Polizeiliche Informationssysteme betreffen auch SIE und IHR Leben …

Mit Polizei und ihren Informationssystemen und -Datenbanken beschäftige ich mich hauptberuflich seit mehr als 25 Jahren. Dennoch überrascht mich immer wieder die Reaktion, wenn ich mit Familienangehörigen oder Freunden und Bekannten über Polizei, ihre Informationssysteme oder Datenbanken spreche: Denn ich ernte Schulterzucken. Sehe ratlos-irritierte Blicke mit der unausgesprochenen Frage: „Und was habe ICH damit zu tun“ Und höre, wenn ich nachfrage „Das betrifft MICH nicht“ oder „Wer sich nichts zu Schulden kommen lässt, hat vor Polizei und ihren Datenbanken nichts zu befürchten.“ oder „Stört mich nicht, Polizei kann meine Daten gerne haben.“
Dann ist es an mir, meinen Gesprächspartner meinen irritierten Blick nicht ZU deutlich merken zu lassen. Denn meine Berufserfahrung sagt mir: Sie schätzen die Situation ziemlich falsch ein …

Inwiefern betrifft das SIE und IHR Leben??

Eine gut funktionierende externe Kontrolle der Polizei existiert nicht.
[Warum das so ist, steht weiter unten.] Daher ist jedermann gut beraten, selbst auf sich, seine Daten und seine Rechte aufzupassen. Und ein offenes Auge und Ohr dafür zu haben, dass und wie durch Polizeivertreter und Medien Information gesteuert und Meinung manipuliert wird, wenn es um solche Themen geht.

• Betrifft: IHRE Daten
• Betrifft: IHRE Rechte
• Betrifft: Geld des Steuerzahlers
• Betrifft: Meinungsmache

Diese Haltung der meisten Bürger gegenüber Polizei und deren Informationssystemen ist die Folge von erheblicher Unkenntnis:

Polizei selbst legt größten Wert auf Geheimhaltung

Wozu Polizei ja in erheblichem Maße beiträgt, weil so gut wie alles ‚hinter den Mauern einer Polizeidienststelle‘ als geheim behandelt wird. Also hat kaum jemand eine Chance zu erfahren, was dort eigentlich von wem gemacht wird und warum.

Mehr Transparenz wäre möglich

Polizei begründet ihren Geheimhaltungsdrang ja gerne – und berechtigt – mit dem notwendigen Schutz von personenbezogenen Daten. Die kann man schützen indem man Namen, Adressdaten und ähnliches durch Platzhalter ersetzt (Anonymisierung). Polizei spricht auch nicht gerne über ihr Tun, weil die ‚Offenlegung von polizeitaktischen Maßnahmen‘ nicht gewünscht ist. Das erinnert doch sehr an Frontstellung im Krieg und eine Überzeugung, dass ALLE, die nicht Polizei sind auf der anderen Seite stehen. Das ist eine Haltung der Polizei, die Verständnis für die berechtigten Interessen von Bürgern nach mehr Transparenz schmerzlich vermissen lässt.

Polizei genießt Respekt und einen erheblichen Vertrauensvorschuss

Die Haltung der meisten Bürger gegenüber Polizei ist geprägt von Respekt und Vertrauen. Das erklärt sich zum großen Teil aus deren noch immer vorhandenen und berechtigten Nimbus als ‚Freund und Helfer‘.

Polizei genießt unter vergleichbar respektablen Berufsgruppen einen erheblichen Respekt-Vorschuss. Das besagt eine Studie im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung. Rund eintausend Befragte gaben im November 2019 an, dass sie glauben, dass 16% in der Bevölkerung der Polizei „sehr viel“ und weitere 26% „viel“ Respekt entgegenbringen. Die gleiche Studie fand allerdings auch heraus, dass immerhin 31% der Befragten selbst „früher mehr“ Respekt vor der Polizei hatten, im Osten Deutschlands sogar 40%. Noch immer hat Polizei also einen erheblichen Vertrauensvorschuss in der Bevölkerung, viele unterstellen ihr also nichts Falsches oder für einen selbst Schädliches zu tun.

Interesse und kritisches Hinterfragen sind Fehlanzeige

Unbestreitbar gibt es stetig Nachrichten über Fehler und Fehlverhalten in der Polizei. Was bei einer Berufsgruppe von rund 300.000 Mitarbeitern, die meisten davon Beamte, meiner Ansicht nicht vollkommen plausibel ist. Ich wundere mich allerdings darüber, warum sich nicht viel mehr Leute fragen, ob sie auch Betroffene solcher „Fehler“ der Polizeiarbeit werden könnten.

Viele Menschen scheinen darüber nicht nachzudenken. Oder gehen – ein wenig blauäugig, wie ich finde, davon aus, dass Polizeibeamte schon nichts tun, was ihnen schaden könnte. Um Missverständnisse nicht aufkommen zu lassen: Auch ich gehe im Grundsatz von dieser Annahme aus. Dass Polizeibeamte korrekt arbeiten! Genauso, wie ich davon ausgehe, dass bei der Milchverarbeitung oder Trinkwasserkontrolle die Lebensmittel mit der Sorgfalt behandelt werden, dass Verderb, Schmutz und Verunreinigungen ausgeschlossen sind. Wofür entsprechende Kontrolle installiert sind.

Man sollte doch meinen, dass es umso wichtiger – und gleichzeitig selbstverständlicher sein müßte, dass sich auch Polizei entsprechender Kontrolle stellen muss. Denn die Schäden, die durch Polizeigewalt, Daten- oder Aktenmanipulation, Durchstecherei von polizei-internen Informationen oder illegalen Datenbankabfragen enstehen können – und ja nachweislich auch schon vielfach entstanden sind … Diese Schäden gehen weit hinaus über sauer gewordene Milch oder verunreinigtes Trinkwasser.

Ist die Forderung nach exerner Kontrolle wirklich ein Zeichen mangelnden Vertrauens?

Wer mehr externe Kontrolle der Polizeiarbeit zur Sprache bringt, sieht sich umgehend dem Vorwurf ausgesetzt, DER Polizei zu misstrauen. Das ist Humbug. Hat aber dafür gesorgt, dass sich Polizei inzwischen so sehr an ihren geschützten Zustand gewöhnt hat, dass jegliche Frage nach mehr externer Kontrolle als Majestätisbeleidigung aufgefasst wird. Und dass es, im Ergebnis, nach wie vor keine exerne Kontrolle von polizeilicher Arbeit gibt.

Das Sperrfeuer der Polizeigewerkschaften gegen exerne Kontrolle

Dazu hat ein ständiges Sperrfeuer der Polizeigewerkschaften beigetragen, die nicht müde damit werden, den Polizeibeamten als eines der ganz großen Opfer der sozialen Entwicklung unserer Gesellschaft darzustellen.
Rainer Wendt, ein Teflon-Funktionär, der, anders als andere, unbeschadet überstand, dass er jahrelang vom Land Nordrhein-Westfalen für Arbeitszeit bezahlt wurde, die er nicht geleistet hat; dieser Rainer Wendt also, der immer noch Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) ist, tut so, als könne es in der Polizei keine Fehler geben. Was allein statistisch bei einer Personalstärke von rund 300.000 Mitarbeitern den Neid so mancher zölibatären Religionsgemeinschaft hervorrufen müsste.

Ein mehrstimmiger Aufschrei aus allen drei Polizeigewerkschaften ertönt immer dann, wenn es ein Politiker, wie zuletzt die Grünen-Fraktion im Bundestag wagt, das Thema eines Polizei-Beauftragten wieder mal aufs Tapet zu bringen. Auch das wäre ein unabhängiger, externer Beauftragter, der sich um die Aufklärung von Fehlern in der Polizei kümmern würde. Jörg Radek, der Bundesvorsitzende des Bezirks Bundespolizei der Gewerkschaft der Polizei, erklärte zum Gesetzentwurf für das Bundes­polizei­beauftragten­gesetz, es gäbe dafür „keinen Bedarf“ und die voliegende Entwurfsfassung sei „weder verfassungsrechtlich möglich noch notwendig“.

Warum halten die Innenminister so auffällig schützend ihre Hand über die Polizei?

Nicht zu übersehen ist auch eine sehr einseitige Einstellung gegenüber der Polizei in den Innenministerien, die ja die obersten Arbeitgeber der Polizei-Beamtenschaft sind. Man erwartet einerseits – intern – und soweit ich das selbst jahrelang beobachten konnte, Kadavergehorsam auf allen Ebenen der Polizei-Beamtenschaft gegenüber allem, was aus dem Innenministerium so erlassen und verfügt wird. Selbst der größte Unsinn, von dem absehbar ist, welche schwerwiegenden Folgen er haben wird, wird schweigend mitgetragen. Wem das nicht passt, lernt kennen, was Management by Champignon ist, sittsamer gesagt, erlebt das Ende seiner weiteren Karriere.

Man kann den Eindruck gewinnen, dass die Behandlung der Polizei mit Samthandschuhen Teil eines klandestinen Geschäfts auf Gegenseitigkeit ist: Mit dem sich die Innenminister Ge-Folgschaft der Polizei-Beamtenschaft mit entsprechend entgegenkommender Behandlung erkaufen. Erst vor kurzem hat dies wieder der derzeitige Bundesinnenminister demonstriert, als er eine Studie über möglichen Rassismus in der Polizei rundheraus ablehnte. Was dann sogar dem Bundesvorsitzenden des Bunds Deutscher Kriminalbeamter (BDK) zu weit ging.

Datenschutz-Aufsichtsbehörden – mehr als „Du, Du“ ist nicht möglich

Effektive Kontrolle über den Umgang der Polizei mit personenbezogenen Daten können auch die Datenschutz-Aufsichtsbehörden nicht ausüben. Die sind zwar aufgrund der für die Polizei geltenden Datenschutzgesetze beigeordnet, um auf Verstöße im Umgang mit den Datenschutzpflichten zu achten. Nur kann die Datenschutz-Aufsichtsbehörde nicht mehr tun, als mahnend den Finger zu heben und „Du, Du“ zu sagen: Formell korrekt heißt das dann „Beanstandung“. Doch mehr an Sanktionsmöglichkeiten steht ihr nicht zu.

Die Berliner Polizei führt dazu ja aktuell eine Art Musterverfahren: Mit dem sie offensichtlich auszutesten gedenkt, ob sie das bestehende Gesetz einfach ignorieren und sich der gesetzlichen Verpflichtung zur Information der Datenschutz-Aufsicht über konkret benannte Missbrauchsfälle ohne Folgen entziehen kann.

Kontrolle durch die Staatsanwaltschaften?!

Auch das funktioniert de facto nicht. Aus dem einfachen Grund, dass die lokal für den ‚Tatort‘ in einer Polizeidienststelle zuständige Staatsanwaltschaft die gleiche Behörde ist, mit der diese Polizeidienststelle und ihre Polizeibeamen im Rahmen ihrer „Hilfstätigkeit“ für die Staatsanwaltschaft als Ermittlungsbehörde in Strafverfahren ständig zu tun hat.

Interne Kontrolle und Fehlerkultur

Bleibt als letzte Möglichkeit die der internen Kontrolle durch Kollegen und Vorgesetzte. Hierzu zieht sich allerdings, wie ein großes rotes Tau [Faden wäre zu wenig …] , das Gesetz der Omertà durch die Polizeidienststellen. Das besagt, dass Kritisches über Kollegen grundsätzlich nicht (gegenüber Außenstehenden) verlautbart wird. Da andernfalls, wie bei der Mafia, der Ausstoß aus der Gemeinschaft und die soziale und beruflichte Ächtung droht.

Dies meine Kurzfassung von Ergebnissen und Erkenntnissen von Prof. Rafael Behr von der Akademie der Polizei Hamburg, der sich seit Jahren wissenschaflich mit der Kultur in der Polizei und insbesondere deren Umgang mit Fehlern beschäftigt.