Das Bundeskabinett hat heute schärfere Strafen für Gewalt gegen Polizei- und Vollstreckungsbeamte beschlossen. Ob die tatsächlich „mehr Schutz“ bieten, ist fraglich. Denn mehr Respekt und Wertschätzung erwächst aus Bildung und Erziehung. Und die sind nicht so billig zu haben, wie ein geändertes Gesetz.
Kabinett beschließt höhere Strafandrohung für Gewalt gegen Polizei- und Vollstreckungsbeamte
„Polizisten und Rettungskräfte werden künftig besser geschützt. Ein Angriff auf Vollstreckungsbeamte im Dienst richtet sich gegen sie als Repräsentanten der staatlichen Gewalt. Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf beschlossen, der die Strafen für Angreifer verschärft.“ So beginnt die heutige Pressemitteilung der Bundesregierung [1]. Ob aus dieser Behauptung in Zukunft tatsächlich „mehr Schutz“ wird, ist allerdings längst nicht gesichert: Selbst Rainer Wendt, ein unermüdlicher Scharfmacher in dieser Angelegenheit, musste in einer Talkshow einräumen, dass Täter vor einem Angriff auf Polizeibeamte in der Regel nicht im Strafgesetzbuch nachschlagen.
Polizeigewerkschafter Wendt reicht das noch immer nicht
Apropos Wendt: Er verlangt heute [2] „noch härtere Strafen“ für Angreifer. Begründung?! „Die Respektlosigkeit und Verachtung gegenüber öffentlich Beschäftigten insgesamt“ werde durch das Gesetz nicht gelöst. Da mag er Recht haben, der Herr Wendt. Fragt sich nur, welches Gesetz dieses Wunder vollbringen könnte. Aber Wendt weiß Rat: Jetzt müsse „die Justiz daraus harte Urteile machen, damit die Wirkung nicht verfehlt wird“.
Respekt entsteht nicht durch Drohungen
Respekt entsteht nicht durch Drohungen. Unter dieser Überschrift hat Tobias Singelnstein, Jurist und Kriminologe, zur geplanten Strafverschärfung Stellung bezogen [3]: „Das nützt niemandem“. Der geplante neue Tatbestand, vermutet er, kann ein „symbolisches Signal an die Polizeigewerkschaften“ sein. Die Entfremdung zwischen Polizei und Bürgern werde dadurch nicht durchbrochen, sondern verschärft. Ein besonderer strafrechtlicher Schutz der Polizei sei ein „Privileg, das man sonst eher in autoritären Staaten findet“.
Der Paragraph sollte ursprünglich den Täter schützen
Und auch Thomas Fischer, der ob und nach seiner Teilnahme bei ‚Maischberger‘ offensichtlich sehr gescholtene, nichts desto trotz dennoch extrem kompetente Bundesrichter wagt es, trotz seiner Erfahrungen in der Talkshow, schon wieder etwas zum Thema zu sagen [4]: „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (Paragraph 113 StGB) ist ein Tatbestand, der ursprünglich den Täter privilegieren sollte, der sich einer emotional meist aufgewühlten Situation einer (meist bewaffneten und überlegenen) „Staatsmacht“ gegenüber sieht und in Erregung, Angst, Wut überreagiert. Darüber denkt heute kaum noch jemand ernsthaft nach. Die aktuelle Debatte dreht diesen Ursprung vielmehr einfach um und behauptet, Polizisten und andere Vollstreckungsorgane seien „besonders“ schutzwürdig, besondere Opfer. Das ist, als wolle man die Beleidigung von Abgeordneten mit einer besonders hohen Strafe bedrohen, weil sie für den Erlass von Strafgesetzen zuständig sind. Oder den Richtern einen Sonderstatus als ganz besonders wichtige Opfer zugestehen, wenn sie beschimpft oder bedroht werden.“
Respekt erwächst aus Erziehung und Bildung – die kostet aber Geld!
Wendt hat übrigens noch etwas gesagt, das man nur voll unterstützen kann: Es seien erheblich größere Anstrengungen, „etwa für bessere Erziehung und Wertevermittlung“ nötig. Das würde allerdings richtig Geld kosten: Um Schulen zu sanieren oder mehr Lehrer einzustellen. Da ist es dann doch wesentlich billiger für den Staatshaushalt, weiter am Strafgesetzbuch herumzuschrauben und „besseren Schutz“ zu behaupten. Und im Übrigen stur an Schuldenbremse und dem Konzept der Schwarzen Null festzuhalten.
Quellen
[1] Neuer Straftatbestand: Besserer Schutz für Vollstreckungsbeamte, 08.02.2017, Bundesregierung
http://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/%C2%A7113.html?nn=6704238
http://www.wp.de/politik/polizeigewerkschaft-will-noch-haertere-strafen-fuer-angreifer-id209538947.html
[3] Respekt entsteht nicht durch Drohungen, 02.02.2017, Süddeutsche Zeitung
http://www.sueddeutsche.de/politik/2.220/aussenansicht-respekt-entsteht-nicht-durch-drohungen-1.3360909
[4] Wir Prügelknaben, 08.02.2017, Zeit Online
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-02/polizei-wir-pruegelknaben-fischer-im-recht
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