Und jährlich grüßt das Murmeltier

Einige Proteste in Berlin im Vorfeld des diesjährigen Europäischen Polizeikongresses dürften nicht das größte Problem sein für die Veranstalter: Vielmehr zeigen sich in diesem Jahr erstmal deutlich die Erosionserscheinungen einer in die Jahre gekommenen Veranstaltung: Unsere Analyse der letzten fünf Jahre macht deutlich: It’s the same procedure as every year – alle Jahre das Gleiche. Die Zahl der Aussteller sank von 88 im Jahr 2018 auf 72 in diesem Jahr. Jetzt wurde auch noch das Hauptprogramm zusammengestrichen: Von den vier Halbtagen Hauptprogramm entfällt der Mittwoch-Nachmittag in diesem Jahr vollständig. Der Kongress reduziert sich damit immer mehr auf eine alljährliche Wallfahrt für Polizeiführer und anderes Leitungspersonal aus den Ministerien und Sicherheitsbehörden, um am Jahresanfang andächtig den Bergpredigten des Bundesinnenministers und der Präsidenten von Bundeskriminalamt und Bundesamt für Verfassungsschutz zu lauschen. | Lesedauer: Ca. 10 Minuten

Das Hauptprogramm

Das Hauptprogramm spielt sich ab im großen Kuppelsaal des Berliner Congress-Centrums. Der sternenüberflutete Himmel, während der Vorträge abgedunkelt, schafft ein besonderes Ambiente, sehr passend für die alljährlichen Bergpredigten des Bundesinnenministers und der Präsidenten von BKA Und BfV.

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Begrüßung der Zelebritäten, Eröffnung durch den Bundesinnenminister oder seinen Staatssekretär

Wie immer wird der Chefredakteur und Herausgeber des Behörden-Spiegels die Veranstaltung mit launigen Worten eröffnen und dabei vor allem die Prominenzen aus Ministerien und Behörden hofieren. „Herr Minister“, „Herr Präsident“, … und wie sie alle betitelt sind.

Danach soll Bundesinnenminister Seehofer ans Pult treten und die sattsam bekannten Forderungen der Regierungsmehrheit zur Inneren Sicherheit vortragen. Ein Titel für den Vortrag ist dem Programm nicht zu entnehmen – der Name des CSU-Innenministers ist wohl Programm genug. Vorträge ohne Titel gab es auch 2019 und 2018 schon vom Staatssekretär aus dem BMI. 2017 – im Jahr der Bundestagswahl – nutzte der damalige Minister De Maizière die Bühne, um zu werben für das Wahlprogramm der CDU für Innere Sicherheit ‚Ein starker Staat für ein starkes Europa‘. Solche Themen sind auf dem Polizeikongress ein Heimspiel.

Wie auch in den letzten Jahren, kommt im Anschluss daran die Europäische Komponente zum Zug: Ein Grußwort eines Vertreters aus dem Innenministerium des Landes, das in der jeweils ersten Jahreshälfte den Vorsitz in der EU-Ratspräsidentschaft innehat. Letztes Jahr war es Rumänien, dieses Jahr ist es Kroatien.

Der nächste Auftritt gehört Microsoft

Als nächster wird dann Andreas Kleinknecht ans Mikrophon treten aus dem Geschäftsbereich ‚Public Sector‘ von Microsoft. Der es schafft, die wenig unterschiedlichen Inhalte seiner Beiträge jeweils unter ein Motto zu stellen, dessen Titel wenigstens zum Leitmotiv der jeweiligen Veranstaltung passt. Dieses Jahr stehen seine 30 Minuten unter der Überschrift ‚Rechtsstaatlichkeit im digitalen Wandel‘, im Jahr zuvor suchte er mit ‚künstlicher Intelligenz‘ nach ‚Orientierung in unbekannten Gefilden‘.

Das Catering auf dem Polizeikongress ist SEHR gut und SEHR beliebt

Nach einer dreiviertel-stündigen Kaffeepause dürfen sich die Teilnehmer dann ein erstes Mal in Fachforen zerstreuen. Darauf folgt eine eineinhalb-stündige Mittagspause. Nebenbei übrigens: Das Catering, eine Rund-Um-Versorgung von früh bis spät auf dem Polizeikongress ist von sehr erfreulicher Qualität, darüber hinaus kostenlos für die Teilnehmer und daher SEHR beliebt.

Podiumsdiskussionen

Nach der Mittagspause folgt die erste von mehreren Podiumsdiskussionen, ein Format, bei dem ein Moderator und eine Handvoll kompetenter bzw. in der Branche prominenter Männer für leichte Unterhaltung der Zuschauer sorgen.

Männer dominieren das Podium, wie ja generell auch die Führungsebenen der Sicherheitsbehörden, gerade in Deutschland: Die einzige Frau im Hauptprogramm des Jahres 2020 ist die Staatssekretärin aus dem kroatischen Innenministerium, da hatten die Veranstalter keinen Einfluss … Im letzten Jahr gab es ebenfalls genau EINE Frau in sprechender Rolle im Hauptprogramm, eine Dozentin für Kriminologie aus Italien als Teilnehmerin einer Diskussionsrunde. Ansonsten sieht man vorne oben auf der Bühne nur dann Frauen – in hübschem Dress -, wenn es gilt, die Trinkgläser auszutauschen und die Stühle zurecht zu rücken.

Das Thema der ersten Diskussionsrunde in diesem Jahr – ‚Europa: Wiederherstellung des Rechtsstaats‚ – könnte Erwartungen aufkommen lassen: Ob die Erosion rechtsstaatlicher Prinzipien, wie sie an der Ostflanke Europas, z.B. in Polen oder Ungarn, zu beobachten sind, aufs Tapet kommt. Dafür spricht jedoch wenig: Es unterhalten sich der Präsident der Bundespolizei, der Exekutivdirektor von Frontex, ein stellvertretender Exekutivdirektor von Europol und der Direktor der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte. 2019 ging es an gleicher Stelle um ‚Grenzsicherung in Europa‘, 2018 um die Bekämpfung von Kindesmissbrauch und Cybercrime.

Die Leitmotive des Kongresses

Der Kongress steht ja jedes Jahr unter einem Leitmotiv: ‚Europa: Rechtsstaat durchsetzen‚ lautet es in diesem Jahr. Die Formulierung allein schon könnte ja Diskussionen aufwerfen. Die aber nicht stattfinden, da den drei Polizeigewerkschaften, die diese Veranstaltung unterstützen, damit aus der Lobbyisten-Seele gesprochen ist. Apropos Leitmotiv: In den letzten 15 Jahren kam darin 13 mal das Wort ‚Sicherheit‘ vor, 10 mal Europa, 5 mal die Grenzproblematik und 4 mal Terrorismus. Allmählich wird es knapp mit neuen Varianten.

Kurzvorträge großer Aussteller im Hauptprogramm

Die nächsten 20 Minuten darf dann wieder der Vertreter eines großen Ausstellers bestreiten. Das Privileg einer 20-minütigen Rede im Hauptprogramm ist beim Polizeikongress traditionell verknüpft mit einem flächenmäßig und daher auch kostenmäßig großzügigen Messestand [2016]. Dieses Jahr räsoniert ein IBM-Vertreter über ‚Moderne Lösungen der künstlichen Intelligenz für den Rechtsstaat‘, im vergangenen Jahr beschäftigte sich ein SAS-Vertreter mit ‚Analytics in der Ermittlungsarbeit am Beispiel Terrorismusprävention‘.

Gemessen am Schaden für die Volkswirtschaft hätte man sich auch einen Beitrag vorstellen können über ‚Künstliche Intelligenz bei der Aufklärung von Steuerhinterziehungen‘ oder ‚Analytics in der Aufklärung von OK und Korruption‘. Offensichtlich interessiert der Schaden durch solche Delikte, obwohl in Milliarden zu beziffern, die Insider in der Filterblase ‚Polizeikongress‘ nur wenig: Terrorismus, Extremismus und Gewalt gegen Polizeibeamte, DAS sind, wie sie wissen, die Themen, mit denen dem Gesetzgeber mit Hilfe einschlägiger Medien immer noch MEHR Befugnisse für Sicherheitsbehörden abgetrotzt werden können. Und daher kommen diese Themen jedes Jahr rund um den Tag des Murmeltiers (2. Februar) neu aufs Tapet. Das wissen auch die Großaussteller und stellen sich in ihrem Framing darauf ein.

Hometurf der Polizeigewerkschaften

Ein Schwergewicht unter den Ausstellern nehmen die drei Polizeigewerkschaften ein. Die belegen seit Jahren schon einen eigenen Trakt im Erdgeschoss mit ihren drei ausladend großen Ständen, wo Bundesvorsitzende und andere hauptamtliche Funktionäre zwei Tage lang Hof halten und treue Gewerkschaftsmitglieder begrüßen und bewirten.

… und der Bundes-Sicherheitsbehörden

Ein anderes Schwergewicht bildet der Bund mit den oben schon genannten Redebeiträgen aus dem BMI, BKA und BfV, und Referenten in diversen Fachforen und dem Satellitenprogramm für den BOS-Digitalfunk. Die Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (Zitis) betreibt einen eigenen Stand und zahlt dafür 5.000 Euro (zzgl. MWSt) an den Veranstalter. Im letzten Jahr versuchte ich von einem der (heuer) drei Mitarbeiter eine Auskunft zu erlangen, war da aber an einen sehr freundlichen aber auch sehr verschlossenen jungen Menschen geraten. Das Bundeskriminalamt unterhält ebenfalls einen vergleichbar teuren Stand, der mit fünf Mitarbeitern besetzt ist. Die Bundespolizei ist mit rund 8.300 Euro an den Kosten von drei Ständen beteiligt und entsendet 15 Mitarbeiter. Und aus dem BMI selbst sind weitere fünf Mitarbeiter „unterstützend“ abgeordnet. Diese Zahlen nannte das BMI vor wenigen Tagen in der Antwort auf eine schriftliche Frage im Deutschen Bundestag [1].

Fachforen

Den nächsten Kaffee können pflichtbewusste Teilnehmer nur im Vorbeigehen einnehmen, ist doch nur eine Viertelstunde Zeit, um sich in dem weiträumigen Gebäude den richtigen Veranstaltungsort für den individuell ausgesuchten Vortrag im zweiten Fachforum zu suchen. Diese Fachforen, es gibt pro Kongress drei an der Zahl, jeweils 90 Minuten lang, haben vor allem den Zweck, den diversen kleineren Ausstellern eine Bühne zu bieten für die Präsentation ihrer Produkte bzw. Kompetenzen. Für den Besucher stellt sich jedes Mal die Qual der Wahl, muss er sich doch EINEN der acht oder mehr Beiträge aussuchen, die da gleichzeitig angeboten werden.

Zwischen 21 und 27 Fachforenbeiträge haben wir in den Jahren 2017 mit 2020 pro Jahr gezählt. Jeder dauert eineinhalb Stunden, sodass sich der Besucher also zuvor aussuchen muss, welche drei davon er sich im Laufe des Kongresses anhört. Die folgenden Themen sind seit fünf Jahren durchgängig besetzt, manche sogar mit zwei Forenbeiträgen pro Jahr:

  • Cyber-Crime / Cyber-Sicherheit
  • Video-Überwachung / Gesichtserkennung
  • Polizei-Schutzausrüstung
  • Mobile Polizeiarbeit
  • Verkehrsüberwachung und -lenkung
  • Internationale Polizeiemissionen

Stark im Kommen sind seit vergangenem Jahr

  • Big Data / Massendatenauswertung (Nein: Palantir ist nicht unter den Ausstellern!)
  • sowie Künstliche Intelligenz, ein Thema, das Predictive Policing seit 2018 abgelöst hat

Der Veranstalter, der ja generell nicht schüchtern ist im Verwenden von definitionsarmen Schlagworten, hat ein Faible für smart und safe, advanced, intelligence und analytics, am besten mehrere davon in einem Thema. Bei der größten Themen-Cloud allerdings, über der das Wort ‚Digitalisierung‘ schwebt, wird gesucht und getastet. Hineingestreut in die Fachforen der letzten fünf Jahren sind zehn Foren mit einschlägigen Titeln. Die da heißen

  • ‚Digitale Polizei‘ bzw. ‚Digitalisierung der Sicherheitsbehörden‘
  • ‚Digitale Kriminalistik‘
  • ‚Digitale Forensik‘
  • ‚Digitale Spuren‘

Das könnte ein Spiegelbild davon sein, dass auch in den Regierungen und Polizeibehörden keine konkrete Vorstellung herrscht, wo man mit Digitalisierung und Policing eigentlich hin will. Abgesehen natürlich von mehr Befugnissen zur Auswertung digitaler Spuren, die jeder Mensch hinterlässt, vom Schreibtisch aus. Daher das neue Trendthema Big Data/Massendatenauswertung.

Ausklang eines langen ersten Tages bei Buffet und Networking

Allmählich wird der erste Tag lang: Um 17:45 die nächste Kaffeepause, eine vermutlich ungewohnt späte Koffein-Dosis für die vielen älteren Herrschaften unter den Teilnehmern. Dann folgt wieder ein Aussteller-Vortrag von zwanzig Minuten. Samsung versucht zu dieser späten Stunde, Zuhörer durch Rätsel zu interessieren: ‚Policing rather than papering‘ [gut, dass das m im letzten Wort entfallen ist …]. Im letzten Jahr machte es Panda Security spannend mit ‚Threat hunting – next generation of cyber security‘.
Doch selbst danach noch wird zumindest physische Präsenz vom Kongressteilnehmer verlangt: Denn nun folgt eine weitere Podiumsdiskussion, sage und schreibe ein Stunde lang. Die hat einen gewissen sadistischen Charakter: Man kann natürlich VOR dieser Podiumsdiskussion gehen, immerhin ist es da schon 18.30 Uhr und sich einen netten Abend in Berlin machen. Man kann allerdings auch diese Podiumsdiskussion bis halb Acht Uhr aussitzen, weil danach Belohnung wartet: In Form eines kostenlosen, lockeren Ausklang des Tages bei ‚Buffet und Networking‘.

Die jährlichen Bergpredigten vom BKA- und BfV-Präsidenten

Am Morgen des zweiten Tages ist für pflichtbewusste Besucher frühes Erscheinen angesagt. Denn es dauert bis die Mäntel abgegeben, die Koffer der vielen Auswärtigen für die Rückreise am Nachmittag in den Garderobenbereich geschlichtet sind und bis man durch die Schleuse geschoben wurde in der langen Schlange, die sich an der Einlasskontrolle bildet. Bis 8.45 Uhr sollte man Platz genommen haben im großen Kuppelsaal, wenn man sich die jährliche Bergpredigt nicht entgehen lassen möchte.

Überraschung! Das Bundeskriminalamt hat ‚Kriminalitätsbekämpfung‘ im Fokus

Sie wird eingeleitet vom Präsidenten des Bundeskriminalamts, Holger Münch, der sich jedes Jahr wieder auslässt über ‚Kriminalitätsbekämpfung‘. 2020 steht die ‚Bekämpfung von Hasskriminalität und Politisch motivierter Kriminalität‘ im Mittelpunkt. Ein ‚unverzichtbarer Beitrag zur Durchsetzung des Rechtsstaats‘! Im Jahr zuvor hatte sich Münch auf die ‚Kriminalitätsbekämpfung in einem dynamischen Umfeld‘ fokussiert: ‚Lage, strategische Herausforderungen und Lösungsansätze‘. 2018 beschäftigte er die Zuhörer mit ‚Herausforderungen und Lösungsansätzen für die föderale Sicherheitsarchitektur‘. 2017 war wohl niemand vom BKA abkömmlich für eine Bergpredigt beim Polizeikongress. Und 2016 trug der BKA-Vizepräsident Kretschmer vor zur ‚Kriminalitätsbekämpfung in einer globalisierten und digitalisierten Welt‘.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz macht Werbung bzw. Politik in eigener Sache

Obwohl im Namen der Veranstaltung ja ‚POLIZEIkongress‘ vorkommt, erhält der jeweilige Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz den gleichen Raum wie der BKA-Präsident. 30 Minuten also, in denen Thomas Haldewang seit 2019 und zuvor Hans Georg-Maaßen die Leistungen seiner Behörde in ein positives Licht rücken. Maaßen übrigens, 2019 ja nicht mehr in offizieller Funktion, kam als Teilnehmer und networkte im Zuschauer- und Pressebereich, was das Zeug hielt, vor allem auch mit Pressevertretern, jedenfalls solchen, die dem neuen Marketeer in eigener Sache, nutzbringend erschienen.

Sein Vortrag im Jahr 2017 ließ fast schon Empörung erkennen mit dem Titel ‚Die Auswirkungen der irregulären Migration auf die Arbeit des BfV‘. 2018 warnte er weiter mit ‚Grenzenlose Gefahren – endliche Sicherheit‘. 2019 setzte sein Nachfolger Haldewang keinen neuen Schwerpunkt mit ‚Der Bundesverfassungsschutz in Zeiten von Migration, Digitalisierung und Radikalisierung‘. Und für 2020 plant er den Jubiläumsvortrag ‚Das Bundesamt für Verfassungsschutz – 70 Jahre im Dienst der wehrhaften Demokratie‘. Vergeblich wird man bei der Geisteshaltung solcher Präsidenten auch weiterhin warten auf einen Vortrag ‚Erkenntnisse des Verfassungsschutz bei der Verhinderung schwerer Anschläge rechtzeitig identifizieren, bewerten und nutzen’…

Filme gucken steht jetzt auf dem Programm

Auf die trockene Kost dieser Bergpredigten der beiden Bundesjünger für Innere Sicherheit, folgt leichte Unterhaltung: Gesetzt ist jetzt wieder ein Großaussteller, und zwar aus der Zunft der Ausrüstungshersteller. In diesem Jahr zum vierten Mal bestreitet Ulbrichts Protection diesen Programmpunkt; bisher jeweils mit einem informativen Videobeitrag, der die erstaunlichen Leistungsmerkmale der Polizeihelme demonstriert, die diese Firma herstellt.

Diskussionsrunden mit vorhersehbarer Meinungspluralität

Noch immer ist nicht Kaffeepause, was die Unruhe unter der großen Kuppel deutlich erhöht. Wer nicht rausgeht, um sich doch einen Kaffee zwischendurch zu organisieren, folgt jetzt der dritten Podiumsdiskussion, die traditionell die Moderationsrunde der Ehemaligen ist: BND a.D.-Präsident Hanning, der ehemalige Europol-Direktor Ratzel, BND a.D.-Präsident Schindler. Die Diskussionsteilnehmer auf dem Podium sind handverlesen, um sicherzustellen, dass nicht etwa allzu große Pluralität der Meinungen aufkommt.

Im vergangenen Jahr z.B. unterhielt sich Georg Mascolo vom Rechercheverbund WDR, NDR, SZ von Kollege zu Kollege mit Julian Reichelt dem Vorsitzenden der Chefredaktionen aus dem Hause Springer. Das Thema lautete ‚Geheimhaltung vs. öffentliche Sicherheit – was bleibt vertraulich?‘ Die weiteren Gesprächspartner waren der Präsident der Zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (Zitis), sowie der Landeskriminaldirektor aus Nordrhein-Westfalen, moderiert war das Ganze vom ehemaligen BND-Präsidenten Schindler. Alle fünf haben ja Beweise dafür geliefert, dass sie gewohnt sind, individuell zu entscheiden, was ‚vertraulich‘ bleibt und was nicht. Insofern weckte dieses Panel bei mir das geistige Bild vom Bock und dem Gärtner.

Ohnehin hat der Veranstalter mitunter ein treffendes Händchen für den richtigen Experten: So z.B. im Jahr 2018, als er Hartmut Dudde, den Gesamtpolizeileiter beim G20-Gipfel in Hamburg als Experten beteiligte am Fachforum ‚Bewältigung von Demonstrationslagen‘. Da konnten die Teilnehmer aus erster Hand lernen.

Doch zurück zum Vormittag von Tag 2: Bevor sich dann ENDLICH die Türen öffnen für einen kurze Kaffeepause sind noch zwanzig Minuten reserviert für den vierten Beitrag eines Großausstellers, in diesem Jahr von SAS. Dann folgt eine Pause, die so kurz ist, dass der Ansturm aller auf die Kaffeestände gar nicht bewältigt werden kann. Und darauf werden in einer Viertelstunde die Preisträger des Zukunftspreises Polizeiarbeit des Jahres gewürdigt.

Die Diskussionsrunde der Landesinnenminister

Es folgt ein langjähriger Eckstein im Programm des Kongresses – die ‚Diskussionsrunde der Landesinnenminister‘. In diesem Jahr stehen bisher gerade mal zwei Landesinnenminister im Programm 2020, nämlich der neue aus Brandenburg, Michael Stübgen, und Herbert Reul aus NRW. Beide können, aus unterschiedlichen Gründen, einen Popularitätsschub gebrauchen. Bis 2019 waren es immerhin noch vier, neben Reul auch Herrmann aus Bayern, Pistorius aus Niedersachsen und Geisel als Berliner Lokalmatador. Fast identisch das Panel im Jahr 2018, nur war statt Geisel der Thüringer Innenminister gekommen. Diese Altherren-Mannschaft unterhält dann das Publikum für eine weitere Stunde.

Erosion im Programm 2020

2020 wird der Vormittag mit der Zusammenfassung und dem Ausblick durch den Veranstalter abgeschlossen. Damit ist das Hauptprogramm beendet. Dann gibt es Mittagessen – für die, die dann überhaupt noch bleiben. Der Block 3 der Fachforen ist hinter das offizielle Ende des Hauptprogramms geschoben. Das dürfte für gelichtete Reihen bei den Zuschauern sorgen. Und um 16.30 soll dann am Mittwoch, dem 5.2.2020 endgültig Schluss sein.

Der Nachmittag von Tag zwei im Hauptprogramm fällt somit in diesem Jahr komplett weg. Möglicherweise geht es also nicht nur mir so mit meiner Entscheidung, dieses Jahr auf die Reise nach Berlin zu verzichten: Same procedure as every year yet even less content – das lohnt den Aufwand einfach nicht. Die Branche ‚Polizei‘ und die dort tätigen Anbieter verschwinden damit weiter hinter den Nebelbänken der Intransparenz.

Quelle

[1]   Schriftliche Fragen mit den in der Woche vom 13. Januar 2020 eingegangenen Antworten der Bundesregierung, DBT-Drs 19/16574
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/165/1916574.pdf

Das Dossier: Fünf Jahre ‚Europäischer Polizeikongress‘

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