Vorratsdatenspeicherung am Ende – Gefahrenabwehr durch die Polizei damit auch?!

Die Entscheidung des OVG NRW ist der Anfang vom Ende für die Vorratsdatenspeicherung 2.0. Begründet ausführlich Ulf Buermeyer im Heise Newsticker. Das wirft „die Terrorismusbekämpfung massiv zurück“, behauptet dagegen die Polizeigewerkschaft GDP. Wäre es für eine wirksame Abwehr terroristischer Gefahren nicht viel wichtiger, die IT-Ausstattung der Polizei endlich leistungsfähig zu machen und Polizei personell und finanziell besser auszustatten?!

Was bedeutet das Urteil des OVG NRW für die (Nicht-)Zukunft der Vorratsdatenspeicherung 2.0?

Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts NRW zur Vorratsdatenspeicherung ist der Anfang vom Ende für das Gesetz der Bundesregierung zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten (VDS 2.0). Das begründet ausführlich und juristisch kompetent Ulf Buermeyer, Richter des Landes Berlin und ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundesverfassungsgerichts im Heise-Newsticker [1]: (Wir geben nur einige Highlights hier wieder, es lohnt sich, den ganzen Text zu lesen.)

  • Das war keine Entscheidung im Einzelfall, sondern das endgültige Ende der Vorratsdatenspeicherung 2.0 (VDS 2.0) [a] in Deutschland.
  • Das OVG hat eine einstweilige Anordnung erlassen: Diese Variante wählt ein Verwaltungsgericht, wenn der Antragsteller in der Hauptsache gewinnen dürfte und der Fall eilig ist.
  • Die Richter lassen in ihrer ausführlichen Begründung keinen Zweifel daran, dass die VDS 2.0 gegen europäisches Recht verstößt und dass der Kläger (Spacenet) auch in der Hauptsache gewinnen wird.
  • Denn die entsprechenden Paragraphen des TKG-Gesetzes [vor allem 113b / Abbe] sind unanwendbar, d.h. sie sind mit dem Europarecht nicht vereinbar. Ein entsprechendes Urteil zur VDS hatte der EuGH im Dezember letzten Jahres gefällt.
  • Das weiss auch die Bundesnetzagentur und hat daher angekündigt, die („unanwendbare“) Pflicht zum Datensammeln auch nicht durchzusetzen.

Gewerkschaft der Polizei setzt weiterhin auf Panikmache

Die Gewerkschaft der Polizei, vertreten durch den NRW-Landesvorsitzenden und stellvertretenden Bundesvorsitzenden Arnold Plickert, betreibt weiterhin Panikmache: „GdP: Aussetzen der Vorratsdatenspeicherung wirft Terrorismusbekämpfung massiv zurück“ heißt es auf der Webseite [2] dieser Polizistenvertretung. Der Terroranschlag vom Breitscheidplatz in Berlin demonstrierte eigentlich, dass Polizei schon im Vorfeld genug wusste über die potenzielle Gefährlichkeit des Attentäters, jedoch den Anschlag nicht verhindert hat. Woraus zu folgern ist, dass Polizei Terroranschläge verhindern könnte, wenn sie vorhandene Erkenntnisse nutzen würde, auch wenn diese nicht aus ‚Vorratsdatenspeicherung‘ stammen. Schon aus diesem Grund, ist die Argumentation von Plickert befremdlich.

Danach wird es in Plickert’s Statements logisch ziemlich schräg: Er sagt nämlich, in Kurzfassung:

  • Mit Vorratsdatenspeicherung kann es erneut zu einem Terroranschlag kommen.
  • Ohne Vorratsdatenspeicherung „wird es Anschläge geben, die wir hätten verhindern können.“

Was daran unlogisch ist?!

  1. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Vorratsdatenspeicherung und Terroranschlägen: Terroranschläge geschehen mit und sie geschehen ohne VDS. Das sollten auch Innenminister und Polizeigewerkschaftsfunktionäre erkennen können.
  2. Es gibt auch keinen Zusammenhang zwischen Vorratsdatenspeicherung und der Verhinderung von Anschlägen:
    • Denn Vorratsdatenspeicherung sind die auf Vorrat bei den TK-Providern für eine befristete Zeit gespeicherten Bestands-, Verkehrs- und Standortdaten. Polizei hat ohne Anlass keinerlei Zugriff auf diese Daten.
    • Um Anschläge zu verhindern, müsste Polizei flächendeckend, zeitnah bzw. in Echtzeit die gesamte Kommunikation aller Bewohner dieses Landes und ihrer Kommunikationspartner aus dem Ausland überwachen, mitspeichern und auswerten. Und dann auch noch aus den Milliarden von Kommunikationsvorgängen die richtigen Zusammenhänge erkennen.
  3. Das ist Utopie aus Sicht der Polizei und wäre ein Alptraum für jeden Bewohner dieses Landes.

    Populistische Sprüche, wie die des Herrn Plickert, sind eine Beleidigung der Logik. Und lassen erkennen, wie wenig Respekt Plickert und andere Verfechter, die Vorratsdatenspeicherung zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen befürworten, vor dem Grundrecht aller Menschen auf Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung haben.

    Solche Argumente liefern außerdem – polizei-fachlich – ein Armutszeugnis ab: Kann Polizei Gefahren wirklich nur abwehren durch flächendeckende, anlasslose Überwachung der gesamten Bevölkerung, durch ‚Big Data‘ und das Zusammenführen und Rastern von Abermillionen von Daten?! Nur der Bundesinnenminister glaubt das und eben Polizei(gewerkschafts-)funktionäre wie Herr Plickert von der Gewerkschaft der Polizei (GDP) oder Herr Wendt von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG).

    Die Mehrheit der Polizisten dagegen weiss, daran glauben wir immer noch fest, dass polizeiliche Kompetenz, Können und Erfolge nicht abhängig sind von immer mehr Technik, Überwachungstechnik insbesondere. Das liegt auch daran, dass sie täglich im Dienst erleben, dass die Leistungsfähigkeit der Informations- und Kommunikationstechnik in den Polizeibehörden sich in der Steinzeit befindet, gemessen an solchen Zukunftsvisionen. Von der finanziellen, personellen und Sachausstattung der Behörden ganz zu schweigen …

    Quellen

    [1]   Kommentar: Zuckt sie noch? Vom nahen Ende der Vorratsdatenspeicherung, 30.6.2017, 13.52, Heise Newsticker
    https://www.heise.de/newsticker/meldung/Kommentar-Zuckt-sie-noch-Vom-nahen-Ende-der-Vorratsdatenspeicherung-3760088.html

[2]   GdP: Aussetzen der Vorratsdatenspeicherung wirft Terrorismusbekämpfung massiv zurück, 29.06.217, GDP
https://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/id/DE_GdP-Aussetzen-der-Vorratsdatenspeicherung-wirft-Terrorismusbekaempfung-massiv-zurueck-?open&ccm=000

Verwandete Beiträge

[A]    Neues Gesetz gegen Wohnungseinbruch bis auf Weiteres nutzlos – Die notwendige Vorratsdatenspeicherung wird erst einmal nicht durchgesetzt, 29.07.2017
http://cives.de/neues-gesetz-gegen-wohnungseinbruch-bis-auf-weiteres-nutzlos-5581

Copyright und Nutzungsrechte

(C) 2017 CIVES Redaktionsbüro GmbH
Sämtliche Urheber- und Nutzungsrechte an diesem Artikel liegen bei der CIVES Redaktionsbüro GmbH bzw. bei dem bzw. den namentlich benannten Autor(en).