Der eigentliche Skandal im Fall Amed A. führt ins Innenministerium

Im Untersuchungsausschuss zum Tod des Amed A. in unrechtmäßig herbeigeführter Haft wird am vorletzten Sitzungstag der Gutachter gehört. Seine Feststellungen können die Kardinalfrage allerdings nicht beantworten. Umso mehr rückt Innenminister Reul in den Fokus, dessen Haus verantwortlich dafür ist, dass ein bekannter Kardinalfehler im IT-System ViVA über Jahre ignoriert und nicht korrigiert wurde und der der Auslöser war für die Ereignisse, die zum Tod von Amed A. führten. | Lesedauer: Ca. 8 Minuten

Die Kardinalfrage im Fall Amad A – vom Gutachter nicht beantwortet

Die Kardinalfrage zur Klärung des Falles Amed A. hat der Auftraggeber korrekt gestellt: Lässt sich aus den vorliegenden Daten eine Zusammenführung der Datensätze von Amed A. und Amedy G. nachweisen? Und wenn ja: Kann festgestellt werden, wann und von wem diese ausgeführt worden ist?
[Einzelheiten zum Fall Amed A. in A].

Erfassungsübungen am Testsystem mit der ViVA-Version von 2021

Eine klare Antwort auf diese Fragen hat der Gutachter umschwurbelt. Und statt dessen wortreich geschildert, welche zahlreichen Schritte er ausgeführt hat, um in einem Testsystem (sic!) mit „rekonstruierten“ Daten (sic!) und der ViVA-Softwareausstattung von 2021 (sic!) die Zusammenführung der Datensätze von zwei nachweislich NICHT IDENTISCHEN Personen herbeizuführen.

Es ist schade um die acht Seiten, die er für diese Schilderung brauchte und die zahlreichen Screenclips zur großformatigen Bebilderung. Weil das nochmalige Eintippen von Daten in einem ViVA-Testsystem von 2021 die Frage nicht beantworten kann, ob es im Juli 2018 überhaupt zu einer Zusammenführung der Datensätze von Amed A. und Amedy G. gekommen ist. Wofür zwangsläufig auch der Gutachter keine Beweise in den ViVA-Originaldaten gefunden hat – bzw. nicht finden konnte: Denn solche Originaldaten hat der für Datensicherungen zuständige technische Dienstleister, das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD), nicht einmal der Staatsanwaltschaft oder auf Anforderung für den parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Verfügung gestellt. Und 2021 hieß es dann von Innenminister Reul, dass wesentliche Daten „versehentlich“ gelöscht worden seien [Mehr dazu in D].

Im noch vorhandenen Änderungsprotokoll?! Kein einziger Hinweis auf eine Datensatzzusammenführung mehr vorhanden!

Ergiebiger für das Gutachten wäre da schon die Befassung mit der Frage gewesen, was sich denn ergibt aus der nach wie vor vorhandenen, in Excel vorliegenden Kopie des Protokolls der Schreib-, Lösch- und Bearbeitungsvorgänge am ViVA-Datensatz von Amed A.: Statt einer Antwort auf diese Frage flüchtete sich der Gutachter auch dazu in weitere, mehrseitige Schwurbeleien über Sprünge bei der Nummerierung von Protokolldatensätzen. Die für die Inhalte neuer oder veränderter Daten im Datensatz des Amad A. ohne Belang ist.

Die eingehende Beschäftigung mit der „fsAktualisierungsnummer“ ist ein offenkundiges Ablenkungsmanöver von der wesentlich wichtigeren Frage: Warum nämlich im Änderungsprotokoll des ViVA-Datensatzes von Amed A. kein einziger relevanter Protokolleintrag mehr zu finden ist über diese Ereignisse …

  • Zwischen der Mittagszeit des 4.7.2018 (dem Tag der Beförderungserschleichung des Amed A. und (vermutlich auch) der Zusammenführung seines Datensatzes mit dem des ihm wildfremden Schwarzafrikaners Amedy G., bei der die vielen Aliasnamen des Amedy G. und dessen vier Fahndungsnotierungen in den ViVA-Datensatz des Amed A. eingefügt worden sein müssten;
  • auch keiner über den Freitag, 6.7. 2018, den Tag der unrechtmäßigen Inhaftierung des Amed A. auf der Grundlage eines Haftbefehls gegen den Amedy G.;
  • bis hin zum Morgen des Montag, 9.7.2018. An dem eine Sachbearbeitende im LKA die Inhaftierung „verbuchte“ und dabei nicht bemerkt haben soll, dass der Haftbefehl und die inhaftierte Person unterschiedliche Namen hatten.

Dass über die fünftägige Kernphase des Falles Amed A. kein einziger Eintrag in der vorliegenden Kopie des Änderungsprotokolls seines ViVA-Datensatzes mehr enthalten ist, lässt sich plausibel nur mit einer Manipulation dieser Excel-Datei erklären. Denn von diesem Protokoll hieß es zu Beginn der Untersuchungen: Es handele sich, wie vom LKA beim LZPD angefordert, um ein vollständiges Abbild sämtlicher Bearbeitungsvorgänge (sic!) am Datensatz von Amed A.

Im Änderungsprotokoll nachgewiesene LÖSCHUNG von Daten aus dem ViVA-Datensatz von Amed A. durch Mitarbeitende des LZPD – komplett ignoriert!

Noch befremdlicher wird, dass dem Gutachter nicht entgangen sein kann, dass das noch vorhandene Änderungsprotokoll zwar keinen einzigen Protokolleintrag enthält für das SCHREIBEN = Einfügen von Daten des Amedy G. in den Datensatz des Amed A. Wohl aber viele Zeilen Protokolleinträge aufweist darüber, dass eine Vielzahl solcher Daten am 21. und 23.8.2018 aus dem Datensatz von Amed A. wieder GELÖSCHT wurden. Und zwar ausweislich der erhalten gebliebenen Protokollkopie von Mitarbeitenden des technischen Dienstleisters LZPD.

Könnte Amed A. noch leben, wenn nicht nur die Datenlage, sondern auch die unrechtmäßige Inhaftierung rechtzeitig „korrigiert“ worden wäre?!

Offensichtlich war dort also aufgefallen, dass es mit der Zusammenführung der beiden Personen zu einem Datensatz nicht seine Richtigkeit hat. Weshalb man die Daten wieder aus dem Datensatz von Amed A. gelöscht hat, die dort nicht hineingehörten.

Es bleibt das Geheimnis der dafür Verantwortlichen, warum niemand dort im August 2018 sich veranlasst sah, nach der Korrektur der Datenlage auch die falsche Inhaftierung in der Wirklichkeit zu korrigieren und den Amed A. unverzüglich auf freien Fuß setzen zu lassen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wäre der Mann dann nicht einen Monat später an den Folgen eines Brandes in seiner Zelle gestorben.

Dieser Komplex stellt den Schlüssel dar zur Aufklärung des polizeilichen Handelns im Fall Amed A. Ich unterstelle dem Gutachter, dass ihm dies bewusst war. Eine richtige Antwort von ihm auf die explizit gestellte Frage nach dem Ob einer Datensatzzusammenführung, nach dem Wann und Wer hätte also verweisen müssen

  1. auf die im Ermittlungsverfahren von Anfang vom LZPD nicht zur Verfügung gestellten Originaldaten aus ViVA und
  2. auf eine definitiv unvollständige, vermutlich nachträglich bereinigte Excel-Kopie des Änderungsprotokolls

beides aus dem Verantwortungsbereich des LZPD.

Ansprechpartner des Gutachters waren Beteiligte am Fall Amed A. und den Ermittlungen nach seinem Tod

Ansprechpartner für den Gutachter war nicht etwa nur der Auftraggeber, also der Untersuchungsausschuss im Landtag; sondern frühere Beteiligte am Fall Amad A: Nämlich eine Kriminalbeamtin und (frühere?) Sachgebietsleiterin aus dem LKA NRW und Mitarbeitende des schon genannten technischen Dienstleisters LZPD. Sowohl Mitarbeitende aus dem Sachgebiet der LKA-Beamtin als auch mit dem Gutachten befasste LZPD-Mitarbeitende waren schon während des Falles Amed A. mit diesem Komplex befasst und später laufend in die Ermittlungen der Staats­anwalt;­schaft bzw. Bereitstellung von Unterlagen für den PUA eingebunden.

Anlass für Zweifel an der gebotenen Unparteilichkeit des Sachverständigen

Der Gutachter ging dem drohenden Konflikt mit solchen Ansprechpersonen aus dem Weg auf eine ebenso simple, wie befremdliche Weise: Er verwies nämlich auf die „Ermittlungsergebnisse“ der Beamtin aus dem LKA, die er an diversen Stellen für stimmig und technisch nachvollziehbar erklärte. Dabei ließ er außer Acht, dass für einen unparteilichen Sachverständigen niemand von vornherein ausgenommen werden kann, und fremde Behauptungen nicht das Ergebnis der Untersuchung eines eigens beauftragten Sachverständigen ersetzen können und dürfen.

Wie jedermann weiß, lässt sich eine Excel-Datei problemlos verändern …

Umso mehr als Möglichkeiten zur nachträglichen Veränderung einer Excel-Datei mit den Protokolldaten vor allem beim technischen Dienstleister gegeben waren.

Und dass offenkundig ist für jeden, der diese Protokolldatei liest, dass Mitarbeitende des LZPD Daten GELÖSCHT haben, für deren EINFÜGUNG im Datensatz des Amed A. jeglicher Eintrag im angeblich lückenlosen Änderungsprotokoll fehlen: Es gibt dazu weder einen Zeitpunkt noch eine Nutzer(Kennung) in der noch vorhandenen Protokoll-Kopie – und daher auch keine klare Antwort auf die explizite Frage nach dem Ob, Wann und Wer der Datensatzzusammenführung. Diese gefährliche Klippe umschifft der Gutachter, indem er diese einfachste Möglichkeit der Manipulation gar nicht erst erwähnt.

Die damit zum Ausdruck kommende Parteilichkeit des Gutachters, sein Sich-Drücken um deutliche Hinweise auf nicht mehr vorhandene Originaldaten und Widersprüchlichkeiten in der vorliegenden Protokoll-Kopie (Daten werden gelöscht, deren Erstellung nicht protokolliert ist) versucht er zu überspielen mit wortreichen und großformatig bebilderten Schilderungen seiner Erfassungsübungen an einem extra für ihn mit Daten bestückten Testsystem.

Die Absicht ist jedem unvoreingenommenen Beobachter klar. Von Letzteren gibt es allerdings nur wenige im Fall Amed A. Denn für die Regierungsfraktion CDU steht – noch dazu wenige Monate vor der nächsten Landtagswahl – ein wesentlich größerer Elefant im Raum.

Der eigentliche Skandal hinter dem Fall Amed A: Kardinalfehler in ViVA, die über Jahre nicht korrigiert wurden

Und das ist der eigentliche Skandal: Die Tatsache, dass in der Regierungszeit von CDU-Innenminister Reul ein polizeiliches Informationssystem ViVA als Vorgangsbearbeitungs- und INPOL-Land-System in den Produktbetrieb ging, das einen geradezu unglaublich fahrlässigen Kardinalfehler aufwies, der dem Innenministerium angezeigt war und Monate später erst dem Amed A. zum Verhängnis wurde:

Der Kardinalfehler mit den Kreuztreffern in ViVA

Denn ViVA produziert(e) so genannte Kreuztreffer, wann immer im Ergebnis einer Abfrage nach Personen Datensätze enthalten sind, in deren Namensangaben es gemeinsame Merkmale gibt [Mehr dazu in B]. Das soll im Fall von Amed A. der Namensbestandteil ‚Amed‘ gewesen sein, der auch in einem der zahlreichen Aliasnamen des Amedy G. vorkam. Generell ist ‚Amed‘ ja in der arabischen Welt ein Allerweltsname, von dem man sich gar nicht ausmalen mag, zu wie vielen weiteren Kreuztreffer der geführt haben mag.

Es könnte aber genauso gut der gemeinsame Nachname Müller sein (von denen es an die sechshunderttausend Namensträger in der Bundesrepublik gibt). Oder einer der an die sechzigtausend Thomas. Oder eine Person, die am 13.7.1988 geboren ist (oder jedem beliebigen anderen Datum).

Fehlermeldung zum Kreuztreffer seit Februar 2018 im LKA und LZPD bekannt

Dass dieser Kreuztreffer-Algorithmus in ViVA falsche Ergebnisse liefert, war im LKA und LZPD spätestens seit Februar 2018 bekannt – also Monate vor den Ereignissen, die dem Amed A. zum Verhängnis wurden. Dem Untersuchungsausschuss liegen Unterlagen vor über eine aussagekräftige, stichhaltige Fehlermeldung eines Polizeibeamten.
Getan hatte sich bis zum Juli 2018 allerdings gar nichts. Selbst in seiner Praxisübung am ViVA-Testsystem von 2021 demonstriert der Gutachter (, ein wenig blauäugig, wie ich finde), dass die Suche nach Amed Amed zu exakt zwei Treffern (sic!) führte. Der zweite Treffer betrifft den Amedy G. Und man kann nur staunen über den wundersamen Zufall, dass auch im Testsystem des LZPD mit den „rekonstruierten“ Daten zum Allerweltsnamen Amed ausgerechnet nur diese zwei Treffer vorhanden sind …

Unterschiedliche Fingerabdrucksätze der beiden Personen wurden von ViVA nicht ausgewertet und erkannt: Sie hätten die Zusammenführung verhindern müssen!

Doch es kommt noch krasser: Sowohl der Amed A., als auch der Amedy G. waren schon vor den Juli-Ereignissen des Jahres 2018 von der Polizei erkennungsdienstlich behandelt worden. Dabei ist es Standard, dass auch Fingerabdrücke genommen werden. Die dann digitalisiert, an das BKA übertragen und dort ausgewertet werden. Dabei wird überprüft, ob diese eingereichten Abdrücke von allen zehn Fingern und den Handballen übereinstimmen mit irgendeinem der (in die Millionen gehenden) Fingerabdrucksätzen, welche in der AFIS-Datenbank beim BKA schon enthalten sind. Wenn ja, handelt es sich bei den Trägern dieser Fingerabdrücke um ein- und dieselbe Person. Nach weiteren Überprüfungen setzt das BKA in diesem Fall eine Zusammenführung der Personen-Datensätze in Gang [Mehr dazu in C].

Das ist im vorliegenden Fall allerdings gar nicht geschehen. Denn im Falle Amed A. kam es gar nicht zu einer Übertragung an das BKA, weil der (angeblich zusammengeführte) Datensatz formal/strukturell fehlerhaft war und von INPOL nicht verarbeitet worden wäre. Auch dieser Sachverhalt ist dem Gutachter entgangen, der voller Überzeugung beschreibt, dass (im heutigen System – mit fehlerfreien Daten) eine Nachricht an INPOL versendet wird. Was deutlich macht, dass seine „Rekonstruktion“ aus dem Herbst 2021 eben keine validen Aussagen erlaubt über das Systemverhalten im Juli 2018.

Doch zurück zu den Fingerabdrucksätzen von Amed A. und Amedy G.: Die frühere Auswertung der Fingerabdrücke der beiden Personen hatte zum Ergebnis geführt, dass im AFIS-System des BKA ein übereinstimmender Fingerabdrucksatz noch nicht vorhanden war. Demzufolge hatte das BKA jedem der beiden eine eigene, eindeutige Ident-Nummer für die Fingerabdrücke zugewiesen, die so genannte D-Nummer. Die wird an die Polizeibehörde zurückgemeldet, von der die Fingerabdrücke beim BKA eingereicht wurden. Und wird gleichzeitig als Zusatz des Personendatensatzes, sowohl im zentralen INPOL-System, also auch dem INPOL-Landessystem, also ViVA in NRW, gespeichert.
Die D-Nummer ist also faktisch eine Personenidentifizierungsnummer für sämtliche Personen, die jemals von einer deutschen Polizeibehörde erkennungsdienstlich behandelt wurden!

Es ist technisch nicht schwierig, umso mehr jedoch fachlich geboten, zwei D-Nummern automatisch abzugleichen

Es braucht nicht unbedingt Künstliche Intelligenz, um zwei D-Nummern in den Datensätzen von zwei Personen miteinander zu vergleichen. Gerade NACH einem Kreuztreffer. Und aufgrund dessen festzustellen, dass zwei Personen mit zwei unterschiedlichen D-Nummern NICHT IDENTISCH SEIN KÖNNEN.

Genau das aber ist im System ViVA – offenbar bis heute – nicht der Fall. Da wird nicht nur eine hanebüchen oberflächliche, polizei-fachlich fahrlässige Banalüberprüfung auf Übereinstimmung in Namensbestandteilen durchgeführt. Bei denen es sich um zigfach vorkommende Allerweltsnamen, wie ‚Amed‘ oder ‚Müller‘ oder ‚Thomas‘ handeln kann. Oder um das Geburtsdatum ‚01.01.1992‘, das bei Ausländern tausendfach vorkommt, weil deren Geburtsdatum in vielen Fällen nicht amtlich nachgewiesen vorliegt und daher durch dieses Einheitsdatum ersetzt wird.

Würde diese einfache Überprüfung in ViVA vorgenommen, könnten Personen-Datensätze mit UNTERSCHIEDLICHEN D-Nummern nie und nimmer zusammengeführt werden: Weil unterschiedliche D-Nummern belegen, dass die beiden Personen definitiv NICHT IDENTISCH sind. Doch auch das hat in ViVA nicht stattgefunden und findet anscheinend auch vier Jahre später noch immer nicht statt.

Die politische Verantwortung für nicht korrigierte Funktionsfehler in ViVA

Dieses Versäumnis fällt ausschließlich in die politische Verantwortung von Innenminister Reul. Der es seit inzwischen vier Jahren in der Hand gehabt hätte, diese unselige, für Betroffene lebensgefährliche Kreuztrefferfunktion aus dem Verkehr zu ziehen. Schon im Frühjahr 2019 brüstete er sich im Landtag mit seiner persönlichen Befassung mit dieser Kreuztreffer-Funktion (reul-lt)

Unfreiwillig hat der Gutachter mit der Schilderung seiner Datensatzzusammenführung im Testsystem den Nachweis erbracht, dass dieser Kardinalfehler in ViVA auch im vierten Jahr nach den Ereignissen rund um Amed A. noch immer nicht korrigiert worden ist. Ein Fehler im Informationssystem, der am Anfang der Kette von Fehlern in der Polizei stand, die zum Tod von Amed A. in einer Haft führte, die nicht an ihm hätte vollstreckt werden dürfen, weil sie nicht gegen ihn verhängt worden war.

Massive Zweifel an der Qualität und polizeilichen Belastbarkeit von Personendaten in ViVA

Das ist der eigentliche Skandal im Fall Amed A. Der deswegen so schwer wiegt, weil man sich ausmalen kann, zu wievielen – fehlerhaften – Datensatzzusammenführungen es in der Zwischenzeit in ViVA wohl noch gekommen sein mag.

Die tatsächlichen Auswirkungen auf die Qualität und Belastbarkeit könnten technisch geprüft werden

Mit gewissen Aufwand zwar, aber technisch möglich wäre es, anhand der Änderungsprotokolle an sämtlichen Datensätzen nachzuprüfen, wann und bei welchen Datensätzen von Personen es zu Zusammenführungen nach fahrlässig oberflächlichen Kreuztreffern gekommen ist und ob die davon betroffenen Personen gleiche oder unterschiedliche D-Nummern aufweisen, also tatsächlich identisch sind oder nicht.

Überraschender Zufallsfund des Gutachters: Das frühere Protokollierungsverfahren gibt es gar nicht mehr

Diese Lösung setzt allerdings voraus, dass es verläßlich vollständig geschriebene Protokolldaten in ViVA noch geben würde. Auch diese Annahme muss man allerdings fahren lassen: Denn im Zuge der Befassung mit dem Gutachtenauftrag hat man (angeblich) im LZPD festgestellt, dass die in 2018 verwendete Protokollfunktion vom Softwareanbieter inzwischen außer Betrieb gesetzt wurde. Wovon das LZPD angeblich gar nichts wusste. Damit entfällt also die Möglichkeit der Auswertung von Protokolldaten und Rückabwicklung definitiv fehlerhafter Datensatzzusammen­führungen.

Das wiederum lässt Schlimmes ahnen im Hinblick auf die Qualität und Belastbarkeit von Personendaten im Vorgangsbearbeitungs- und INPOL-Landessystem ViVA in Nordrhein-Westfalen. Was mich veranlasst, diesen banal implementierten, nicht mit einer Üerprüfung auf die D-Nummernhinterlegten, und jahrelang fahrlässig ignorierten Kreuztreffer-Fehler in ViVA für den noch viel größeren Skandal zu halten, als den, der durch den tragischen Tod von Amed A. ans Licht kam.

Beiträge zum Thema

A) Zum Fall Amed A.

[A1]   Wenn Daten töten (1): Fall Amad A.: Die fatalen Folgen einer Schwarzfahrt, 28.02.2021

[A2]   Wenn Daten töten: Fall Amad A. (2): Festnahme mit Haftbefehl eines anderen, 02.03.2021

[A3]   Wenn Daten töten: Fall Amad A. (3): LKA und LZPD geben Rätsel auf, 08.03.2021

B) Zum Kreuztreffer-Fehler

[B1]   Vom Kreuztreffer getroffen, 30.01.2020

[B2]   Kreuztreffer in ViVA lieferten irreführende Ergebnisse, 20.06.2020

C) Zum Identitätsnachweis durch Fingerabdrücke und die D-Nummer

[C1]   Fall Amad A.: ViVA machte aus ZWEI Menschen mit unterschiedlichen Fingerabdrucksätzen EINEN, 02.02.2021

[C2]   Was unternimmt IM Reul, um zu verhindern, dass ViVA auch in Zukunft nicht identische Menschen zusammenführt?, 05.02.2021,

D) Zum Hin und Her des Innenministers über gelöschte oder doch nicht gelöschte Originaldaten

[D1]   Fall Amad A.: Offizielle Erklärungen immer unglaubwürdiger, 16.05.2021

[D2]      Fall Amad A.: Innenminister Reul: Datensätze doch nicht gelöscht!, 20.05.2021

[D3]   Fall Amad A.: Presseerklärung der Anwälte: Es wird immer dubioser, 21.05.2021

[D4]   Fall Amad A.: „BKA und Datenlöschung“ ist Ablenkungsmanöver von Innenminister Reul, 25.08.2021

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