Bedingt pressefrei …

Die Presseabteilung mancher Polizeibehörde ähnelt einer verschlossenen Auster. Kaum kriegt sie eine nicht genehme Anfrage, schon macht sie dicht … Einschlägig aufgefallen sind in den letzten Wochen das Polizeipräsidium Brandenburg, das LKA Thüringen und das Bayerische LKA. | Lesedauer: Ca. 5 Minuten

Polizei Brandenburg: Im Ermittlungsverfahren gegen „eines der größten Neonazi-Netzwerke“ reichen die Beweise nicht aus! Oder fehlen doch eher die Daten?!

Der Sachverhalt

Welt Online und der Tagesspiegel berichteten am 16.2.: Die Ermittlungen gegen eines der größten mutmaßlichen Neonazi-Netzwerke Deutschlands wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung wurden eingestellt. Die Beweise reichten nicht aus. Das sei für die Ermittler eine Blamage.

Meine Presseanfragen und Reaktionen darauf

18.01.2022, 07:45 Uhr ? Erste Anfrage bei der Pressestelle der Polizeidirektion Süd in Cottbus

Ermittlungen von Netzwerkstrukturen erfordern nach meinem Verständnis die Erhebung von vielen Einzelinformationen über Personen, Organisation, Adressen, Vorgänge/Ereignisse/Maßnahmen usw.
Die über Jahre „zusammengetragen“, also in einem geeigneten Informationssystem gespeichert und deren Strukturen mit Hilfe geeigneter Auswertungsprogramme analysiert und dargestellt werden müssen.
Die Brandenburger Polizei und ihre kriminalpolizeilichen Fachdienststellen hat dafür, wie der einschlägigen Fachpresse zu entnehmen ist, in den letzten Jahren verschiedene Informationssysteme eingesetzt, angefangen von KEV/Polygon, über Crime bis nun zum einheitlichen Fallbearbeitungssystem (eFBS):
Dies vorausgeschickt, stellen sich zwei generelle Fragen, gerade im Hinblick auf die aktuellen Medienberichte (z.B. in Welt/16.02. bzw. Tagesspiegel/16.02.) über die Einstellung eines komplexen Ermittlungsverfahrens wegen „fehlender Beweise“.
Wurden eigentlich die relevanten Informationen über Netzwerke, die seit Jahren unter polizeilicher Beobachtung standen bzw. zu denen komplexe Ermittlungsverfahren geführt wurden, jeweils vom einen auf das nächste Informationssystem vollständig weitergegeben, fachlich ausgedrückt „migriert“?

  1. Wenn ja: In vollem Umfang oder nur in Teilen und, wenn so, in welchen Teilen?
  2. Wenn nein: Wie kann über einen längeren Zeitraum ein Gesamtüberblick über die Aktivitäten und Entwicklung solcher Netzwerke gewonnen werden, wenn dies nicht erfolgt ist?

! Antwort der Pressestelle des Landespolizeipräsidiums in Potsdam um 08:57

„Die Pressehoheit in dem benannten Verfahren liegt bei der Staatsanwaltschaft in Cottbus. Bitte wenden Sie sich mit Ihrer Anfrage an die dortige Pressestelle.“

? Anfrage bei der Staatsanwaltschaft Cottbus am 18.2.2022 um 09:40

[Ich erwarte, dass die StA mir mitteilen wird, dass sie für Fragen nach polizeilichen Informationssystemen nicht zuständig ist.] Aber – man soll ja nichts unversucht lassen: Ich habe die wortgleiche Anfrage also auch dorthin geschickt.

? Nachfrage 1 an die Pressestelle des LPP um 09:47 Uhr

vielen Dank für Ihre prompte Antwort.
meine Frage betrifft gar nicht explizit die Verfahren in Cottbus, die Gegenstand der Einstellung durch die Staatsanwaltschaft waren.
Diese bildeten nur den Auslöser für die aufgeworfenen, generellen Fragen. Die sich sowohl für Ermittlungen und polizeiliche Präventivmaßnahmen im Bereich des Staatsschutzes stellen, als auch z.B. im Bereich von Organisierter Kriminalität, Rockerkriminalität oder BTM-Delikten. Insofern halte ich meine Anfrage mit dieser Präzisierung ausdrücklich aufrecht und bin Ihnen für eine zeitnahe Beantwortung sehr dankbar.

! Um 11.09 Uhr wurde es förmlich: Aufforderung zur Vorlage des Nachweises meiner „journalistischen Tätigkeit“

insofern Sie allgemeine Fragen zur Nutzung von polizeilichen Informationssystemen haben, bitte ich Sie einen entsprechenden Nachweis für Ihre journalistische Tätigkeit zu übersenden. Sollte es sich um eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz handeln, leite ich diese gern an die zuständige Stelle weiter.

? Vorlage des formellen Nachweises um 11.33 Uhr

den Nachweis für meine journalistische Tätigkeit seit 2013 können Sie gerne der Webseite Police-it.net entnehmen. Schwerpunktthema dieser Seite sind Polizei und ihre Informationssysteme. Im Impressum finden Sie die Angaben zum Cives Redaktionsbüro GmbH, dessen Geschäftsführerin ich bin.
Meinen aktuellen Presseausweis füge ich in der Anlage bei, den Sie bitte NUR zur Beantwortung Ihrer Anfrage und nicht für andere Zwecke verwenden bzw. weitergeben wollen.
Weil es sich um eine PRESSEANFRAGE handelt, hatte ich dieses Wort in der Betreffzeile angegeben.

Was ich daraus gelernt habe?

Meine Anfrage hat anscheinend einen wunden Punkt getroffen …

Polizei Thüringen: Vergabeverfahren für – unklar -, Entscheidung darüber – zunächst auch unklar –

Der Sachverhalt

Auf der Vergabeplattform der EU-Kommission findet sich eine AuftragsBEKANNTMACHUNG der Landespolizeidirektion (LPD) der Polizei Thüringen und zwar vom 21.02.2021 (kein Schreibfehler). Die Veröffentlichung einer Entscheidung über die AuftragsVERGABE fehlt.

? Die Presseanfrage vom 16.01.2022

„Das Projekt PIAV TH Stufen 5-7 ist mit der Realisierung der Anforderungen der 5.-7. Stufen des Programms PIAV-Bund betraut. Hierzu sind zahlreiche technische Dienstleistungen, Anpassungen und Beschaffungen zur Weiterentwicklung der Landessysteme und der Schnittstellen zu zentralen Verfahren notwendig. …“

  1. Wann und an welchen Auftragnehmer wurde der Auftrag vergeben? und wann und wo ist die (vorgeschriebene) Vergabebekanntmachung veröffentlicht?
  2. Warum, von wem und auf welcher Rechtsgrundlage ist eine thüringische Landesbehörde „mit der Realisierung der Anforderungen der 5.-7. Stufen des Programms PIAV-Bund betraut“?
  3. Betrifft dieser Auftrag Dienstleistungen für das thüringische Landessystem für die Stufen 5 – 7 des PIAV? Welches IT-System (z.B. Fall- oder Vorgangsbearbeitunggssystem) wird (ganz generell) für die Anbindung an das Bund-Länder-Verbundsystem PIAV in Thüringen eingesetzt?

Zeitablauf bis zur Antwort

16.01.2022: ? Anfrage

27.01.2022: ? Erste Nachfrage: Wann können wir mit einer Antwort rechnen?

27.01.2022: ! Antwort der Pressestelle der LPD: Anfrage wurde „zuständigkeitshalber“ an das LKA weitergegeben.

27.01.2022: ! Antwort der Pressesprecherin des LKA Thüringen:

  1. Die Vergabe wurde veröffentlicht! [Sie vergass allerdings zu erwähnen, dass die Veröffentlichung einer Auftragsvergabe vom 19.03.2021 erst am 21.01.2022 (sic!) refolgte, also fünf Tage NACH meiner Presseanfrage veröffentlicht wurde.] Die Vergaberichtlinien sieht dafür 30 Tage nach Auftragsvergabe vor.
  2. Auftrag betrifft „Dienstleistungen zur Unterstützung der Ertüchtigung der Landessysteme der Thüringer Polizei für die Datenanlieferung an die Ausbaustufen 5 bis 7 des Polizeilichen Informations- und Analyseverbundes (PIAV).“

28.01.2022: ? Zweite Nachfrage – an die Pressestelle des LKA

Ausgeschrieben war die „Dienstleistung des Projektcontrollings und Risikomanagements im Projekt PIAV TH Stufen 5-7 im Rahmen der Realisierung des Programms PIAV Bund.“ Und nicht, wie jetzt angegeben, Dienstleistungen zur „Unterstützung der Ertüchtigung der Landessysteme … für die Datenanlieferung an PIAV Stufen 5-7“. Wie erklärt sich dieser Widerspruch?

04.02.2022: ? Dritte Nachfrage – an die Pressestelle des LKA

Wann können wir mit einer Antwort rechnen?

04.02.2022: ! 35 Minuten später von der Pressestelle des LKA
Sie werden nächste Woche eine Antwort erhalten.

10.02.2022: ! Antwort der Pressestelle des LKA

  1. Richtig! Die Vergabebekanntmachung ist „aufgrund eines Büroversehens verspätet“ erfolgt [war fällig am 19.4.2021, wurde veröffentlicht am 21.1.2021]. Das „konnte keine weitere Auswirkungen entfalten“, da ja ohnehin nur ein Bieter angetreten ist. Also mussten keine unterlegenen Bieter informiert werden. [Diese Ausnahme ist in der Vergaberichtlinie nicht vorgesehen …]
  2. Auftragsgegenstand ist „Dienstleistung des Projektcontrollings und Risikomanagements im Projekt PIAV TH Stufen 5-7 im Rahmen der Realisierung des Programms PIAV Bund …“
    Projektcontrolling und Risikomanagement unterstützen insbesondere die Projektleitung des Projekts PIAV-TH in der Führung des Thüringer Landesprojekts und in der Umsetzung der Projektziele. Die Ertüchtigung der Landessysteme der Thüringer Polizei für die Erfüllung der Anforderungen der Ausbaustufen 5 bis 7 des Polizeilichen Informations- und Analyseverbundes (PIAV) ist eines dieser definierten Projektziele.

Was ich daraus gelernt habe?

Die Entwicklung von Schnittstellen von FINDUS nach PIAV (Stufen 5-7) überlasst man in Thüringen am besten gleich von Anfang an dem Projektcontrolling und Risikomanagement. Das kostet zwar 635.160 Euro, ist dann aber doch noch günstiger als der ursprünglich veranschlagte Gesamtwert des Auftrags mit 882.352 Euro oder – in Kurzfassung: Es ist doch gut, wenn man von Anfang an das Projektcontrolling einschaltet …

Bayerisches Landeskriminalamt: Status im Vergabeverfahren VeRA – verfahrensübergreifende Recherche und Analyse

Vorgeschichte / Sachverhalt

VeRA – die verfahrensübergreifende Recherche- und Analyseplattform startete 2019 still und leise: In Gestalt einer „unverbindlichen“ Marktsichtung des Bayerischen Landeskriminalamts. Ein Jahr später waren noch keine Ergebnisse spruchreif. Im Hintergrund jedoch liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren.
Anfang 2021 war es dann soweit: Wieder war es das Bayerische LKA, das im Januar 2021 einen Teilnahmewettbewerb veröffentlichte. Zur Beschaffung eines „markterprobten Systems (Standardsoftware)“ von einem Anbieter,

  • der mindestens eine Referenz in einer deutschen Behörde oder Organisation mit Sicherheitsaufgaben vorweisen kann, die dort „mängelfrei abgenommen“ und im Wirkbetrieb ist und durch mindestens 100 Benutzer genutzt wird;
  • der in den letzten drei Jahren mindestens im Durchschnitt 5 Millionen Euro Umsatz pro Jahr erzielt hat und
  • der über eine ausreichende Personalkapazität (mindestens 50 Mitarbeiter in den letzten drei Jahren im Durchschnitt) und insbesondere in der Technik und dem Kundensupport verfügt.

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Die Presseanfrage vom 16.01.2022

Schon seit 2019 lief eine Marktsichtung des Bayerischen LKA: Die VergabeBEKANNTMACHUNG für die Verfahrensübergreifende Recherche- und Analyseplattform (VeRA) wurde im Januar 2021 ein Jahr alt. Dies vorausgeschickt, hatte ich am 16.01.2022 angefragt

  1. ob bereits eine Entscheidung gefallen ist und
  2. wenn ja, wo eine entsprechende Vergabebekanntmachung zu finden ist,
  3. bzw. wann mit einer solchen Entscheidung gerechnet wird.

Die Antwort vom 20.01.2022

aufgrund des noch laufenden Vergabe- und Prüfverfahrens ist es uns nicht möglich Auskünfte hierzu zu erteilen.
Wir bitten um Ihr Verständnis.

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