und des Finanzierungszeitraums „im Laufe des Jahres“ „abschließend behandeln“, schreibt uns der Sprecher des BMI.
Auf dem diesjährigen Polizeikongress wurde von Teilnehmern schon ganz frohgemut von einem Volumen von 500 Millionen Euro gesprochen. Diese Zahl wurde in der folgenden Grafik als rein theoretische Bezugsgröße verwendet, letztlich gibt die Grafik vor allem ein Bild von der relativen Aufteilung:
Mittel im BMI-Haushalt 2019 für Polizei 2020
Im Haushaltsplan für 2019 des BMI fand sich übrigens noch dieser Hinweis, der die Größenordnung besser einschätzen lässt. Dort heißt es: „Für das Projekt „Polizei 2020″ sind zudem im Jahr 2019 über 80 Millionen € vorgesehen, um die digitalen Informations- und Fahndungssysteme unserer Polizei zukunftsfähig und leistungsstärker zu machen.“[2]
In Bezug gesetzt zu anderen IT-Ausgaben
Mal angenommen, dass 500 bis eine Milliarde Euro eine realistische Größenordnung sind und ferner angenommen, dass sich die Investionen auf einen Zeitraum von (mindestens) drei bis vier Jahre verteilen, dann lassen sich damit keine sonderlich ambitionierten Sprünge machen:
- Verglichen zum Beispiel mit den rund 200 Millionen Euro, die das BMI in den nächsten vier Jahren allein für die Beratung und im PROJEKTMANAGEMENT ausgeben wird.
- Oder verglichen mit den 62 Millionen Euro, die der PIAV schon 2013, also lange vor der Inbetriebnahme der ersten Ausbaustufe gekostet hat, wie die Bundesregierung im Bundestag 2013 erklärte.
Begünstigte
„Vom Fonds können sowohl der Bund mit seinen Polizeien des Bundes (Bundeskriminalamt, Bundespolizei, ermittlungsführende Dienststellen der Zollverwaltung, Polizei beim Deutschen Bundestag) als auch die Polizeien der Länder partizipieren“, schreibt der Sprecher des BMI weiter. Wie allerdings die Beantragung und Ausreichung entsprechender Mittel aus dem Fonds geschehen soll, das steht auch noch nicht fest.
Zumal doch, nebenbei gesagt, das BKA als nationale Kopfstelle für den Fonds für Innere Sicherheit (ISF), als auch die daraus geförderten Länder umfangreiche Erfahrungen sammeln konnten und das gesamte Vertrags- und Regelwerk aus diesem Fonds bereits vorliegt.
Art.91c Grundgesetz verpflichtet zur Einhaltung von Interoperabilitätsstandards
Die jetzt beabsichtigte Art der Zusammenarbeit und gemeinsame Finanzierung zwischen Bund und Ländern ist möglich aufgrund des Art. 91c, der 2009 im Zuge der Föderalismusreform neu ins Grundgesetz aufgenommen wurde. In der aktuellen Fassung lautet er:
(2) Bund und Länder können auf Grund von Vereinbarungen die für die Kommunikation zwischen ihren informationstechnischen Systemen notwendigen Standards und Sicherheitsanforderungen festlegen.“
Einzelheiten regeln Staatsverträge zwischen dem Bund und den Länder
So sinnvoll der Absatz 1 unstreitig ist: Was da in Absatz 2 so unscheinbar daherkommt, hat es in sich. Schreibt Marco Junk, Volljurist, Geschäftsführer des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. und Geschäftsführer des Deutschen Vergabenetzwerks, der hinter dem Vergabeblog steht:
Und diese Forderung findet sich ja auch schon im ‚Startschuss‘ zum Programm Polizei 2020 wieder, der Saarbrücker Agenda der Innenministerkonferenz vom Herbst 2016, wo es heißt: „… Die polizeilichen Informationen werden nach bundeseinheitlichen Kriterien und in hoher Qualität erhoben sowie qualitätsgesichert für alle polizeilichen Zwecke bereitgestellt und genutzt. …“
Zentral vs. föderal: Die Daumenschrauben werden angezogen
Berücksichtigt man allerdings die Existenz von Art. 91c Grundgesetz, so ist Polizei 2020 nicht nur ein KooperationsVORSCHLAG für alle bisherigen INPOL-Teilnehmer. Sondern wird nach Abschluss der entsprechenden Staatsverträge auch ein Werkzeug sein, um die bisherigen INPOL-Teilnehmer darauf zu verpflichten, die entsprechenden Interoperabilitätsstandards (, die bei INPOL noch INPOL-Konventionen heißen,) im vereinbarten Zeitrahmen und im verinbarten funktionalen Umfang definitiv einzuhalten. Ob dies der Grund ist, dass sich die Verhandlungen darüber so lange ziehen und der BMI-Sprecher noch nicht einmal sagen kann oder will, ob zur Frühjahrstagung im Juni oder zur Herbsttagung der Innenministerkonferenz im Dezember 2019 mit einem entsprechenden Ergebnis zu rechnen ist?
Man kann schon heute gespannt darauf sein, was dieser neue – nachvollziehbare – Ansatz der Verpflichtung auf einen gemeinsamen Standard und eventuelle Disziplinierungsmaßnahmen effektiv bringen werden. Und ob der Polizei-IT-Fonds und der zu erwartende vertragliche Zwang ausreichen werden, um auch die Länder zur Realisierung des Teilens von Informationen nach den gemeinsam verabschiedeten Standards zu bringen.
[Ich bin sicher, dass dieses Thema ein „Dauerbrenner“ werden wird in den nächsten Jahren …]
Quellen
[1] Polizei 2020 – die Zukunft der deutschen Polizei entwickelt sich – allmählich
Informationen aus erster Hand vom Europäischen Polizeikongress 2019
https://police-it.net/polizei-2020-die-zukunft-der-deutschen-polizei-entwickelt-sich_allmaehlich
[2] Deutliche Aufwüchse im Haushalt des BMI für 2019, 09.11.2018, Bundesministerium des Innern
https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2018/11/haushalt-2019.html
[3] Neuer Art. 91c GG: Die IT-Nutzung bekommt eine verfassungsrechtliche Grundlage – mit wesentlichen Folgen für die Beschaffung, 24.05.2009, Vergabeblog
https://www.vergabeblog.de/2009-05-24/neuer-art-91-c-gg-die-it-nutzung-bekommt-eine-verfassungsrechtliche-grundlage-mit-wesentlichen-folgen-fr-die-beschaffung/
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