Kurznachrichten und Hinweise auf Beiträge in anderen Medien über Polizei, ihre Informationssysteme und Themen, die damit etwas zu tun haben.
name_der_einsprungadresse]
Übersicht
1. Wesentliche Ergebnisse aus dem diesjährigen Lagebericht von Europol zur Schweren und Organisierten Kriminalität in Europa und ein Blick auf die Lage in Deutschland
2. Landesregierung NRW macht keinen Vorschlag für die Wahl des/der Landesdatenschutzbeauftragten
3. Einen Versuch war’s wert: „Wegen Corona“ wollte der NRW-Innenminister 7 Millionen Euro mehr für das Palantir-DAR-System aus dem Steuertopf
4. Zum Geschäftsmodell von Palantir
Wesentliche Ergebnisse aus dem diesjährigen Lagebericht von Europol zur Schweren und Organisierten Kriminalität in Europa und ein Blick auf die Lage in Deutschland
Einen „zerstörerischen Einfluss“ attestiert Europol der Organisierten Kriminalität in Europa in seinem diesjährigen SOCTA-Bericht über die Bedrohungslage durch schwere und organisierte Kriminalität (SOCTA = serious and organised crime threat assessment): Wirtschaft und Gesellschaft seien infiltriert und unterwandert durch OK:
- Korruption wird inzwischen genauso häufig angewandt, wie der Einsatz von Gewalt – nämlich von 60% der OK-Gruppierungen. Da fragt man sich, warum OK im kriminalpolizeilichen Aufgabenbereich der dttuschen Polizeibehörden auf Bundes- und Länderebene nur noch ein Schattendasein fristet. Und warum Korruption (angeblich/scheinbar?) in der größten Volkswirtschaft der EU nicht vorkommt.
- 80% nutzen legale Geschäfts- und Gewerbestrukturen für ihre kriminellen Aktivitäten. 68% waschen ihre Gelder durch Investitionen in Anlage oder Wertgegenstände. Mit viel Aufwand und Bürokratie geborene „Gegenmittel“, wie das Transparenzregister in Deutschland schaffen es offenbar nicht, neben mehr Bürokratie auch mehr Transparenz in komplexe Geschäftsstrukturen oder den Geldfluss, z.B. bei Immobilienkäufen, zu bringen.
- 1/4 der OK-Gruppierungen existiert seit mehr als zehn Jahren, 2/3 haben Mitglieder aus diversen Ländern; eine Festlegung auf bestimmte Herkunftsländer macht Europol nicht aus, sondern sagt, sie kommen aus aller Herren Länder.
- Zwischen OK und Terrorismus gibt es Überschneidungen und zwar dort, wo beide von den gleichen Lieferanten und Dienstleistern abhängig sind, wie z.B. bei der Versorgung mit Waffen, Beschaffung von falschen Dokumenten, Geldmittel und einem gemeinsam genutzten Pool potenzieller Rekruten.
- Es ist wahrscheinlich, dass auf die COVID-19-Pandemie ein wirtschaftlicher Einbruch folgt. Und daher damit zu rechnen, dass Kriminelle geschäftliche Schwächen ausnutzen, um legale Unternehmen zu infiltrieren und für ihre Zwecke zu nutzen. Zu erwarten ist insbesondere, dass OK als Kreditgeber auftritt, um strauchelnden Unternehmen zunächst unter die Arme zu greifen und sie damit abhängig vom Geldgeber zu machen; oder dass sie gleich Unternehmen übernehmen, die sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden.
Was bedeutet, dass das ohnehin schon massive Problem OK in Europa sich noch weiter ausdehnen wird. „Ich bin sehr beunruhigt“, sagt die Direktorin von Europol, Catherine De Bolle, „welches Potenzial OK entfalten kann bzw. wird, um die Rechtsstaatlichkeit weiter zu untergraben.“
Beim deutschen Bundeskriminalamt scheint man über die Gefährdung durch OK recht entspannt. Das Bundeslagebild OK für 2019 erschien im Dezember 2020 und wartet, wie schon die Ausgaben der Vorjahre, auf mit sehr vielen, SEHR großformatigen Abbildungen und Tabellen. Das füllt die Seiten, erweckt den Eindruck von hoher Detailkenntnis und überspielt damit, dass die Polizei in Deutschland die OK-Bekämpfung seit Beginnn dieses Jahrtausends immer mehr zurückfuhr, vor allem dadurch, dass sie ihr die personelle und organisatorische Basis entzogen hat.
Landesregierung NRW macht KEINEN Vorschlag für die Wahl des/der Landesdatenschutzbeauftragten
Der/die Landesdatenschutzbeauftragte für Nordrhein-Westfalen wird auf Vorschlag der Staatskanzlei vom Landtag gewählt. So geschah es 2015 auch mit Frau Block, einer renommierten Verwaltungsjuristin mit jahrzehntelanger Funktion im NRW-Innenminister. Der Landtag bestätigte den Vorschlag der damals noch SPD-geführten Landesregierung und wählte Frau Block zur neuen Landesdatenschutzbeauftragten. Seither machte sich die Behörde unter ihrer Leitung einen Namen für objektive, aber eben auch kritische Prüfung und Berichterstattung über Risiken, die sie identifiziert hatte und über Missstände. Breite Öffentlichkeit erfuhr sie 2018 mit „großen Bedenken“ gegen den Entwurf des neuen NRW-Polizeigesetzes. Im Tätigkeitsbericht für 2019 bezeichnete sie die strategische Fahndung der Polizei als „datenschutzrechtlich katastrophal„, weil Daten von Tausenden ohne Anlass kontrolliert und deren Identität von der Polizei festgestellt worden seien. Daraus hätte sich kein einziger konkreter Hinweis auf einen erfolgten oder geplanten Wohnungseinbruch ergeben.
Nach Vorlage des Tätigkeitsberichts für 2019 ging Frau Block in den Ruhestand. Die Datenschutzbehörde wird seitdem von ihrem seinerzeitigen Stellvertreter geschäftsführend geleitet. Bestimmte Befugnisse (nach §27, Abs. 4 DSG-NRW) allerdings bleiben dem/der gewählten Amtsinhaber*in vorbehalten.
Fast ein Jahr später gibt es allerdings noch immer keinen gewählten Nachfolger. Die Beratungen dazu dauern an, denn es bestehe noch kein Konsens, teilte der Pressesprecher der Staatskanzlei NRW POLICE-IT mit. Das könnte daran liegen, dass zwischen dem politischen Wunsch der Landesregierung und den Gesetzen und IT-Systemen der Polizei, die in den letzten Jahren in NRW erlassen und installiert wurden, ein Dilemma besteht, das von jedem Experten für Datenschutz- und Polizeirecht kritisch zu bewerten ist. Will die Regierung keinen Vorschlag machen, um den Status Quo – am besten ohne Landesdatenschutzbauftragte – aufrecht zu erhalten. Oder findet man niemanden, der sich die auf Linie der Regierung einläßt, d.h. bereit ist, mit notwendiger Kritik an Gesetzen und IT-Systemen für die Polizei dieser Regierung hinter dem Berg zu halten??
„Wegen Corona“ wollte der NRW-Innenminister 7 Millionen Euro mehr für das Palantir-DAR-System aus dem Steuertopf
Ein Antrag des NRW-Finanzministeriums vom 16.03.2021 auf Einwilligung des Haushalts- und Finanzausschusses stand unter der Überschrift „Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit der nordrhein-westfälischen Polizei in der Corona-Pandemie“.
Der Betrieb der eingerichteten verfahrensübergreifenden Analyseplattform muss sichergestellt werden, weil die vermehrten Anforderungen an die Verfügbarkeit von Homeoffice-Plätzen und kontaktreduzierten Arbeitsformen den persönlichen Austausch hemmt. Nur durch den Ausbau der Plattform ist es möglich, die in den verschiedenen Anwendungen und Systemen (z. B. Vorgangsbearbeitungssystem, Fallbearbeitungssystem, Telekommunikationsüberwachungssoftware oder Falldatenbank) (na, also! /d. Verf.) gespeicherten Daten zusammenzuführen. Gerade bei zeitkritischen Ermittlungsmaßnahmen wie beispielsweise Anschlagsdrohungen muss unverzügliches Handeln auch in Zeiten durch Corona-Maßnahmen eingeschränkter unmittelbarer Kommunikation in Präsens gewährleistet werden.
Die Antragsbegründung dazu ist, zumindest unvorsichtig, weil sie die Argumente aus dem Hause Innenministerium – vermutlich unfreiwillig – entkräftet:
- Die Bedarfsdarstellung macht deutlich, dass das System bereits im Wirkbetrieb und damit auch mit Echtdaten verwendet wird („eingerichtete verfahrensübergreifende Analyseplattform“ / „zeitkritische Ermittlungsmaßnahmen“ / „Anschlagsdrohungen“ / „unverzügliches Handeln“).
Dafür fehlt die Rechtsgrundlage, der Einsatz mit Echtdaten ist rechtswidrig, sagt die LDI. - Die Beschreibung des Zugangs von Nutzerarbeitsplätzen vom Home-Office aus dürfte das LDI dazu veranlassen, sich zeitnah anzusehen, wie eigentlich die Sicherheit der Übermittlung hochgradig kritischer, personenbezogener Daten an den heimischen Schreibtisch eines DAR-Nutzers gewährleistet ist und wie der Abfluss von Informationen von einem solchen Arbeitsplatz aus an andere Mitbewohner des Homeoffice-Nutzers wirksam verhindert wird.
Ausreichend viele Landtags-Abgeordneten sahen dies offenbar ähnlich. Denn am 25.03.2021 informierte Innenminister Reul den Innenausschuss darüber, dass der Antrag seines Hauses auf weitere 7 Millionen Euro nur ein Jahr nach der Erstbeschaffung des Palantir-Systems nicht aufrechterhalten werde. „In der Kürze der Zeit“ sei es nicht möglich gewesen, eine genaue Überprüfung dieser Anmeldung vorzunehmen und dazu eine ausführliche Begründung zur Verfügung zu stellen. Einen Versuch war’s immerhin wert …
Zum Geschäftsmodell von Palantir
Dass eine Entscheidung für Palantir sehr teuer werden kann, belegen Berichte aus amerikanischen Polizeibehörden. Denn Palantir betreibt ein „Öllampen“-Geschäftsmodell („Verschenke die Öllampe, verkaufe das Öl?“), weshalb in den Vereinigten Staaten diverse Polizeibehörden den Einsatz wieder aufgegeben haben. Sie konnten ihn sich einfach nicht mehr leisten. Sieht so aus, als würde das Innenministerium NRW schon nach kurzer Geschäftsbeziehung mit Palantir die gleiche Erfahrung machen.