Autorin: Christiane Schulzki-Haddouti
Im Jahr 2016 ist laut Polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) [1] die Zahl der Wohnungseinbruchdiebstähle zurückgegangen, die Aufklärungsquote hat sich mit 16,9 Prozent etwas verbessert. Auch die Zahl der Abgeurteilten hat sich laut Strafverfolgungsstatistik [2] leicht erhöht. Alles ein Ergebnis erfolgreicher Präventionsarbeit, wie es der Bericht der Innenministerkonferenz suggeriert?
Mission accomplished?
Die Entwicklung des Wohnungseinbruchdiebstahls gehörte im letzten Jahr zum Top-Thema, als Bundesinnenminister Thomas de Maizière die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für 2015 vorstellte. Dabei wies er auf die niedrige Aufklärungsquote von 15,2 Prozent in Sachen ‚Hab und Gut‘ [3] hin und auf die seit Jahren wachsenden Fallzahlen.
Einfach wird es nicht sein, diesen Trend umzukehren. Gelingt es der Polizei im aktuellen Jahr nicht, das Thema entschlossener anzugehen, könnte sich der seit 2008 ungebremste Anstieg der Fälle durchaus fortsetzen. Die Zeitreihen der PKS zeigen, dass in den letzten 25 Jahren die Zahl der Wohnungseinbrüche Mitte der 1990er mit rund 227.000 Fällen schon erheblich höher war. Nach einem leichten Rückgang im Jahr 1994 kam es zu einer weiteren Steigerung im Folgejahr, bis mit 106.000 Fällen im Jahr 2006 ein kurzfristiger Tiefpunkt erreicht wurde. Eine kurzfriste Erholung, wie sie die PKS jetzt für das Jahr 2016 zeigt, muss also noch keine Trendumkehr bedeuten.
Ein Blick auf verwandte Delikte wie den Tageswohnungseinbruchdiebstahl, sowie auf den schweren Diebstahl aus Boden-, Kellerräumen und Waschküchen, sowie aus überwiegend unbezogenen Neu- und Rohbauten, Baubuden und Baustellen zeigt, dass diese Delikte außerdem den Trend im Wohnungseinbruchdiebstahl regelmäßig aufnehmen und sogar noch leicht verstärken.
Schäden durch Wohnungseinbruch
Dabei verursachen die Einbruchdiebstähle rund um Wohnimmobilien erhebliche Schäden: Allein im letzten Jahr beliefen sie sich auf knapp 400 Mio. Euro, bei Tageswohnungseinbrüchen waren es 170 Mio. Euro.
Tatverdächtige
Sieht man sich die Zahlen allein für das Delikt des Wohnungseinbruchdiebstahls näher an, zeigt sich überdies ein neuer Trend: Der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen nimmt seit 2007 deutlich zu. Diese Entwicklung konnte auch 2016 nicht gestoppt werden: 43 Prozent der Einbrecher stammen inzwischen aus dem Ausland, wobei es sich laut Bundesinnenministerium um reisende Tätergruppen aus Südost- und Osteuropa handelt. [3] Wie ein Bericht der Süddeutschen Zeitung über einen polnischen Profi-Einbrecher dieser Tage zeigte, stoßen diese meist auf ungesicherte Häuser, wobei vor allem die mangelnde Aufmerksamkeit der Nachbarn taterleichternd wirkt. [4]
Die erhöhte Zahl könnte aber auch darauf zurückzuführen sein, dass die Polizei sich auf das Aufspüren dieser Tätergruppen im vergangenen Jahr konzentriert hat – ganz so, wie es die Innenminister angekündigt hatten. Über das tatsächliche Geschehen würde die Zahl dann angesichts der zugegebenermaßen geringen Aufklärungsquote eher nichts aussagen. Sie wäre eher dem Phänomenbereich der selbsterfüllenden Prophezeiung zuzurechnen – und damit ein willkommenes Argumentationsmaterial für die politische Diskussion (Siehe dazu auch [C] und [D]).
Schwankende Aufklärungsquote weist auf organisierte Banden – und personelle Auslastung der Polizei hin
Fallzahlen
Der Rückgang der Fälle im Jahr 2016 mag möglicherweise, wie die IMK-Fassung der PKS 2016 [5] suggeriert, auf Präventionskampagnen wie K-EINBRUCH [6] oder auf die Youtube-Kurzfilmreihe ‚Die Elster‘ [7] zurückzuführen sein. Diese setzen darauf, dass die Bürger sich sicherheitsbewusster verhalten und mit technischen Maßnahmen für einen Einbruchschutz sorgen.
Dieses Argument könnte die Leser der IMK-Fassung der PKS 2016 [5] überzeugen, da sie meist mit Verweis auf die Vorjahreszahlen argumentiert. Gleichwohl legen die Zahlen der PKS aus den letzten 25 Jahren nahe, dass die Aufklärungsquote auch mit der personellen Auslastung der Polizei zusammenhängen kann. Denn die Aufklärungsquoten entwickeln sich regelmäßig gegenläufig zu den Fallzahlen: Je mehr Fälle es gibt, desto eher sinkt die Aufklärungsquote – und umgekehrt: Je weniger Fälle es gibt, desto eher steigt die Aufklärungsquote.
Obgleich die Zahl der Fälle in den letzten Jahren enorm angestiegen ist, blieben die Zahlen der Tatverdächtigen laut PKS, sowie der Abgeurteilten laut Strafverfolgungsstatistik des Statistischen Bundesamts [2] einigermaßen stabil. Dies weist darauf hin, dass Sicherheitsbehörden und Justiz nur eine bestimmte Anzahl von Fällen bewältigen können. Gleichwohl zeigt sich über die Jahre, dass zunehmend mehr Tatverdächtige verurteilt werden: Kamen 2004 noch 7,9 Tatverdächtige auf einen Abgeurteilten, waren es 2015 nur noch 5,2 Tatverdächtige. [a]
Eine mögliche alternative Erklärung für die stabilen Tatverdächtigen-Zahlen könnte darin liegen, dass die Einbrüche zunehmend bandenmäßig organisiert werden, was die Gesamtzahl der Tatverdächtigen auf einem niedrigen Niveau halten könnte. Unterstützt werden könnte diese These von der auffällig gestiegenen Zahl der nicht-deutschen Täter, die sich bandenmäßig organisieren. Doch auch hier muss erneut auf die extrem niedrige Aufklärungsquote hingewiesen werden, die einer solchen Interpretation Grenzen setzt.
Erhebliche Unterschiede im Ländervergleich
Polizeiarbeit ist Ländersache – in der Tat: Ein Ländervergleich der Fallzahlen, wie sie im IMK-Bericht [5 angegeben sind, zeigt eklatante Unterschiede in den Fallzahlen im Wohnungseinbruchdiebstahl: Während Thüringen auf 46 und Bayern auf 49 Fälle pro 100.000 Einwohner kommen, sind es in den Einbruchhochburgen Hamburg 417 und Bremen gar 508 Fälle – also rund 10-mal so viel. Schleswig-Holstein mit 268 und Nordrhein-Westfalen mit 291 Fällen sind die Flächenländern mit der höchsten Falldichte. Aus Nordrhein-Westfalen ist außerdem bekannt, dass die Polizei zunehmend Funkzellenabfragen einsetzt, um in Fällen von bandenmäßig organisierten Wohnungseinbrüchen zu ermitteln. [8]
Zusammenhang mit Personalausstattung der Polizei?!
Stellt sich die abschließende Frage, ob sich der Abbau beziehungsweise Aufbau des Polizeipersonals in den Ländern in direkter Beziehung zu dieser Entwicklung steht. Aus dem statistischen Zahlenmaterial lässt sich dies jedoch nicht herauslesen. Ginge man davon aus, dass die Personalausstattung der Länderpolizei insgesamt sich direkt auf die Fallzahlen niederschlagen müsste, so müsste beispielsweise das Saarland eine ähnlich niedrige Fallzahl wie Thüringen aufweisen – zumal der Personalabbau in den letzten zehn Jahren ähnlich stark war. Die Fallzahlen im Saarland sind aber etwa viermal so hoch, was auch durch die Grenzlage des Saarlandes zu Luxemburg und Frankreich begründet sein kann.
Anmerkung
[a] Der im Februar 2017 vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte Band „Statistik Strafverfolgung“ bezieht sich, anders als die PKS, nicht auf das Vorjahr, sondern auf das Vorvorjahr. Zahlen zu 2016 sind also erst Anfang 2018 zu erwarten, womit ein direkter Vergleich immer nur zeitverzögert möglich ist.Quellen
[1] Polizeiliche Kriminalstatistik, Bundeskriminalamt, IM-Berichtsfassunghttps://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/PolizeilicheKriminalstatistik/pks_node.html
[2] Statistik Strafverfolgung, Fachserie / 10 / 3 des Statistischen Bundesamts
https://www.destatis.de/GPStatistik/receive/DESerie_serie_00000107;jsessionid=5163DFF88883AEFEF2AAE0B278775DD8
[3 Bundesministerium des Inneren, Polizeiliche Kriminalstatistik und Fallzahlen Politisch Motivierte Kriminalität 2015 vorgestellt, 23.05.2016, Pressemitteilung
https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2016/05/pks-und-pmk-2015.html
[4] Ein Einbrecher erzählt: Im Schlafzimmer ist das Geld versteckt, 01.05.2017, Süddeutsche Zeitung
http://www.sueddeutsche.de/panorama/ein-einbrecher-erzaehlt-im-schlafzimmer-ist-das-geld-versteckt-1.3485083?reduced=true
[5] IMK-Bericht zur PKS 2016 (Download-Link)
https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/PolizeilicheKriminalstatistik/2016/pks2016ImkBericht.pdf?__blob=publicationFile&v=5
[6] Präventionskampagne K-EINBRUCH
http://k-einbruch.de
[7] Kurzfilmreihe “Die Elster”, Youtube
https://www.youtube.com/playlist?list=PLgRmN1y2qM10QNzLkRpDwLRKGzkR2Urnd
[8] Auskunftsersuchen nach § 112 TKG – statistisch aufgebohrt, 14.03.2017, CIVES
http://cives.de/auskunftsersuchen-nach-%C2%A7-112-tkg-statistisch-aufgebohrt-4655
[9] Polizei: Personalabbau im Osten, Zuwächse in einigen westlichen Flächenländern, 29.06.2016, Statistisches Bundesamt
https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/ImFokus/OeffentlicheFinanzenSteuern/PersonalPolizei.html
[10] Vollzeitäquivalent der Beschäftigten im Aufgabenbereich Polizei in den Kernhaushalten des Bundes und der Länder, 30. Juni, Statistisches Bundesamt
https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/OeffentlicheFinanzenSteuern/OeffentlicherDienst/Personal/Tabellen/BeschaeftigtenPolizei.html;jsessionid=152523DCF88EA4AFFA7C2167A07DA0EB.cae3
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[B] Wohnungseinbrüche: Union zieht SPD über den Tisch, 30.03.2017, POLICE-IT
https://police-it.net/wohnungseinbrueche-union-zieht-spd-ueber-den-tisch
[C] Papiertiger! Die Beschlüsse der Innenminister zum Wohnungseinbruchsdiebstahl, 16.12.2016, CIVES
http://cives.de/papiertiger-die-beschluesse-der-innenminister-zum-wohnungseinbruchsdiebstahl-4044
[D] Visafreiheit für Georgien und die Polizeiliche Kriminalstatistik, 30.08.2016, CIVES
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