Geldwäsche und ihre Bekämpfung in Deutschland ist der Themenschwerpunkt dieser Ausgabe der Fundstücke:
- Deutschland ist ein „Geldwäscheparadies“, sagt Roberto Scarpinato, ltd. Oberstaatsanwalt der Anti-Mafia-Direktion in Palermo
- Rückschlag für die Geldwäschebekämpfung: ‚dabag‘, das bundeseinheitliche Datenbankgrundbuch, verzögert sich um Jahre
- Die FIU, zuständig für Finanztransaktionskontrollen, hat ihre Aufgabe nicht im Griff
- Die Bundesregierung zittert vor der in diesem Jahr anstehenden Vor-Ort-Überprüfung der Financial Action Task Force (FATF)
- Ein Rückblick auf die (schlechten) Ergebnisse der letzten Vor-Ort-Überprüfung durch die FATF vor zehn Jahren
- „Immer mit der Ruhe!“ – zum Tempo der Bundesregierung bei der Geldwäschegesetzgebung
- Massive Kritik und Sicherheitslücken – zur jüngsten Novelle des Geldwäschegesetzes
Lesedauer: Ca. 6 Minuten
Deutschland ist ein „Geldwäscheparadies“
Roberto Scarpinato, der leitende Oberstaatsanwalt der Anti-Mafia-Direktion in Palermo, wundert sich nur noch, warum Deutschland nicht stärker gegen die organisierte Kriminalität vorgeht. Er bezeichnet Deutschland als „Geldwäscheparadies“. Die Kriminellen können hier nahezu problemlos ihr illegal erworbenes Geld investieren, insbesondere in Immobilien und Restaurants. Die Mafia könne Deutschland angreifen, wie den Norden Italiens …
Quellen:
Darum fühlen sich Geldwäscher in Deutschland wohl, 27.10.2019, Süddeutsche Zeitung
Mission des Mafia-Jägers 15.12.2019, Süddeutsche Zeitung
Rückschlag für die Geldwäschebekämpfung: Einführung des bundeseinheitlichen Datenbankgrundbuchs (dabag) verzögert sich um Jahre
Experten schätzen, dass allein im Immobiliensektor in Deutschland jährlich 20 bis 30 Milliarden Euro gewaschen werden. Denn anders als in vielen anderen europäischen Ländern lässt sich hierzulande die Herkunft des Geldes für den Kauf von Immobilien leicht verschleiern. Sogar Barzahlung von Immobilien ist in Deutschland möglich. Auch die Eigentumsverhältnisse bleiben weitgehend undurchsichtig. Sie werden zwar im Grundbuch eingetragen. Sind dort allerdings verteilt auf derzeit geschätzt 40 Millionen ‚Blätter‘, die bei den Grundbuchämtern zahlreicher Amtsgerichte geführt werden. Und die noch nicht in einer zentralen Datenbank erfasst und suchbar gemacht sind.
Mit dem Projekt ‚dabag‘ soll ein Verfahren zur Bearbeitung, Speicherung und Darstellung des rechtsgültigen Grundbuches in vollständig strukturierter, elektronischer Form entwickelt werden. Die Programmarbeiten hatten im Mai 2016 begonnen, die Abnahme war ursprünglich für Herbst 2019 geplant. Nun musste der Bundes-CIO und Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Klaus VItt, einräumen: Das Projekt wird sich um Jahre verzögern. Aus der Erfahrung mit anderen IT-Projekten in der Projektverantwortung des Innenministeriums weiß man, dass der jetzt geplante Endtermin, März 2024, das ist acht Jahre nach Beginn der Programmierarbeiten, noch lange nicht den Beginn des Wirkbetriebs für das bundeseinheitliche Datenbankgrundbuch bedeutet. Der Immobilienmarkt in Deutschland bleibt also weiterhin attraktiv – auch für Geldwäscher.
Mehr dazu in ‚Ein weiteres IT-Projekt im Bundesinnenministerium in Schieflage: Einführung des bundeseinheitlichen Datenbankgrundbuchs (dabag) verzögert sich um Jahre
Die für Finanztransaktionskontrollen zuständige Financial Intelligence Unit (FIU) hat die Aufgabe nicht im Griff
„Mit dem neuen Geldwäschegesetz vom Juni 2017 ist der Großen Koalition ein genialer Wurf gelungen: Der Staat beschränkt sich bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (weiterhin) auf das Minimum; Arbeit und Aufwand überträgt er Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern, Rechtsanwälten, Notaren, Immobilienmaklern und Fahrzeughändlern. Die sollen ihre Geschäftspartner nun identifizieren und jedes Geschäft und jede Transaktion auf mögliche Risiken der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung abklopfen. Das alles sollen sie aufzeichnen, aufbewahren und auf staatliches Verlangen zur Verfügung stellen. Sollten ‚Tatsachen‘ auf einen Geldwäschehintergrund hindeuten oder gar auf Terrorismusfinanzierung, so haben sie unverzüglich Meldung zu machen. Und wenn sie nicht tun, wozu das neue Geldwäschegesetz sie verpflichtet, dann kann es saftige Bußgelder setzen.“
Auszug aus ‚Auswirkungen des Geldwäschegesetzes auf Nicht-Geldwäscher – Teil 1‘ Das neue Geldwäschegesetz: Generalverdacht gegen den Mittelstand
Die inzwischen beim Zollkriminalamt angesiedelte FIU hat die Aufgabe dagegen nach wie vor nicht im Griff. Im Januar 2019 lag die Zahl der UNBEARBEITETEN Geldwäsche-Verdachtsanzeigen bei rund 20.000. Bis August hat sie sich mehr als verdoppelt auf rund 46.000. Diese Zahlen stammen aus einer Antwort der Bundesregierung vom 17.01.2020 auf eine Kleine Anfrage im Bundestag
Bundesregierung zittert vor der nächsten Vor-Ort-Prüfung durch die Financial Action Task Force (FATF)
In diesem Jahr ist es wieder soweit: Nach zehn Jahren steht wieder eine Vor-Ort-Überprüfung der rechtlichen und faktischen Schwächen des bundesdeutschen Systems zur Geldwäschebekämpfung durch die Financial Action Task Force (FATF) an.
Prüfungen der FATF
Die FATF führt zur Durchsetzung ihrer Empfehlungen und zur Überprüfung der Umsetzung verschiedene Prozesse durch:
- Jeder Mitgliedstaat ist verpflichtet, durch Ausfüllen eines detaillierten Bewertungsfragebogens jährlich eine Selbst-Evaluation vorzunehmen (Self-Evaluation Process / SEP).
- Zudem gibt es eine gegenseitige Evaluation der Mitgliedstaaten, bei der turnusmäßig ein Land einer Vor-Ort-Überprüfung unterzogen wird (Mutual Evaluation Process / MER). Aufgrund dieser Überprüfung wird für jeden Mitgliedstaat ein Bericht veröffentlicht, der die rechtlichen und faktischen Schwächen seines Systems zur Geldwäschebekämpfung aufzeigt.“
Quelle: Gegenseitige Evaluationen der Mitglieder der Financial Action Task Force (FATF), Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages
Die (schlechten) Ergebnisse der letzten Vor-Ort-Überprüfung Deutschlands durch die FATF – 2010
Die letzte Vor-Ort-Überprüfung im Jahr 2010 fiel alles andere als erfreulich aus:
Dazu heißt es im Bericht:
- Deutschland ist für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung anfällig
- wegen seiner großen Wirtschafts- und Finanzzentren, sowie
- seiner strategischen Lage und
- wegen seiner starken internationalen Verbindungen
- Gesetzliche „Kernelemente“ sind zwar geregelt durch das Strafgesetzbuch, das Geldwäschegesetz und im Kreditwesengesetz. Die Regelungen stehen jedoch nicht in vollem Einklang mit den FATF-Empfehlungen bzw. weisen fachliche Mängel auf.
- Von den 300 Verurteilungen jährlich wegen Geldwäsche bezieht sich eine Vielzahl nur auf weniger schwerwiegende Fälle. Gerichtlich angeordnete Vermögensbeschlagnahmungen und -einziehungen werden nur in einem Bruchteil der Fälle auch durchgeführt.
- Die Zentralstelle für Geldwäscheverdachtsanzeigen [= FIU – Financial Intelligence Unit, damals noch beim Bundeskriminalamt, jetzt beim Zollkriminalamt angesiedelt, das dem Bundesfinanzministerium untersteht] konzentriert sich auf die Analyse von Mustern und Trends und auf „Statistiken zu einer ganzen Reihe von Angelegenheiten“, übt jedoch nicht alle geforderten FIU-Aufgaben aus.
Und das war nur ein kleiner Auszug der Feststellungen aus dem Bericht von 2010.
Seitdem hat sich die Situation eher noch verschlechtert. Die „Bundesregierung zittert vor Geldwäsche-Test durch internationale Experten“ schreibt daher das Handelsblatt am 28.01.2020 (Enthüllung nur hinter der Bezahlschranke).
„Immer mit der Ruhe!“ – zum Tempo der Bundesregierung bei der Geldwäschegesetzgebung
In Sachen Geldwäsche-Gesetzgebung gibt die Europäische Union den Takt vor durch ihre EU-Geldwäscherichtlinien.
Deren vierte war am 25.06.2015 in Kraft getreten und sollte von den Mitgliedsstaaten innerhalb von zwei Jahren umgesetzt werden. Ein daraufhin angepasstes Geldwäschegesetz nahm sich das Kabinett dann im Sommer 2019 vor, es trat zum 1. Januar 2020 in Kraft.
Bereits seit Juli 2018 liegt die fünfte EU-Geldwäscherichtlinie vor, die bis zum 10. Januar 2020 umgesetzt sein soll. Auch das wird wohl dem Tempo der bundesdeutschen Gesetzgebung für solche Fragen gehorchen müssen …
Massive Kritik und befürchtete Sicherheitslücken – zur jüngsten Novelle des Geldwäschegesetzes
Für Sebastian Fiedler, den Bundesvorsitzenden des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, ist das Versagen bei der Geldwäschebekämpfung einer Dauerthema: Er schrieb nach der Novelle des Geldwäschegesetzes im Sommer 2019:
Seit nunmehr zwei Jahren funktioniert die von Wolfgang Schäuble zum Zoll verlagerte Geldwäscheeinheit FIU (Financial Intelligence Unit) nicht. Alle deutschen Kriminalpolizeien, die Staatsanwaltschaften und die Finanzwirtschaft klagen ihr Leid. In diesen zwei Jahren bemüht sich das Bundesfinanzministerium nach Kräften, die tatsächlichen Probleme bestmöglich zu vernebeln und vor der Öffentlichkeit zu verschleiern. Die FIU kommt ihrer eigentlichen Arbeit, der Analyse von Geldwäscheverdachtsmeldungen, nur äußerst unzureichend nach. Die Analyseberichte sind für die Strafverfolgungsbehörden zu einem erheblichen Anteil unbrauchbar. Die FIU hält die Art und Weise ihrer Arbeit vor den Strafverfolgungsbehörden geheim, d. h. wie und nach welchen Kriterien Meldungen herausgefiltert werden, bleibt im Verborgenen. Fristfälle werden zum Teil mit erheblicher Verzögerung weitergeleitet. Insgesamt besteht ein massiver Mangel an kriminalistischer Expertise. Folgerichtig findet eine strategische Analyse bislang überhaupt nicht statt.
Keine Lösung, sondern neue Sicherheitsrisiken:
Eines der größten Probleme der neuen Einheit soll nun durch datenschutzrechtlich bedrohliche Eingriffe in die polizeilichen Informationssysteme angegangen werden. Die neue FIU, die bewusst nicht als Polizei- sondern Verwaltungseinheit ohne hoheitliche Befugnisse ausgestaltet worden war, soll Zugang zu den kritischen Dateien der Kriminalpolizeien bekommen. Aus guten Gründen hatten sich die polizeilichen Gremien des Bundes und der Länder schon vor zwei Jahren gegen solche Vorstöße positioniert. Der Grund ist simpel. Die Polizei ist in verdeckten Ermittlungsverfahren, die sich gegen die Organisierte Kriminalität richten, zwingend drauf angewiesen, dass diese Verfahren möglichst gut abgeschottet werden. Nicht einmal benachbarte Dienststellen erfahren von solchen Ermittlungen. Wenn unkontrollierte Zugriffe auf diese Kronjuwelen unter den polizeilichen Dateien durch eine Verwaltungseinheit gesetzlich erlaubt würden, hätte das absehbar nachhaltige Konsequenzen für die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. … Offenbar verschließt die Bundesregierung die Augen vor der einfachsten und offensichtlichsten Lösung des Problems. Die Länderpolizeien müssen in die Analyse eingehender Meldungen wieder einbezogen werden. Eine Verankerung der FIU beim Zoll ist hierzu kein Widerspruch. Aufgrund der föderalen IT-Infrastruktur bei den Polizeien ist derzeit keine andere Lösung denkbar. Es ist nicht zu glauben, wie hartnäckig die Bundesregierung und die GroKo die Warnungen, Hinweise und Lösungsvorschläge der deutschen Sicherheitsbehörden ignorieren.“, so Sebastian Fiedler.
[A] Das neue Geldwäschegesetz: Generalverdacht gegen den deutschen Mittelstand, 29.01.2018, CIVES
[B] Steuerberater als verlängerter Arm der Finanzpolizei, 02.02.2018, CIVES
[C] Eintragung der ‚wirtschaftlich Berechtigten‘ im Transparenzregister, 14.03.2018, CIVES
[D] Ein weiteres IT-Projekt im Bundesinnenministerium in Schieflage: Einführung des bundeseinheitlichen Datenbankgrundbuchs (dabag) verzögert sich um Jahre
[E] Vorstellung des Bundeslagebilds OK (2018) – Organisierte Kriminalität
Wer Kriminalität nicht misst, kann Kriminalität auch nicht feststellen, 11.10.2019
[F] Vorstellung des Bundeslagebilds OK (2017) –
Organisierte Kriminalität im BKA: Organisierte und dokumentierte Doppelmoral, 15.08.2018
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