Das 5-Punkte-Papier der CDU-CSU-Fraktion vom Wochenende war wohl nur ein Versuchsballon zur Erprobung der Reaktionen. Wie Alexander Wallasch heute auf seinem Blog berichtet *), will die CDU/CSU diese Woche einen 27-Punkte-Plan im Bundestag einbringen, mit einem für alle Bürger dieses Landes vergifteten – und noch dazu in weiten Teilen rechtswidrigen – Angebot:
Wir sollen „mehr Innere Sicherheit“ (vor terroristischen Angriffen von u.U. „psychisch auffälligen“ Asylbewerbern) tauschen gegen eine weitere erhebliche Ausweitung der Überwachungsbefugnisse. Die eingesetzt werden sollen durch Sicherheitsbehörden, die technisch seit Jahrzehnten einen retardierten Kompetenz-Status hinsichtlich Ausbildung, Logistik und technischen Fähigkeiten unter Beweis stellen.
*) Cave: Eine zweite / weitere Quelle zu diesem Dokument liegt mir bisher nicht vor.
Ungute historische Ähnlichkeit zu den Wochen nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz
Vor Eingehen auf die Inhalte dieses 27-Punkte-Papiers komme ich nicht umhin, auf eine – wie ich meine – ungute historische Ähnlichkeit hinzuweisen: Am 19. Dezember 2016 verübte ein gewisser Anis Amri einen Anschlag auf den Berliner Breitscheidplatz, bei dem 12 Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt wurden.
In der Folge geriet die Sicherheitsarchitektur Deutschlands in den Fokus der Kritik. Bereits drei Wochen später, am 3. Januar 2017 veröffentlichte der damalige CDU-Bundesinnenminister Thomas de Maizière einen Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ), in dem er umfassende Reformen der Sicherheitsbehörden forderte.
Er plädierte darin für eine Zentralisierung der Sicherheitsstrukturen, insbesondere für eine Stärkung der Bundeskompetenzen gegenüber den Ländern. Er schlug vor, die Zuständigkeiten des Bundeskriminalamts (BKA) und des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) auszuweiten, um eine effektivere Terrorismusbekämpfung zu gewährleisten. Zudem regte er an, die Befugnisse der Sicherheitsbehörden im Bereich der Überwachung und Datenauswertung zu erweitern, um besser auf die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus reagieren zu können. All das findet sich im aktuellen 27-Punkte-Papier der CDU/CSU wieder:
Die Vorlage der aktuellen 27 Punkte der CDU/CSU ähnelt hinsichtlich Inhalten, Argumentation und Terminierung im Vorfeld einer Bundestagswahl frappierend der damaligen politischen Instrumentierung eines Anschlags mit mehreren Todesopfern. Auch damals stand – für den Herbst 2017 – eine Bundestagswahl vor der Tür; de Maizière war der Verantwortliche in der CDU für den Wahlkampf seiner Partei.
Das fordert die CDU/CSU mit ihrem neuesten Papier von jedem von uns:
„Datenschutz darf nicht Täterschutz sein„
Damit soll die „Mindestspeicherfrist für IP-Adressen samt Port-Nummern“ und die Möglichkeit zur Funkzellenabfrage entsprechend einem Gesetzentwurf der CDU/CSU vom Herbst 2024 eingeführt werden.
Verbesserung des Datenaustauschs zwischen den Sicherheitsbehörden
Bundeskriminalamt und Bundespolizei sollen Bundes-VerA erhalten: eine Software-Plattform der US-Firma Palantir, die im Zuge der Amtseinführung von Trump („Make AMERICA First Again“) auf dem Weg zum Allzeithoch Höhenflug an der Börse ist.
Die Polizeien von Bund und Ländern sollen eine einheitliche Plattform für den Datenaustausch und eine Harmonisierung der polizeilichen IT-Architektur erhalten. Das Programm P20 soll dafür unter höchster Priorität fertiggestellt werden.
Diese Projekte lagen viele Jahre lang in den Händen eines CDU/CSU-geführten Bundesinnenministeriums und kamen auch unter SPD-Ministerin Faeser nicht rascher voran. Denn die entscheidenden Figuren sind nach wie vor dieselben:
- Projektleiter ist ein einzelner Selbstständiger, der vom BMI seit Jahrzehnten mit freihändig vergebenen Aufträgen bedacht wird.
- Graue Eminenz mit Entscheidungsbefugnis bei allem, was Bund-Länder-Koperation und P20 angeht ist der Abteilungsleister Öffentliche Sicherheit im Bundesinnenministerium, Dr. Christian Klos, den die derzeitige Bundesinnenministerin Faeser von ihren CDU/CSU-Amtsvorgängern übernommen hat.
„Ausweitung technischer Befugnisse“
- Ausweitung der Gesichtserkennung in Echtzeit an „besonders kriminalitätsbelasteten Orten“ – ein dehnbarer Begriff …
- Einsatz moderner Software zur Analyse von … polizeilichen Datenbanken UND sozialen Netzwerken
- Wirksame und praktikable Kompetenzen (sic?) zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung und Online-Durchsuchung.
„Ganzheitliches Bedrohungsmanagement“
- … „zur Minderung von Risiken schwerer zielgerichteter Gewalttaten auch außerhalb der politisch motivierten Kriminalität“
- Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden mit Psychiatrien und Psyychotherapien
- Einführung einer neuen „Gefährder“Kategorie: „psychisch erkrankt“
Stärkung der Nachrichtendienste
„Die Befugnisse unserer Nachrichtendienste müssen verbessert und ausgeweitet werden, damit sie auf Augenhöhe mit der Leistungsfähigkeit der Nachrichtendienste unserer ausländischen Partner arbeiten können und nicht länger von deren Hinweisen zu Terrorgefahren abhängig sind.“ [–> Bundes-VerA / Palantir / bei BKA und BPol!]
Abschaffung des Bundespolizeibeauftragten und der Kennzeichnungspflicht für die Bundespolizei
Eine platte Forderung zur Umsetzung des Gesetzentwurfs der Fraktion „zum Schutz von Vollstreckungsbeamten und Hilfeleistenden“ [, wogegen absolut nichts zu sagen ist]; allerdings wird unter diesem Titel auch die Abschaffung des gerade erst eingeführten Polizeibeauftragten des Bundes gefordert, sowie die Abschaffung der Kennzeichnungspflicht für Bundespolizei-Beamte.
Bedrohungsgesamtrechnung statt Überwachungs-gesamtrechnung
Die von der Ampel angekündigte, jedoch nicht weiter gediehene Überwachungsgesamtrechnung soll ersetzt werden durch eine „Bedrohungsgesamtrechnung“. Allerdings wird damit keinerlei Verbesserung der Einsatz-Fähigkeiten der Sicherheitsbehörden erreicht. Angestrebt ist vielmehr „eine Übersicht des Bedarfs an Fähigkeiten und gesetzlichen Anpassungen für die Sicherheitsbehörden des Bundes“.
Stärkung der Sicherheitsbehörden und Justiz
- „Ausreichendes und gut qualifiziertes Personal“
- „Bessere Ausstattung“
- „Zeitgemäße Befugnisse“ [sic?]
- „Einsatz von verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen darf nicht erschwert werden“
- neuer „Pakt für den Rechtsstaat“ zur Stärkung der Justiz im Bund und in den Ländern„
Sollte der Forderung nach dem „Pakt für den Rechtsstaat“ [Eine „Kamelle,“ die es schon 2019 mal gab] tatsächlich ernst gemeint sein, dürfte der ganze Absatz nicht enthalten sein. Denn die CDU/CSU weiß bestens, dass sowohl die Justiz, als auch die Länder-Polizeien und Landesämter für Verfassungsschutz Ländersache sind.
Das gilt auch für polizeiliche Maßnahmen, wie den Einsatz verdeckter Ermittler, die sich allenfalls bei strafrechtlichen Ermittlungen an den Befugnissen an der (bundeseinheitlichen) Strafprozessordnung (StPO) orientieren; für sonstige Einsätze der Landes-Sicherheitsbehörden sind die entsprechenden Landesgesetze die Rechtsgrundlage, also hat der Bund da nicht mitzureden.
Und was die „bessere Ausstattung“ und „mehr Personal“ angeht: Es war der seinerzeitge Bundesinnenminister und spätere Bundesfinanzminister Schäuble von der CDU, der treibende Kraft war für die Einführung der Schuldenbremse, die im Jahr 2009 ins Grundgesetz (Artikel 109 und 115) aufgenommen wurde. Sie verpflichtet die Bundesländer ab 2020, grundsätzlich keine neuen Schulden mehr aufzunehmen – weder für Investitionen noch für laufende Ausgaben.
Hier kommt erneut der seit Jahren zu beobachtende Angriff von Bundespolitikern der CDU/CSU auf den Föderalismus in der Inneren Sicherheit zutage, dem der Bund – außer einer Konzentration von Befugnissen und Schleifung von unabhängigen Kontrollinstanzen für die Tätigkeiten seiner Sicherheitsbehörden – kein adäquates Angebot an „mehr oder besserer Innerer Sicherheit“ entgegenzusetzen hat.
Verschärfung des Strafrechts, Inhaftierung in „Täterhäusern“, Ausweitung der Anwendung der Fußfessel
Erneut geht es um einen bisher erfolglosen CDU/CSU-Gesetzentwurf in der laufenden Legislatur unter dem Titel „Verbesserung des Opferschutzes, insbesondere für Frauen und verletzliche Personen“.
Nach einem mehrfach verwendeten Modus Operandi sind hier wieder in ein Gesetz, dessen Zweck (dem Namen nach) jedermann zustimmen würde, Erweiterung der Befugnisse hineinverpackt, wie „die Anwendung der elektronischen Fußfessel wird ausgeweitet, um zum Beispiel Gewalttäter gegen Frauen zu stoppen“ oder „der Täter in ein „Täterhaus“, also in Haft kommen kann“.
Ausweitung von Überwachungsbefugnissen
Schon seit Jahren treibt die CDU/CSU beständig die Ausweitung von Überwachungsbefugnissen der Ermittlungsbehörden voran, indem sie sich eines Kunstgriffs bedient, den der Leser nicht ständig im Blick hat.
In der Strafprozessordnung findet sich in den §§100 a bis 100k der Vorrat für weit in die Grundrechte eingreifende Überwachungsmaßnahmen:
Aufgrund der erheblichen Grundrechtseingriffe, die zahlreiche Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zur Folge hatten und meist zu einer Einschränkung führten, dürfen diese Maßnahmen nur beim Vorliegen (des Verdachts) auf bestimmte Straftaten angewendet werden.
Denn es gibt zwei Kategorien von Straftaten, die in §12 StGB (verkürzt gesagt) definiert sind:
- Vergehen, das sind Straftaten, die mit einer geringeren Strafe als einem Jahr Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bedroht sind,. wie z.B. Diebstahl (§ 242 StGB), Beleidigung (§ 185 StGB), Sachbeschädigung (§ 303 StGB)… oder
- Verbrechen, das sind Straftaten, die mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr bedroht sind, wie z.B. Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Raub (§ 249 StGB), Vergewaltigung (§ 177 StGB).
Der Kunstgriff der CDU/CSU, gut zu bestaunen am Beispiel „Wohnungseinbruchdiebstahl„, besteht darin, dass immer mehr Straftaten [vor allem solche, die „politischen Druck“ ausüben,] durch entsprechende Gesetzesänderungen als Verbrechen eingestuft werden.
Was zur Folge hat, dass die den Verbrechen vorbehaltenen Maßnahmen nach §§100a bis 100k StPO auch beim Vorliegen des Verdachts einer solchen Straftat angewendet werden dürfen. Das wären also
- § 100a StPO (Telekommunikationsüberwachung)
- § 100b StPO (Anordnung zur Wohnraumüberwachung durch das Gericht) [bei besonderer Schwere]
- § 100c StPO (Einsatz von Verdeckten Ermittlern und technischen Mitteln zur Wohnraumüberwachung)
- § 100d StPO (Online-Durchsuchung)
- § 100g StPO (Erhebung von Verkehrsdaten)
Nach dem 27-Punkte-Plan der CDU/CSU sollen „gefährliche Körperverletzungen mittels einer Waffe oder eines Messers bzw. mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung zukünftig als Verbrechen geahndet werden“.
Für die „einfache Körperverletzung wird die Mindeststrafe auf drei Monate erhöht“. Auch in diesen Fällen dürfen dann die Ermittlungsbehörden typische Überwachungsmaßnahmen nach §§ 100a–100c StPO anwenden oder Untersuchungshaft nach § 112 StPO.
Auch hierbei handelt es sich um die Neuauflage eines Gesetzesvorhaben, welches die CDU/CSU in der laufenden Legislatur im Bundestag eingebracht hatte, ohne dafür eine Mehrheit zu erhalten. Vielmehr stieß die Vorlage in einer Anhörung auf scharfe Kritik, von Rechtsexperten, so z.B. des Deutsche Juristinnenbundes e.V. (djb) , der die Vorschläge als „zum größten Teil für ineffektiv, in Teilen für verfassungsrechtlich bedenklich und damit symbolhaft“ bewertete.
Nur der Vollständigkeit halber …
… sei zu den weiteren der 27-Punkte-Liste gesagt, dass es sich um eine ausgeweitete Wiedergabe der im 5-Punkte-Programm für sichere Grenzen und Ende der illegalen Migration bereits enthaltenen Forderungen handelt. Zu denen Sie in diesem Artikel eine Inhaltsübersicht und Kurzkommentierung finden.
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