Die Affäre ‚Wendt‘ : Freigestellte Personalräte, Gewerkschaftsfunktionäre und andere Besonderheiten

Die angeregte Diskussion der ‚Affäre Wendt‘ in der Öffentlichkeit weist auf eine Reihe von Missverständnissen hin. Sie wirft allerdings auch Fragen auf: Über das Verhältnis von Polizeigewerkschaften, Innenministerien und den Polizeibehörden …

Missverständnisse

Seit Bekanntwerden der Affäre um die bezahlte Freistellung des DPolG-Vorsitzenden Rainer Wendt durch das Land Nordrhein-Westfalen schlagen die Wogen hoch. Allerdings auch jede Menge Missverständnisse.

Was ist eine bezahlte Freistellung, was eine Beurlaubung?

Angefangen damit, dass – angeblich – die Gewerkschaftsvorsitzenden vom Bund bzw. Land bezahlt würden und dies rechtens sei [a]. Munter durcheinander geht es auch mit den Begriffen Freistellung, bzw. Beurlaubung . Im ‚Lexikon‘ auf der DBB-Webseite finden sich die passenden Erläuterungen, die wir hier schon mal verlinkt haben.

Was sind Gewerkschaftsfunktionäre und was Personalratsmitglieder?

Durcheinander geht es auch mit den Begriffen „Gewerkschaftsfunktionär“ und „Mitglied des Personalrats“.

Mit dem Gewerkschaftsfunktionär sind im Zusammenhang mit dem Fall Wendt nur die Gewerkschafter gemeint, die eine Funktion im entsprechenden Regional-, Landes- oder Bundesverband ihrer Gewerkschaft ausüben. Für solche Funktionen ist eine Alimentierung aus der Staatskasse in Form einer Freistellung nicht vorgesehen. Bekannt ist dazu bisher, dass neben Wendt auch der NRW-Landesvorsitzende der DPolG, Erich Rettinghaus, vom Land NRW freigestellt war, ebenso wie der Landesvorsitzende des BDK, Sebastian Fiedler. Auf die Anfrage von POLICE-IT bei der Polizei Hamburg erfuhren wir ferner, dass der Bundesvorsitzende des BDK, EKHK [b] André Schulz „seit dem 01.01.2014 eine halbe Planstelle (Beschäftigungsumfang: 0,5) besetzt und entsprechend anteilig Bezüge erhält“. Alimentierungen aus der Staatskasse, für die der Begünstigte keine seinem Dienstposten entsprechende Leistungen erbringt, sind vom Gesetz nicht vorgesehen. In der heutigen LTO findet sich eine sehr lesenswerte, juristisch qualifizierte Aufarbeitung des Themas [1] von Robert Hotstegs, einem Fachanwalt für Verwaltungsrecht, der spezialisiert ist auf das öffentliche Dienstrecht, insbesondere Beamten- und Disziplinarrecht.

Im Personalrat einer Dienststelle sitzen die von den Beschäftigten gewählten Vertreter von Beamten und Angestellten. In aller Regel werden Kandidaten von den (hier: Polizei-)Gewerkschaften auf entsprechenden Wahllisten präsentiert. Die anschließend gewählten Personalräte sind also in aller Regel auch Gewerkschaftsmitglieder. Sie sind nicht zwangsläufig gleichzeitig auch Gewerkschaftsfunktionäre, also Funktionsträger innerhalb des Regional-, Landes- oder Bundesverbands ihrer Gewerkschaft.

Freistellung von Personalratsmitgliedern

Längst nicht alle Personalräte werden für die Ausübung ihrer Personalrats-Tätigkeit ganz oder teilweise freigestellt und erhalten ihre Bezüge weiterhin vom Dienstherrn. Freigestellt werden – hier verkürzt gesagt – nur die Mitglieder des Personalrats, die von dessen Mitgliedern in den Vorstand des Personalrats gewählt werden. Die Zahl der freigestellten Pesonalratsmitglieder ist im Wesentlichen von der Beschäftigtenzahl in der Dienststelle / Behörde abhängig. Einzelheiten dazu enthält die Broschüre ‚Freistellungsverfahren‘ des Deutschen Beamtenbunds [2] (DBB).

Quelle ständigen Unmuts: Freigestellte Personalratsmitglieder blockieren Dienstposten

Es ist ein ständiges Ärgernis für Beamte und Angestellte ohne entsprechende Mitbestimmungsrepräsentanz: Ein freigestellter Personalrat muss ja „irgendwie“ im Stellenplan der Dienststelle untergebracht werden: Er/sie besetzt also, bei Teilzeit ggf. anteilig, einen Dienstposten im Stellenplan. Somit kann z.B. ein A13-Dienstposten nicht mehr besetzt werden mit einem „normalen“ Beamten, der im Rahmen seines Laufbahnaufstiegs einen entsprechenden Dienstposten „braucht“. Der betroffene Beamte ist gleich zweifach benachteiligt: Denn er muss – zwangsläufig – die Aufgaben übernehmen, die dem entsprechenden Dienstposten entsprechen, ohne dass ihm die finanzielle und laufbahntechnische Ausstattung dieses Postens gewährt wird. Entsprechend groß ist der Unmut unter den nicht-privilegierten Kollegen über solche Postenblockaden durch freigestellte Personalräte (bzw. Gewerkschaftsfunktionäre – siehe oben). Die ein- oder andere Entscheidung der so bedachten Personalvertreter wird mitunter von nicht-privilegierten Kollegen als ein Zeichen der Dankbarkeit gegenüber dem Arbeitgeber aufgefasst.

Freigestellte Personalräte sind häufig auch Spitzenfunktionäre ihrer Gewerkschaft

In der Praxis ist es allerdings so: Allen Gewerkschaften achten darauf, dass ihre Spitzenfunktionäre im entsprechenden Regional-, Landes- oder Bundesverband auf den Wahllisten in ihrer jeweiligen Dienststelle/Behörde wahl-sichere Posten erhalten. Mit der Folge, dass diese Funktionäre nach einer Personalratswahl gute Aussichten haben, in den Vorstand des Personalrats gewählt zu werden und damit Anspruch auf Freistellung zu erhalten.

Warum die GDP es sich – besser als die kleineren Gewerkschaften – leisten kann, auf „Alimentierung“ aus der Staatskasse zu verzichten

Dies ist sehr gut nachzuvollziehen bei der GDP: Von den derzeit acht Mitgliedern im geschäftsführenden Bundesvorstand der GDP sind fünf gleichzeitig auch (freigestellte) Mitglieder in Personalräten bzw. Gesamt- und Hauptpersonalräten [c] ihrer Behörden [alle Angaben beziehen sich auf Downloads aus der GDP-Webseite vom 06.03.2017]:

  • Jörg Bruchmüller, EPHK – Stellvertretender Vorsitzender im Hauptpersonalrat der Hessischen Polizei und freigestelltes Personalratsmitglied im Polizeipräsidium Nordhessen (bis 2016)
  • Elke Gündner-Ede, Polizeiangestellte – Stellvertretende Vorsitzende im Polizeihauptpersonalrat des Niedersächsischen Innenministeriums
  • Clemens Murr, EPHK [b]- Freigestellter Personalratsvorsitzender der Bundespolizeiabteilung Dachau
  • Kerstin Philipp, Polizeiangestellte – Personalratsvorsitzende der Polizeidirektion 6 und Mitglied des Gesamtpersonalrats der Berliner Polizei
  • Jörg Radek, PHK – Teilfreigestellt für die Vorstandsarbeit im Bundespolizei-Hauptpersonalrat im Bundesministerium des Innern (BMI) in Berlin

Diese Aufstellung macht deutlich, wie personell eng verzahnt Gewerkschaftsvertreter und obere Bundes- und Landesbehörden tatsächlich sind.

Der GDP, mit ca. 194.000 Mitgliedern mit Abstand die größte Polizeigewerkschaft, fallen bei Personalratswahlen häufig auch die meisten Stimmen zu. Dementsprechend stellt die GDP häufig den Vorsitzenden bzw. weitere Mitglieder im Vorstand des Personalrats. Das führt – über die Freistellungen – zu einer besseren finanziellen Absicherung dieser Personalratsmitglieder, die gleichzeitig Gewerkschaftsfunktionäre sind, als bei den kleineren Polizeigewerkschaften [Wikipedia nennt als Mitgliederzahlen für die DPolG ca. 94.000 Mitglieder und für den BDK rund 15.000]: Das mag zumindest teilweise erklären, warum diese Spartengewerkschaften nach anderen Möglichkeiten der ALimentierung ihrer Funktionäre suchen – und sie in einigen Landesbehördenn offensichtlich auch gefunden haben.

Fußnoten

[a]   Richtig ist, dass der Vorsitzende und ggf. weitere Mitglieder des Vorstand des Personalrats einer Behörde/Dienststelle vom Dienst freigestellt und weiterhin ihr Gehalt beziehen. Diese „Gewerkschafter“ erbringen dann auch Leistungen gegenüber den Beschäftigten „ihrer“ Dienststelle. Das ergibt sich rechtlich aus dem Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) bzw. dessen Entsprechungen auf Länderebene.
Für die Vorsitzenden der Gewerkschaften auf Landes- bzw. Bundesebene gibt es keine entsprechende gesetzliche Regelung über deren Alimentierung aus der Staatskasse. Der GDP-Bundesvorsitzende Malchow wird – nach Angaben dieser Gewerkschaft – aus Gewerkschaftsmitteln bezahlt. Der BDK-Bundesvorsitzende Schulz besetzt beim LKA Hamburg eine halbe Planstelle und wird dementsprechend vom Land bezahlt. Insofern ist der Fall Wendt, also die völlige Freistellung über Jahre hinweg auf Staatskosten, die Ausnahme.

[b]   EKHK = Erster Kriminalhauptkommissar; EPHK = Erster Polizeihauptkommissar

[c]   Hauptpersonalrat bzw. Gesamtpersonalrat: Personalräte von übergeordneten Behörden, die zuständig sind für dienststellenübergreifende Angelegenheiten der Mitbestimmung.

Quellen und verwandte Artikel

[1]   Es geht nicht nur um zu viel Beam­ten­sold, 07.03.2017, Legal Tribune Online
http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/rainer-wendt-besoldung-polizeibeamter-gewerkschaftsarbeit-rechtsfragen/

[2]   Freistellungsverfahren, Deutscher Beamtenbund
http://www.dbb.de/fileadmin/pdfs/briefe_mitbestimmung/wahl_freistellung.pdf

[3]   Rainer Wendt – Nur persönliche Mitnahmementalität oder umfangreicheres Geschäftsmodell, 04.03.2017, POLICE-IT
https://police-it.net/rainer-wendt-geschaeftsmodell

[4]   Der DPolG-Vorsitzende Rainer Wendt fördert den Absatz seines Buches: Quatsch von Rainer Wendt, 11.01.2017, POLICE-IT
https://police-it.net/quatsch-von-rainer-wendt

[5]   Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) und Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK): „Klugscheißerei!“ Über Verbalinjurien und doppelte Moral von Polizeigewerkschaftsführern, 21.07.2016, POLICE-IT
https://police-it.net/klugscheisserei-ueber-verbalinjurien-und-doppelte-moral-von-polizeigewerkschaftsfuehrern

[6]    Kleine sind besonders laut: BDK und DPolG – Polizei-Vertretung oder PR-Agenturen?, 17.05.2016, POLICE-IT
https://police-it.net/bdk-und-dpolg-polizei-vertretung-oder-pr-agenturen

[7]   Polizist am Abgrund, 12.02.2017, Zeit-Online
http://www.zeit.de/2017/01/rainer-wendt-polizei-deutschland-in-gefahr-rezension

[8]   Konflikte bei Polizeigewerkschaften zwischen Aufgaben und eigenen Interessen: Wem nützen Polizeigewerkschaften und ihre Firmen?, 16.06.2016, POLICE-IT
https://police-it.net/wem-nuetzen-polizeigewerkschaften-und-ihre-firmen

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