Öffentlichkeitsarbeit der Polizei dringend verbesserungsbedürftig

Dresdner Revierleiter bezeichnet Willkommensfest für Asylbewerber als „Provokation“ für Asylgegner

Die Polizei in Dresden steht an der Grenze ihrer nervlichen und physischen Belastung. Pegida-Aufmärsche, Einsätze in Ersatzaufnahmeeinrichtungen und die zunehmende Zahl von Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber überstrapazieren die Leistungsmöglichkeiten und -fähigkeiten. Der Leiter des Polizeireviers Dresden-Süd sprach in einem Interview [1] vermutlich nur aus, was viele seiner Kollegen denken: Als Provokation für Asylgegner bezeichnete er ein Willkommensfest am 9. Oktober von Flüchtlingsinitiativen, die auf diese Weise mit der Gegenseite ins Gespräch kommen wollten. Die Polizei habe von der Veranstaltung abgeraten, zumal auch Dynamo-Fans an diesem Tag unterwegs gewesen seien. Ausschreitungen seien vorhersehbar gewesen und zu denen kam es dann auch durch betrunkene Asylgegner und randalierende Rechtsextreme.

Obwohl der Revierleiter im Gespräch mit der Sächsischen Zeitung durchaus differenzierte Töne anschlägt, bleibt in der überregionalen Berichterstattung der plakative Vorwurf von der Provokation hängen. Heute nun soll es zu einem Gespräch zwischen ihm und dem Dresdner Polizeipräsidenten kommen.

„Wer dem öffentlichen Dienst jahrelang Stellen streicht, braucht sich nicht zu wundern …“

Frank Tempel, selbst Kriminalbeamter und Abgeordneter der Linksfraktion im Bundestag, hielt am 24. November im Bundestag ein deutliches Plädoyer [2] gegen die Einsparungen im öffentlichen Dienst, für mehr Personal bei der Polizei und für bessere Ausstattung. Und auch er differenzierte weiter: Insbesondere für mehr Anstrengungen bei der Integration und Bildung von Flüchtlingen und für wirksame Maßnahmen, um der Radikalisierung junger Menschen entgegen zu wirken. Tempel unterstrich aber auch, dass die weitere Einschränkung von Grundrechten nicht geeignet ist, um Terror zu bekämpfen. Und er wies darauf hin, dass Maßnahmen wie die Vorratsdatenspeicherung völlig ungeeignet sind, um Sicherheit zu erhöhen.

Der reflexhafte Ruf nach der Vorratsdatenspeicherung

Nur Stunden nach den Terroranschlägen in Paris hatte der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, die Chance erkannt, aus der Situation Profit zu schlagen für seine Forderung nach mehr Vorratsdatenspeicherung [3]. „Das eng gefasste Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung muss überdacht werden“, sagte Radek der „Rheinischen Post“ (Onlineausgabe).

„Die Polizei muss Anschläge, wie die in Paris unter allen Umständen verhindern“, sagte der GdP-Vize. So wünschenswert diese Forderung auch ist, sie wird sich durch Vorratsdatenspeicherung aller Erfahrung nach nicht erfüllen lassen.

Aus für die Telefondatenspeicherung durch die NSA in den Vereinigten Staaten

Am vergangenen Wochenende hat es sich ausgesammelt für die NSA, jedenfalls soweit Verbindungsdaten von Telefongesprächen innerhalb der Vereinigten Staaten betroffen sind. Das Ende dieses Überwachungsprogramms war durchaus nicht unumstritten, gerade nach den Anschlägen von Paris. Doch konnte weder eine Expertengruppe des Präsidenten, noch von neutraler Seite ein einziger Fall belegt werden, bei dem die Telefondaten einen Hinweis auf einen bevorstehenden Anschlag gebracht hätten. Das berichtet die Neue Zürcher Zeitung [4].

Wendt weiß es besser

Mehrere Jahre nach dem harten Vorgehen der Polizei in Stuttgart gegen die Gegner von Stuttgart 21 – dabei wurden mehr als 160 Menschen zum Teil schwer verletzt – hat das Verwaltungsgericht geurteilt: Das Vorgehen war rechtswidrig. Das allerdings ficht Herrn Wendt, den Vorsitzenden der DPolG nicht an [5]. Nach seiner Meinung war es „verhältnismäßig“ und er befürchtet auch gleich das Schlimmste: „Möglicherweise werden keine Wasserwerfer mehr eingesetzt aus Furcht, von Verwaltungsrichtern belehrt zu werden.“ Und weiter: Die Polizei habe einen Auftrag gehabt. „Und der hieß, den Platz zu räumen“.

Dazu ist zweierlei zu sagen: Erstens: Solche Begründungen von Befehlsempfängern sollten 70 Jahre nach Ende des Naziregimes endgültig der Vergangenheit angehören. Und zweitens: Beamte sind keine willenlosen Befehlsempfänger, sondern haben nach dem Beamtenrecht die Pflicht [sic!], dienstliche Handlungen auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen und – wenn Bedenken bestehen – gegenüber dem Vorgesetzten zu remonstrieren, d.h. Einwände zu erheben. Ein von Polizeibeamten, selten genutztes, jedoch nichtsdestotrotz vorhandenes Rechtsinstrument.

Wikipedia schreibt dazu [6]: „Die Remonstration ist im Beamtenalltag eine nur selten genutzte Möglichkeit, da ein potentieller Remonstrant häufig befürchtet, als Querulant abgestempelt zu werden.“ Leider bestätigt die Praxis diese Einschätzung: Das zeigt sich beispielhaft am Fall des „Maskenmanns“ in Brandenburg. Das Vertreten einer anderen Auffassung als die der Vorgesetzten hat dort für drei Beamte, die an den Ermittlungen beteiligt waren, sogar zu Strafanzeigen geführt [7].

Warum wehrt sich Polizei nicht gegen das, was sie kaputtspart und überlastet?

Die Klagen der Polizei sind nachvollziehbar: Über Personaleinsparungen, Ausstattungskürzungen, eine Strukturreform, die die nächste ablöst und Auflasten von immer weiteren Aufgaben – man nehme nur die Registrierung von Flüchtlingen, Einsätze in Erstaufnahmeeinrichtungen oder die aktuell aus po(pu)li(s)tischen Gründen forcierten Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber.

Verantwortlich für die Arbeitsbedingungen bei der Polizei sind jedoch weder die Bürger, bei denen eingebrochen wird, noch diejenigen, die Ordnungswidrigkeiten begehen oder Straftaten verüben und auch nicht Bürgerinitiativen, die sich für andere Menschen einsetzen. Liegt es an der großen Angst, als einzelner „niedergemacht“ zu werden (siehe oben), dass sich in der Polizei kaum jemand traut aufzubegehren gegen diese Arbeitsumstände?! Und warum schaffen es die Gewerkschaftsführer nicht, bei Politik und Verwaltung die Interessen ihrer Mitglieder effektiv durchzusetzen. Was ein wenig mehr verlangt, als brave Antrittsgespräche mit der Option auf hübsche
Pressebilder beim gerade neu ins Amt gekommenen Innenminister oder Staatssekretär. Denn die gleichen Gewerkschaftsführer können doch auch sehr laut und deutlich werden, wenn ein Mikrofon in ihre Richtung gehalten wird.

Lesenswerter Diskurs: Wen oder was beschützt Polizei um jeden Preis?!

Im aktuellen ‚Freitag‘ findet sich ein lesenswerter Diskurs [8]: Er fragt, warum eigentlich Polizei so übermäßig gewalttätig ist gegenüber [so genannten] linken Protestierenden. „Wenn eine Verwaltungsbehörde eine Route für eine rechte Demonstration genehmigt hat, dann ist das Gesetz. Dass sie einen Fehler gemacht haben könnte, ist undenkbar. … Gegendemonstrationen und Blockaden … der Widerspruch zu einer Verwaltungsentscheidung, der offene Widerstand trifft den Kern des Selbstverständnisses der Polizei. … Weil der öffentliche Widerstand die Grundlage der Macht öffentlich in Frage stellt. Die Macht, an der der einzelne Polizist Teilhabe erfährt, indem er die Berechtigung zur Einschränkung der Grundrechte anderer ausübt. Die Grundlage dieer Macht ist das von den Bürgern ausgesprochene Vertrauen. Und genau dieses Vertrauen wird durch den Akt des Widerstands entzogen. Und der Entzug des Vertrauens, diese grundlegende Kritik, wird öffentlich gemacht … …
Es lohnt sich, selbst weiter zu lesen …

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Quellen

[1]   „Abschiebungen nehmen zu““, 25.11.2015, Sächsische Zeitung
http://namf.blogsport.de/images/NAMF_InterviewWaurich26.11.2015.pdf

[2]   Wer dem öffentlichen Dienst jahrelang stellen streicht, braucht sich nicht wundern, dass die Überlastung jetzt da ist!, 24.11.2015, Rede von Frank Tempel im Deutschen Bundestag
http://www.linksfraktion.de/reden/wer-oeffentlichen-dienst-jahrelang-stellen-streicht-braucht-sich-nicht-wundern-dass-ueberlastung-jetzt-ist/

[3]   GDP für bessere Möglichkeiten zur Vorratsdatenspeicherung, 14.11.2015, Wallstreet-Online
http://www.wallstreet-online.de/nachricht/8125401-gdp-bessere-moeglichkeiten-vorratsdatenspeicherung

[4]   Fertig gesammelt – NSA beendet umstrittenes Abhörprogramm, 29.11.2015, Neue Zürcher Zeitung
http://www.nzz.ch/international/fertig-gesammelt-1.18654850

[5]   Kritik an Urteil zu Polizeieinsatz, 23.11.2015, DPA
http://www.swp.de/ulm/nachrichten/suedwestumschau/Kritik-an-Urteil-zu-Polizeieinsatz;art4319,3548741

[6]   Remonstration – Stichwort in Wikipedia, zuletzt heruntergeladen am 01.12.2015
https://de.wikipedia.org/wiki/Remonstration

[7]   Anzeige gegen Polizisten nach „Maskenmann“-Prozess, 08.09.2015, RBB-Online
https://www.rbb-online.de/panorama/beitrag/2015/09/Ermittlungen-wegen-Falschaussage-gegen-Polizisten-im-Maskenmann-Fall.html

[8]   Tretende Polizisten, 29.11.2015, Der Freitag
https://www.freitag.de/autoren/rofobro/tretende-polizisten