Teil 2: Die Forderungen der künftigen Bundesregierung an uns Bürger
Es geht um den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung: Nachdem wir uns im ersten Teil dieser Miniserie zum Missverständnis Innere Sicherheit das Thema aus Sicht des „normalen Bürgers“ angesehen hatten, steht hier nun die Sichtweise der künftigen Bundesregierung der 21. Wahlperiode im Scheinwerferlicht.
Was uns Bürger angeht, ist es vor allem ein Katalog von Forderungen: Von Rechten, die wir im Hinblick auf „multiple Bedrohungen von außen und innen“ aufgeben müssten von einer Veränderung unserer Haltung zu „mehr Resilienz“ und Entwicklung eines neuen „Bewusstseins für Selbstschutz“.
Die angekündigte „Zeitenwende in der Inneren Sicherheit“
Bereits in Satz 1 wird eine „Zeitenwende“ angekündigt in der Inneren Sicherheit, um damit den „multiplen Bedrohungen von außen und innen“ zu begegnen.
Von mehr Sicherheit vor den multiplen Angriffen auf Leib und Leben bzw. Eigentum der Bürger findet sich dagegen nichts. Die angekündigte Zeitenwende ist vielmehr ein Salto fatale zurück in die schwarze Vergangenheit und insofern Schönfärberei. Da wird nichts besser, sondern ganz im Gegenteil kommen wieder die Instrumente aufs Tapet, an deren Rechtssetzung vor allem CSU-Innenminister schon seit zwei Jahrzehnten arbeiten (, was die nicht unerheblichen Beiträge von Otto Schily und Nancy Faeser von der SPD nicht schmälern soll): Es geht also wieder um Vorratsdatenspeicherung, diesmal von IP-Adressen und Portnummern zur Überwachung der Internet-Nutzung, um Quellen-TKÜ (Abschöpfen am Endgerät), Online-Durchsuchung oder akustische Wohnraumüberwachung.
Das alles wird jetzt neu aufgetischt, verziert durch Formulierungen wie „verhältnismäßig und europa- und verfassungsrechtskonform“ (Z 2630) …, „unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben …“ (Z 2634), oder „grundlegende, verfassungskonforme, systematische Novellierung der Nachrichtendienste des Bundes“ (Z 2654f)“ u. ä.
Wir dürfen also die nächste Runde erwarten im sattsam bekannten Modus-Operandi der schwarz-roten Koalition, der darin besteht, einen klar über die Grenzen des verfassungsrechtlich zulässigen (weit) hinausgehenden Gesetzentwurf vorzulegen, der in Kraft tritt und jahrelang genutzt werden kann, bevor dann – Jahre später – das Bundesverfassungsgericht die Grenzen wieder etwas enger zieht. Aber – semper aliquid haeret – auch bei diesem Vorgehen werden in kleinen Schritten Fortschritte erzielt und Grundrechte immer mehr geschleift.
Unverblümte Ankündigung von weiteren (Grund-) Rechtsbeschränkungen
Ein Werben um Vertrauen oder Zustimmung zu den geplanten Grund- und anderen Rechtsbeschränkungen hielt man im Übrigen gar nicht mehr für nötig: Da soll ein „Höchstmaß an Sicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger gewährleistet“ werden, wofür die ihre datenschutzrechtlichen Ansprüche den (neuen) sicherheitspolitischen Erfordernissen unterzuordnen haben (Z 2623ff). Weitere Erläuterungen, wie und womit dieses „Höchstmaß“ errungen werden wird, sucht man vergeblich.
Ganz selbstverständlich wird ein „Datenaustausch“ angekündigt zwischen „den Sicherheitsbehörden (also auch den Nachrichtendiensten) mit zivilen Behörden“ (Z. 2640f).
Verbesserungsbedarf gibt es offenbar an der „nationalen Souveränität“, was ja eine an sich sehr zustimmungsfähige Aussage ist, wie vor rund zwölf Jahren nach den Enthüllungen von Edward Snowden schon einmal kurzzeitig öffentlich thematisiert wurde. Jetzt soll dieses Ziel erreicht werden durch Novellierung des Rechts der Nachrichtendienste und Schaffung von „Rahmenbedingungen für einen effektiven und effizienten Datenaustausch zwischen den Diensten und anderen Behörden …“ (Z 2654ff). Wir sind im Zweifel, ob dies der richtige Weg ist, um mehr nationale Souveränität der Bundesrepublik Deutschland zu erreichen.
Hammerhart dann das Vorhaben, einer „vollständigen Beweislastumkehr beim Einziehen von Vermögen unklarer Herkunft“ (Z 2662). Dies steht da ohne jede Einschränkung oder Präzisierung, lediglich verknüpft mit der Absichtserklärung, den „Kampf gegen Organisierte, Banden- und Clankriminalität“ zu verschärfen. Dazu gäbe es in der Tat Anlass, wie wir auf diesem Blog schon mehrfach berichtet hatten im Hinblick auf die erschütternd geringen Aktivitäten und Erfolge der Polizeibehörden, gerade gegen OK.
Hier gäbe es also viel zu tun, wie auch hochrangige italienische Staatsanwälte immer wieder konstatierten, die Deutschland als Rückzugsraum und Geldwäscheparadies von italienischen Mafia-Gliederungen bezeichneten. Doch die künftige Bundesregierung holt sich lieber mehr Geld aus allen möglichen Quellen – deren Herkunft nach die Behörden lediglich für ihnen unbekannt erklären müssen – und verkleidet dieses Vorhaben mit der Fahne des Kriegs gegen OK & Co.
Wir kennen auch diesen Modus Operandi schon aus früheren Zeiten. Da wurde jahrelang nach der Vorratsdatenspeicherung verlangt, weil sie angeblich das unabdingbare Werkzeug sei bei der Ermittlung von Kinderpornografie. Jetzt wird nach dem gleichen Verfahren, die OK und Banden-/Clankriminalität angeführt, um sich ein extrem scharfes, universell einsetzbares Schwert zu verschaffen: Nämlich Vermögen (von natürlichen und juristischen Personen) einzuziehen, von dem eine Behörde (ohne irgendeinen Beweis vorlegen zu müssen) eine „unklare Herkunft“ behauptet. Soll doch der Besitzer dieses Geldes dann schauen, wie und wann er den Beweis für die Herkunft erbringt und wieviel, wenn er es geschafft haben sollte, von seinem Vermögen noch übrig ist.
Schaffung eines Ausnahmezustands im Vorfeld des Spannungs- bzw. Verteidigungsfalles
Die Rechtslage in der Zivilen Verteidigung“ soll verändert werden, um „Handlungsfähigkeit bereits vor dem Spannungs- oder Verteidigungsfall“ zu ermöglichen“ (Z 2693f). Beides sind verfassungsrechtlich definierte Ausnahmezustände nach dem Grundgesetz mit hohen rechtlichen Konsequenzen:
- Spannungsfall – Art. 80a GG: Er wird vom Bundestag festgestellt, wenn der Verteidigungsfall möglich, aber noch nicht eingetreten ist. Eine Art „Alarmstufe Orange“. Dient der Vorbereitung auf militärische Angriffe.
- Verteidigungsfall – Art. 115a GG: Wird festgestellt, wenn das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht. Aktiviert das sogenannte Notstandsverfassungsrecht, inklusive Eingriffe in Grundrechte, besondere Vollmachten für Exekutive und Militär und bei Ausfall der Beschlussfähigkeit des Bundestages Gesetzgebung durch den Gemeinsamen Ausschuss (Art. 115e GG)
Beide erfordern Zwei-Drittel-Mehrheiten der abgegebenen Stimmen im Bundestag, das entspräche 420 der 630 Sitze, wovon allerdings CDU/CSU und SPD mit zusammen mit 328 Sitzen ein ganzes Stück entfernt sind.
Ein neu eingeführter Ausnahmezustand mit gelockerten Mehrheitsanforderungen würde es erlauben, die von deren Politik so dringend notwendig erachteten Kriegsvorbereitungen weiter voranzutreiben.
Demokratische Resilienz und die Zementierung der „Brandmauer“
Mit „Vereinen und Verbänden, die … bzw. deren Mitglieder … „ „von Verfassungsschutzämtern beobachtet werden, wird es keine Zusammenarbeit geben.“ Dieses Treueversprechen geben sich der Koalitionäre hier öffentlich, vergleichbar mit einem Ehegelöbnis. Doch es geht noch weiter: Eingeführt wird ferner „eine Pflicht zur Offenlegung der Finanzierung dieser Vereine und Verbände und deren Überwachung“.(Z 2721ff)
Der gerade erwähnte Absatz findet sich in dem mit Abstand längsten Textabschnitt, der unter der Überschrift „Demokratische Resilienz“ steht (ab Z 2705ff).
„Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Funktionsfähigkeit unseres Staates ist ein Grundpfeiler unserer Demokratie. Die Koalitionsparteien sind sich ihrer diesbezüglichen Verantwortung bewusst.“ (Z 2705-2707). Möglicherweise waren sie sich bei Verabschiedung dieser Floskeln allerdings nicht darüber bewusst, wie widersprüchlich diese Einleitung und kurz darauf der Schwur auf die Brandmauer von vielen Bürgern tatsächlich empfunden wird.
Und, da wir schon über Resilienz sprachen: Auch wir Bürger kriegen den Stempel als dringend behandlungsbedürftig aufgedrückt. Denn „Deutschland und seine Bevölkerung“ müssen „resilienter gemacht werden (sic!)“ gegen jede Form von hybrider und konventioneller Bedrohung“ (Z 2672).
Wenn man dann resilienter gemacht worden ist und brav den Katechismus verinnerlicht hat mit dem Titel „Pakt für den Bevölkerungsschutz“ (Z 2690) wird man als folgsame Bürgerin oder Bürger wohl hoffentlich auch ein besseres „Bewusstsein für Selbstschutz“ entwickelt haben (Z 2691).
Denn der rechte Glaube, sagt ja ein altes Sprichwort, kann Berge versetzen: Was im Ausnahme-, Spannungs- oder Verteidigungsfall sicher von Nutzen sein und die dann notwendige resiliente Einstellung verleihen wird.
Teil 1: Die Vorstellungen des „normalen Bürgers“ über Innere Sicherheit
(C) 2025 CIVES Redaktionsbüro GmbH
Sämtliche Urheber- und Nutzungsrechte an diesem Artikel liegen bei der CIVES Redaktionsbüro GmbH bzw. bei dem bzw. den namentlich benannten Autor(en). Links von anderen Seiten auf diesen Artikel, sowie die Übernahme des Titels und eines kurzen Textanreißers auf andere Seiten sind zulässig, unter der Voraussetzung der korrekten Angabe der Quelle und des/der Namen des bzw. der Autoren. Eine vollständige Übernahme dieses Artikels auf andere Seiten bzw. in andere Publikationen, sowie jegliche Bearbeitung und Veröffentlichung des so bearbeiteten Textes ohne unsere vorherige schriftliche Zustimmung ist dagegen ausdrücklich untersagt.