Dataport beschafft für das Inpol Polas Competence Center

Das Inpol Polas Competence Center (IPCC) bzw. seine ‚Geschäftsführung‘, ist nach dem Auszug in Hessen nun bei der Polizei Hamburg angesiedelt. Das wesentliche Problem, keine eigene Rechtsform zu haben, besteht weiterhin. Das IPCC kann daher keine Verträge abschließen oder Mitarbeiter anstellen. Und es kann auch nicht Eigentümter von Rechten an Software und Systemen sein oder solche Rechte an andere vergeben. In dieser Situation positioniert sich Dataport, der ‚IT-Dienstleister der Nordländer‘, als neuer ‚Full-Service-Provider für polizeiliche IT-Verfahren‘.
Beschafft jetzt also Dataport stellvertretend für das IPCC, weil dieses dazu rechtlich nicht die notwendigen Voraussetzungen mitbringt?

Polizeiliche IT-Verfahren des Inpol Polas Competence Centers Ende 2011

Bis Ende 2011 und unter der hessischen Führung hatte sich das IPCC gewaltige Aufgaben aufgehalst: Da gab es einerseits die Kernprodukte – insbesondere POLAS/INPOL-Land, ZEVIS und AZR für deren Pflege und Weiterentwicklung die „Länderzweckgemeinschaft des IPCC“ zuständig war. Und andererseits die „Pflegegemeinschaften des IPCC„, die sich – in stets wechselnder Zusammensetzung um die Pflege und Weiterentwicklung von sehr unterschiedlichen polizeilichen IT-Anwendungen kümmern sollten, wie

  • Fallbearbeitungssystem CRIME,
  • Digitaler Arbeitsplatz für den Erkennungsdienst ED-DI,
  • polizeiliche Kriminalstatistik PKS,
  • für mobile Abfragen des Auskunfts- und Fahndungssystems – INPOL-mobil
  • für Zugriff auf Daten des Einwohnermeldediensts – EWO,
  • für eine automatisierte Sicherheitsüberprüfung – SÜP, sowie
  • für die ERstellung von Kriminalitätslagebild – KLB.

Das Kernproblem des IPCC – die fehlende Rechtsform – existiert nach wie vor

Am Kernproblem des IPCC änderte allerdings auch der Ortswechsel nach Hamburg nichts: Verträge abschließen kann nur eine natürliche oder juristische Person. Ein IPCC ohne Rechtsform ist jedoch weder das eine noch das andere. Wer aber keine Verträge abschließen kann, der kann auch keine Mitarbeiter einstellen oder Verträge mit Auftragnehmern abschließen und der kann auch nicht Eigentümer von Rechten an Software und Systemen sein oder solche Rechte vergeben.

Intransparente Auftragsvergabe in den beiden Folgejahren

Wie die Arbeiten im Zeitraum 2012/2013 beauftragt und bezahlt wurden, ist völlig intransparent. Es findet sich darüber nichts in den üblichen öffentlichen Quellen. Obwohl es mehr als genug Aufgaben gab für ‚Pflege und Weiterentwicklung‘. Zu nennen sind z.B. nur

  • die notwendigen Anpassungen an das IMP – Informationsmodell Polizei,
  • die Integration der RED – Rechtsextremismusdatei,
  • Auswirkungen der Entdeckung des NSU-Trios
  • und insbesondere der in den Startlöchern stehende PIAV, der Polizeiliche Informations- und Analyseverbund

Polizeivollzugsbeamte werden für IT-Support und -Entwicklungsunterstützung eingesetzt

Für alle anderen Aufgaben, wo Polizei nicht unbedingt die alteingeführten Entwickler brauchte, setzte man in den Ländern der IPCC-Kernkooperation verstärkt auf gegenseitige Unterstützung. Ganze Heerscharen von Polizeivollzugsbeamten, bisher schon abgeordnet aus dem operativen Polizeidienst und eingesetzt in den IT-Abteilungen des jeweiligen Landeskriminalamts oder des behördlichen IT-Dienstleisters, unterstützten ihre Kollegen in anderen Kooperationsländern, wenn es um Support, Service, Entwicklungs- oder Einführungsunterstützung u.ä. ging. Und daran hat sich bis heute auch nichts geändert.

Vergaberechtlich sehr fragwürdige Begründungen

Vergaberechtlich sei alles in bester Ordnung, versicherte man sich gegenseitig und beteuerte man gegenüber Außenstehenden. Mal wurde argumentiert mit der „interkommunalen Zusammenarbeit„, mal behauptet, es handle sich bei den Dienstleistungen der einen Behörde für eine andere in einem anderen Land um (vergaberechtsfreie) „Inhouse-Vergaben„. Beide Begründungen treffen jedoch nicht zu, sagen Vergaberechtsexperten, die wir um eine Stellungnahme gebeten haben.

Zurückgezogener Teilnahmewettbewerb für die Weiterentwicklung des Fallbearbeitungssystems CRIME

Ab Mitte 2013 gab es dann zwei bemerkenswerte Ereignisse: Am 03.07.2013 veröffentlichte die Polizei Hamburg eine Auftragsbekanntmachung. Es ging um die Entwicklung eines „Recherchetools – Entwicklungsvorhabens innovativer/semantischer Methoden und interaktiver Visualisierung … für die IT-gestützte Suche/Analyse“ [2].

Die Firma Polygon wollte sich an diesem Teilnahmewettbewerb beteiligen und stellte einige fachliche Fragen an die Beschaffungsstelle in Hamburg. Den Antworten war zunächst zu entnehmen, dass CRIME auf diese Weise ‚aufgepeppt‘ und ausgebaut werden sollte. 14 Tage später und nach weiteren Fragen, offensichtlich auch von anderen Interessenten, wurde das Vergabeverfahren dann sang- und klanglos eingestellt. Zur Begründung erklärte die Beschaffungsstelle, „die große Anzahl der … Nachfragen … haben deutlich gemacht, dass die angestrebten Inhalte … nicht hinreichend genug beschrieben wurden.“

Dataport positioniert sich als ‚Full-Service-Provider‘ für die polizeilichen IT-Verfahren des IPCC

Nur drei Tage danach veröffentlichte Dataport eine Auftragsbekanntmachung für einen Teilnahmewettbewerb [2]. Anders als das IPCC, hat Dataport eine Rechtsform, ist nämlich eine Anstalt öffentlichen Rechts und „der Informations- und Kommunikations-Dienstleister der öffentlichen Verwaltung für die Bundesländer Hamburg, Schleswig-Holstein und Bremen, sowie für die Steuerverwaltungen in Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen“. Der Bekanntmachung ist zu entnehmen, dass Dataport

„mit dem Wechsel der Geschäftsführung/Gesamtkoordination [des IPCC / d. Verf.] nach Hamburg [beabsichtigt], sich als Full-Service-Provider für die Polizei mit Leistungen über die Entwicklung, Pflege und den Betrieb von IT-Verfahren zu positionieren. In diesem Zusammenhang übernimmt Dataport Leistungen der Pflege und Fortentwicklung einer komplexen Umgebung miteinander vernetzter Verfahren

  • im Umfeld polizeilicher Auskunftssysteme [= INPOL-Land/POLAS / d. Verf.],
  • des Erkennungsdienstes [= ED-DI / d. Verf.],
  • der Fallbearbeitungs- und Ermittlungssysteme [= CRIME / d. Verf.],
  • sowie der Lagebildanwendungen [= KLB / d. Verf.]
  • und der Sicherheitsüberprüfung [= SÜP / d. Verf.]

Für eine Vertragslaufzeit von zunächst drei Jahren sollten 15.000 Personentage vergeben werden. Umgerechnet sind das insgesamt 75 Mannjahre [bei 200 Arbeitstagen pro Jahr] bzw. 25 Mannjahre pro Jahr, d.h. ein Auftrag, der jeweils 25 Personen über drei Jahre beschäftigt.

Trivadis gewinnnt den Auftrag und alles bleibt beim Alten

Für den Beobachter der IPCC-Saga kommt nicht überraschend, dass die Trivadis GmbH als der glückliche Gewinner aus diesem Vergabeverfahren hervorging [3]. Sie erinnern sich: Die Firma war schon Auftragnehmer einschlägiger Aufträge, als die IPCC-Entwicklungen noch von Hessen aus vergeben wurden. In Hessen erhielt sie Aufträge, weil „die Firma Personen beschäftigt, die langjährig für die Fa. Oracle in der Entwicklung der Architektur für POLAS/Inpol tätig waren“. Und in Kooperation zwischen Oracle und der Polizei Hamburg hatten die Entwicklungen rund um POLAS, CRIME und COMVOR ihren Anfang genommen.

Dieses Eignungsprofil erklärt auch, warum Dataport mit seinen rund 1.800 Mitarbeitern einen Auftrag für 25 Mann vermutlich leicht selbst ausführen könnte, aber dennoch einen externen Anbieter suchte. Hier ging es wohl nicht um die personelle Kapazität, sondern der selbst erklärte „Full-Service-Provider“ musste erst einmal Know-How einkaufen über die polizeilicen IT-Verfahren des Inpol Polas Competence Centers.

Offene Fragen zum zukünftigen Verhältnis von Dataport und IPCC

Bisher ist ja die „Länderzweckgemeinschaft des IPCC“ zuständig für die Pflege und Weiterentwicklung von INPOL-Land/POLAS, ZEVIS, AZR, … So steht es in einem Bericht des Hessichen Ministeriums des Innern und für Sport (HMDiS) vom 23.07.2012 [1].

  • Wird nun Dataport diese Aufgabe übernehmen? Und, wenn ja:
  • Was geschieht dann mit der IPCC-Länderzweckgemeinschaft?
  • Wie bezahlen die Teilnehmer der IPCC-Gemeinschaften die Leistungen der Dataport?
  • Welche Auswirkungen hat dies auf früher angestellte Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen, die u.U. Grundlage waren für Entscheidungen?
  • Wie wird die technische Leitung und Lenkung geregelt?
  • Was geschieht mit den sonstigen Pflegegemeinschaften, die sich bisher unter dem Dach des IPCC befanden (siehe oben)?
  • Und wie verträgt sich diese Aufgabenstellung mit dem damals gültigen Dataport-Staatsvertrag, in dessen Par. 3 es heißt: „Dataport unterstützt die öffentlichen Verwaltungen in dem Land Schleswig-Holstein, einschließlich der Kommunalverwaltungen, der Freien und Hansestadt Hamburg und der Freien Hansestadt Bremen sowie weiterer Träger … durch Informations- und Kommunikationstechniken. Sie fungiert insbesondere als zentrale IT-Dienstleisterin des Landes Schleswig Holstein, der Freien und Hansestadt Hamburg und der Freien Hansestadt Bremen“?

Oder ist das mit dem „Full-Service-Provider“ gar nicht so ernst gemeint und handelt es sich wieder einmal um einen Kunstgriff zur Erteilung von Aufträgen für ein IPCC, das dazu selbst nicht in der Lage ist?!

Zahlreiche, spannende Fragen sind also offen im Zusammenhang mit einem der großen versteckten Mitspieler in polizeilichen IT-Projekten, dem IPCC: Einem Konstrukt ohne Rechtsform, das seit Jahren die Pflege und Weiterentwicklung des polizeilichen Auskunfts- und Fahndungssystems betreibt und verantwortet, welches das Rückgrat des polizeilichen Informationssystems in der Bundesrepublik Deutschland darstellt. Ein Konstrukt aber auch, das die für diese Aufgabe und Verantwortung notwendige Professionalität und Transparenz – öffentlich jedenfalls – nicht erkennen lässt …

Dieser Artikel ist Teil der Serie Akteure | IPCC und Konsorten

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Weit besser als sein Ruf: Inpol-Fall, der Vorläufer des PIAV, 01.10.2013, Police-IT
https://police-it.net/it-systeme-projekte/weit-besser-als-sein-ruf-inpol-fall-der-vorlaeufer-des-piav-4335

Quellen zu diesem Artikel

[1]   Bericht zu dem Berichtsantrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen betreffend
     Vergabeverstöße bei Auftragsvergaben des Landespolizeipräsidiums,
     23.07.2012, Drs.-Nr. INA/18/85 (Ausschussvorlage) des Hessischen Landtags

[2]   Beschaffungsprojekte für polizeiliche IT 2013, 23.06.2013, Police-IT
https://police-it.net/beschaffung-vergabe/beschaffungsvorhaben-fuer-polizeiliche-it-2013-3366

[3]   Bekanntmachung des von Dataport an Trivadis vergebenen Auftrags, 18.12.2013,
     TED, Nr. 2013/S 245-427428

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