Die offiziellen Erklärungen der Behörden im Fall Amad A. werden immer unglaubwürdiger. Und sie beschädigen zunehmend die professionelle Reputation des Landesamts für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) und seiner Mitarbeiter.
In der letzten Sitzung im Untersuchungsausschuss im NRW-Landtag gab es dafür weitere Beispiele: Als Zeugin angehört wurde die Oberstaatsanwältin, die die Ermittlungen im Fall Amad A. geführt hat. Sie soll (nach Presseberichten [1] [2] [3]) „indirekt“ bestätigt haben, dass im Oktober 2020, also zwei Jahre nach dem Tod von Amad A., dessen Datensätze aus den Polizeidatenbanken, dem so genannten ‚Produktivsystem‚ gelöscht worden sein sollen.
Das sollte für die Ermittlung von Vorgänge aus dem Sommer 2018 allerdings kein großes Problem darstellen: Denn Datensicherungen aus der Zeit der angeblichen Datensatzzusammenführung und der daraus resultierenden Inhaftierung von Amad A. wird es doch sicher geben?! Oder etwa nicht?? | Lesedauer: Ca. 12 Minuten
Datenlöschungen trotz ausdrücklich anderer Weisung von Innenminister Reul
Nach Einsetzung des Untersuchungsausschusses im NRW-Landtag im Dezember 2018 hatte dieser per Beweisbeschluss zahlreiche Dokumente bzw. elektronische Daten beim Innenministerium NRW angefordert. Mit der Übersendung an den Ausschuss im Februar 2019 sicherte Innenminister Reul dem Ausschussvorsitzenden zu, dass alle Unterlagen aus seinem Geschäftsbereich, die möglicherweise für das Untersuchungsthema relevant sein könnten, vor Löschungen gesichert würden. Das wird in der Presse als „Löschmoratorium“ bezeichnet.
Wie erst jetzt durch die Oberstaatsanwältin im Untersuchungsausschuss „indirekt“ bestätigt wurde, hat das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) diese ministerielle Weisung nicht beachtet. Diese Behörde gehört zum Geschäftsbereich des Innenministeriums NRW. Sie ist im Auftrag des Innenministeriums der Betreiber der Polizeidatenbanken für Nordrhein-Westfalen (so genannter ‚Auftragsdatenverarbeiter‚). Und damit sowohl verantwortlich für den Datenschutz als auch für die IT-Sicherheit in diesen Systemen.
Die Erklärungen der Oberstaatsanwältin
In der jüngsten Sitzung des Untersuchungsausschusses erklärte die Oberstaatsanwältin: Die Datensätze für den Syrer Amad A. und den Malier Amedy G. seien zwei Jahre nach dem Tod von Amad A. in allen Polizeidatenbanken gelöscht worden. Und begründete dies mit wenig plausiblen Erklärungen:
- Die Löschung sei „versehentlich“ geschehen, durch einen „Automatismus„:
Es muss ein erstaunlicher „Automatismus“ sein, der in der Lage ist, ohne menschliches Zutun Daten aus zwei oder drei VERSCHIEDENEN IT-Systemen / Datenbanken zu löschen: Denn die in Frage stehenden Daten waren verteilt auf das Vorgangsbearbeitungssystem ViVA, das INPOL-Land-System NRW (auch ViVA), das INPOL-Zentralsystem beim BKA und ggf. auch noch auf das „alte“ Vorgangsbearbeitungssystem IGVP. Welcher „Automatismus“ hat Zugriff auf unterschiedlichen Systeme von unterschiedlichen Betreibern? - Die Daten seien zwei Jahre nach dem Tod von Amad A. gelöscht worden. Das sei ein durch das Sterbedatum ausgelöster Routineprozess. Auch diese Erklärung ist fragwürdig:
- Weil der Tod eines Menschen durch die Erfassung seines Sterbedatums in ViVA und INPOL gekennzeichnet werden kann. Man muss also mit dem Menschen nicht auch gleich die Daten vollständig „begraben“.
- Weil die Daten für ein noch laufendes Ermittlungsverfahren gebraucht wurden und daher entsprechend zu sichern und auszusondern gewesen wären. So steht es im Polizeigesetz und im Datenschutzgesetz des Landes NRW .
- Weil nicht nur die Daten von Amad A. gelöscht worden sein sollen. Sondern auch die des Maliers Amedy G.: Ist der inzwischen auch verstorben oder welcher Automatismus sonst hat die Löschung von dessen Datensätzen ausgelöst??
- Es sei „angenommen worden, durch das Löschmoratorium für die KRIMINALDATEN des Falles seien auch die FAHNDUNGSDATEN gesichert (worden), was nicht der Fall gewesen sei.“
Die Unterscheidung zwischen „Kriminal-“ und „Fahndungs“daten ist neu und unüblich: In keinem der o.g. polizeilichen Informationssysteme in NRW wird DIESE Unterscheidung vorgenommen. Sie würde auch wenig Sinn machen. Und die spannende Frage aufwerfen, wie ein Automatismus, der hier so fies zugeschlagen haben soll, zwischen „Kriminaldaten“ und „Fahndungsdaten“ unterscheiden kann. Die Unterscheidung ist im Übrigen irrelevant, denn angeblich sollen ja SÄMTLICHE Daten gelöscht worden sein, also nicht nur „Kriminal-“ oder nur „Fahndungsdaten“. - Für den Amad A. gab es gar keine „Fahndungsdaten“: Weil er nie/nicht zu Fahndung ausgeschrieben war.
Die Erklärung des LZPD: „Bundesweite Vorgaben“ seien schuld …
Eine „bundesweit geltende Vorgabe“ sei schuld für die Datenlöschung, soll das LZPD der Oberstaatsanwältin erklärt haben. „Bundesweite“ Wirksamkeit können nur Regelungen entfalten, die INPOL betreffen, das ist das gemeinsame Verbundsystem der Polizeibehörden von Bund und Ländern.
Es existiert keine „bundesweite Vorgabe“, die erzwingen könnte, dass Daten aus dem Vorgangsbearbeitungssystem eines Bundeslandes gelöscht werden müssen. Auch diese Erklärung ist also nicht stichhaltig für die Löschung von Daten im Vorgangsbearbeitungssystem ViVA.
Gibt es das Konzept von Backups / Datensicherungen auch beim LZPD
Hunderttausende von Home-Office-Arbeitenden fertigen allabendlich eine Sicherung an von den relevanten, veränderten Daten ihres PCs. Dabei entsteht aus „Originaldaten“ ein identisches Doppel. Ähnliches geschieht tagtäglich in jedem Rechenzentrum. Man nennt das Konzept „Backup“: „to back something up“ bedeutet auf Deutsch etwas sicherzustellen. Daraus ist das eingedeutschte Substantiv Backup geworden, zu Deutsch die Datensicherung.
Solche Datensicherungen werden in Rechenzentren von der Größe des LZPD-RZs regelmäßig durchgeführt. Sie umfassen regelmäßige vollständige Backups / Vollsicherung, bei der z.B. der gesamte Bestand von Dateien bzw. jeder einzelnen Datenbanken (ViVA / IGVP / INPOL-Land …) gesichert wird und tägliche differentielle oder inkrementelle Sicherungen.
Das LZPD betreibt nach eigener Aussage „eine der weltweit größten Domänenstrukturen“
Für den IT-Betrieb der Polizeidatenbanken in NRW ist das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste verantwortlich, das von sich selbst sagt, „eine der weltweit größten Domänenstruktur zur Verfügung zu stellen“.
Im LZPD gibt es einen verantwortlichen Datenschutz-Beauftragten. Ebenso ist ein IT-Sicherheitsbeauftragter eingesetzt.
Standards für die IT-Sicherheit und Datensicherung
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) stellt mit dem IT-Grundschutz „Methode, Anleitung, Empfehlung und Hilfe zur Selbsthilfe für Behörden, Unternehmen und Institutionen aller Größen, die sich mit der Absicherung ihrer Daten, Systeme und Informationen befassen wollen“.
Das Innenministerium NRW hat sich im Frühjahr 2018 ausdrücklich zum IT-Grundschutz bekannt. Und für den IT-Grundschutz im Bereich der Polizei sogar ein eigenes Konzept entwickelt, das den besonderen Sicherungsbedürfnissen in der Polizei Rechnung trägt.
Gibt es Backups der Daten aus der Zeit zwischen Juli und September 2018 – und wenn nein: Warum nicht?
Dies vorausgeschickt, dürfte die jetzt aufgetauchte Erklärung von der Löschung von „Originaldaten“ im „Produktivsystem“ irrelevant sein. Denn es wird doch wohl Sicherungen der Datenbanken geben aus der Zeit vom Juli 2018 bis zum September 2018, also der Zeit, als Amad A. zu Unrecht inhaftiert war?!
Was also soll die Erklärung des LZPD und der Oberstaatsanwältin von der angeblich „versehentlichen“ „vollautomatischen Löschung“ von Datensätzen im INPOL- UND (sic!) ViVA-Produktivsystem. Eine Erklärung, die, wie so vieles in diesem Fall, bisher nur behauptet, aber gar nicht bewiesen ist?! Gerade das LZPD als Betreiber der Datenbanken weiß doch besser als jeder andere, dass und welche Datensicherungen wann angefertigt worden sein müssen. Und dass „Originaldaten“ in den Polizeidatenbanken INPOL und ViVA mit Stand vom OKTOBER 2020 wenig aussagekräftig, ja fast irrelevant sind für Sachverhalte, die sich im SOMMER 2018 abgespielt haben! Denn in der Zwischenzeit könnten diese Daten ja verändert worden sein!
Was MICH daran am meisten wundert: Warum hat eigentlich noch kein Mitglied des Untersuchungsausschusses, der/die tatsächlich an der Aufklärung des Falles Amad A. interessiert ist, nach solchen Backups/Datensicherungen aus dem Jahr 2018 gefragt?!
Wie hat die Staatsanwaltschaft ihre Beweissicherungspflicht erfüllt?
Auch die Staatsanwaltschaft kann sich nicht einfach darauf zurückziehen darauf, dass sie mit der notwendigen Sicherstellung von Beweisen nichts zu tun gehabt hätte. Denn schon früh wurde im Fall Amad A. deutlich, dass es Ungereimheiten im Zusammenhang mit DATEN gegeben hat:
- Ursächlich für die Inhaftierung soll der zusammengeführte Datensatz gewesen sein.
- Die – übrigens bis heute m.W. nach nicht bewiesene – Anzeige des Datensatzes von Amad A: mit darin enthaltenen Alias-Personalien von Amedy G. habe Polizeibeamte am 6.7.2018 annehmen lassen, dass der Amad A. und der Amedy G. ein- und dieselbe Person seien.
- Daher hätten sie den Amad A. auf der Grundlage des tatsächlich zur Vollstreckung offenen Haftbefehls gegen den Amedy G. ins Gefängnis eingeliefert.
Die ermittelnde Oberstaatsanwältin traf eine Beweissicherungspflicht für die für diesen Tathergang relevanten Daten. Die ergibt sich aus §160, Abs. 2 der Strafprozessordnung und lautet:
Demnach müsste die Staatanwaltschaft Sicherungen besorgt haben vom Stand im SOMMER 2018 der Datensätze des Amad A. und des Amedy G. im ViVA-Vorgangsbearbeitungssystem und im INPOL-Land-System (ebenfalls ViVA).
Doch wo sind diese gesicherten Beweise? Die oben wiedergegebenen Erklärungs-Klimmzügen über „Kriminaldaten“ und „Fahndungsdaten“, über „versehentlich“ „übersehene“ „automatische Löschungen“ und „bundesweit geltende Vorgaben“ sprechen dafür, dass sich die Staatsanwaltschaft gänzlich darauf verlassen hat, dass sich LZPD bzw. LKA schon kümmern werden um die notwendige Datensicherung. Das stellt die Objektivität ihrer Ermittlungen per se in Frage.
Die Kardinalfragen im Zusammenhang mit der Beweissicherung
- Wurden im fraglichen Zeitraum – Juli mit September 2018 – im LZPD Backups der ViVA-Datenbank angefertigt? Und enthalten diese die Datensätze von Amad A. und Amedy G.? Wenn nein: Warum nicht?
- Wo sind diese Backups heute? Wenn auch sie „nicht mehr auffindbar“ sein sollten, wäre das der wirkliche „Skandal“: Wie erklärt das der dafür verantwortliche IT-Sicherheitsbeauftragte des LZPD?
- Hat sich die Staatsanwaltschaft rechtzeitig im Verlauf der Ermittlungen, also ab September 2018, um die Sicherung von Beweisen der relevanten Daten von Amad A. und von Amedy G. gekümmert? Wenn nein: Warum nicht?
- Hat die Staatsanwaltschaft spätestens nach Bekanntwerden der Datenlöschungen vom Oktober 2020 die Herausgabe von existierenden Datensicherungen vom Sommer 2018 verlangt und erhalten? Wenn nein: Warum nicht?
Wie beweisrelevant sind die im Oktober 2020 angeblich gelöschten Daten?
„Wir können nie wieder auf den Original-Datensatz zugreifen“, wird der Obmann der Grünen-Fraktion im Ausschuss in [1] zitiert.
Das klingt recht dramatisch: Doch schon bisher haben er und andere Mitglieder des Ausschusses diese Daten nicht vermisst. Denn vollständige Kopien der Datensätze von Amad A. und Amedy G. aus ViVA VOR der Datensatzzusammenführung und aus der Zeit danach, hat das LZPD bisher nicht vorgelegt und wurden – soweit mir bekannt ist – weder von der Staatsanwaltschaft noch vom LKA als Ermittlungsführer und auch nicht von Mitgliedern des Untersuchungsausschusses angefordert.
Die wesentlichen notwendigen Belege für das Ergebnis und den Umfang der Datensatzzusammenführung liegen vor – meist in Form von Ausdrucken – und können von der angeblich so schrecklichen Datenlöschung vom Oktober 2020 nicht betroffen sein. Damit ist insbesondere nachweisbar, DASS am Montag, dem 09.07.2018 im Datensatz von Amed A. diverse Alias-Personalien enthalten waren, die vom Amedy G. stammten.
Auch die seinerzeit in INPOL-Zentral gespeicherten Daten über den Amad A. und den Amedy G. sind belegt.
Vorlage bisher fehlender Backups als Chance für die Beweisbarkeit der offiziellen Lesart
Mit Vorlage des bisher nicht berücksichtigten Backups der Daten aus dem Sommer 2018 und Herausgabe durch das LZPD sollte sich der allzu dramatisch beklagte Verlust von Datensätzen aus dem Oktober 2020 eigentlich mehr als wettmachen lassen.
Doch noch ein Beweis für einen zusammengeführten Datensatz VOR der Inhaftierung?!
Das wäre sogar positiv und würde die offizielle Lesart endlich auch beweisen: Denn bisher liegt kein hieb- und stichfester Beweis dafür vor, dass der zusammengeführte Datensatz schon bei der Inhaftierung am 6.7.2018 zu sehen gewesen ist. Diese Annahme stellt ja bisher die offizielle Rechtfertigung für die an der Inhaftierung beteiligten Polizeibeamten dar, dass sie die Identität der beiden Personen annehmen durften. Durch die Vorlage des vollständigen Datensatzes von Amad A., im Status vom 6.7.2018, sei es als Datenkopie oder als Ausdruck, könnte die Annahme von der Anzeige dieses zusammengeführten Datensatzes vor der Inhaftierung bewiesen werden.
Über fehlende Einträge im PROTOKOLL der Bearbeitungen
Diese ganze Erklärung über gelöschte DATEN aus den PRODUKTIVSYSTEMEN (VIVA und INPOL) zwei Jahre nach dem Tod von Amad A. wirkt vor allem als Ablenkung: Vom eigentlichen Verdacht, der im Raum steht und bisher nicht ausgeräumt werden konnte. Der betrifft das Protokoll, das automatisch (!) über jeden Bearbeitungsschritt in der Datenbank ViVA mitgeschrieben wird.
Erstellung und Vorlage des ProtokollAUSZUGS im Herbst 2018 durch das LZPD
Von diesem Protokoll in der Datenbank wurde im LZPD im Rahmen der Ermittlungen im Herbst 2018 ein Auszug aller Bearbeitungen am Datensatz des Amad A. gefertigt, wie üblich in eine Excel-Datei kopiert und ausgedruckt.
Für welche Daten / Bearbeitungsschritte fehlen Protokolleinträge?
In diesem PROTOKOLLAuszug fehlen allerdings Daten: Und zwar über hundert einzelne Daten von Amedy G., die im Rahmen der Datensatz-Zusammenführung zwischen dem 04.07.2018 und 09.07.2018 in den Datensatz von Amad A. geschrieben wurden. Diese Daten betreffen vor allem die Grundpersonalie und Alias-Personalien des Amedy G. Jedes einzelne Datum (Familienname, Vorname, Geburtsdatum usw.) für die Personalien-Gruppen ist durch einen Ausdruck vom 09.07.2018 belegt.
Für über hundert einzelne Daten, die neu in den Amad A.-Datensatz eingefügt wurden, muss es auch entsprechend viele Einträge im Protokoll dazu geben. Die fehlen in dem vorgelegten Auszug aber gänzlich.
Laufnummern sind nur Zwischenüberschriften
Die Erklärung der Oberstaatsanwältin von fehlenden „Laufnummern“ (eine Art Überschrift für „Sektionen“ im Protokoll) ist erneut Ablenkung statt Aufklärung. Auf die Frage, wer die über hundert Protokolleinträge für die Dateneinfügungen gelöscht hat, gibt sie bisher keine Antwort.
Wesentliche ungeklärte Frage: Wer hat den vorgelegten PROTOKOLLAuszug manipuliert – und warum?
Bis heute können Staatsanwaltschaft und LZPD/LKA nicht erklären, warum diese mehr als hundert Protokolleinträge fehlen. Und wer sie aus dem Auszug entfernt hat. Antworten darauf würden beweisen, WER und WANN die Zusammenführung von Daten des Amedy G. mit den Daten des Amad A tatsächlich zu verantworten hat. Und damit auch die Frage erklären, wer von den wenigen Personen, die Zugriff auf dieses Protokoll hatten, es für so wichtig hielt, dass diese Zusammenführung im PROTOKOLLAuszug nicht mehr dokumentiert ist.
Sollte diese Frage nicht geklärt werden, weil die Protokolleinträge verschwunden bleiben, hat dies folgende Konsequenzen:
- Es ist dann weder zu beweisen, dass die Datenerfasserin die Datensatzzusammenführung vorgenommen hat, wie es die bisherige offizielle Theorie glauben machen will.
- Es ist dann aber auch nicht zu beweisen, wer überhaupt die Datensatzzusammenführung vorgenommen hat.
- Das ganze offizielle Erklärungsgerüst vom angeblich zusammengeführten Datensatz, der zwei Tage später angezeigt wurde und zum Glauben verleitete, dass Amad A. und Amedy G. ein- und dieselbe Person seien, wäre dann in seinen Grundfesten erschüttert.
Wurden im OKTOBER 2020 auch die Protokolldaten aus der ViVA-Datenbank gelöscht??
Bisher wurde nicht hinterfragt, ob von den angeblichen Löschungen im Oktober 2020 auch die PROTOKOLLdaten in der ViVA-Datenbank betroffen sind. Ich tippe auf Ja.
Doch auch diese Protokolldaten müssten in den Datensicherungen aus dem Sommer 2018 enthalten sein. Wenn sie’s nicht sind, ist umso mehr der Einschätzung des SPD-Obmanns im Ausschuss zuzustimmen: Das Vertrauen in die Ermittlungsführung des Falles Amad A. durch LKA, LZPD und Staatsanwaltschaft gerät immer mehr ins Wanken.
Zwei Kardinalfragen zur Aufklärung des Falles Amad A.
Die Frage nach der Manipulation im PROTOKOLLAuszug
… ist die erste ZENTRALE FRAGE, die im Raum steht: Eine ungeklärte „nachträgliche Löschung von Daten“ wurde bisher von niemandem behauptet. Die tatsächlich vorgenommene Löschung durch Mitarbeiter des LZPD wurde im Rahmen der Ermittlungen durch das LZPD bereits erklärt.
Ein Gutachtenauftrag über „nachträgliche Datenlöschungen“ ist nicht zielführend
Ein Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen zu einer bisher nie thematisierten Löschung von DATEN im Rahmen der Ermittlungen berührt nicht die tatsächlich zu klärenden Fragen. Sollte dieser Auftrag erteilt werden, wird viel Zeit vergehen, viel Geld des Steuerzahlers ausgegeben [ab] und wird als Ergebnis herauskommen, dass der Gutachter keine fragwürdige DATENlöschung feststellen kann.
Spannung könnte lediglich noch bei der Frage aufkommen, welche DATEN denn dieser Gutachter untersuchen soll, um gelöschte Daten festzustellen … … …
Die ERSTE Kardinalfrage jedoch, nach der Ursache für das Fehlen von mehr als hundert Einträgen im vorgelegten PROTOKOLLAuszug zwischen dem 4.7. und 9.7.2018 wird ein solches Gutachten nicht klären können.
Die zweite KARDINALFRAGE: Warum hat ViVA die Zusammenführung der Datensätze von zwei NICHT IDENTISCHEN Personen nicht blockiert?
Die Datensatzzusammenführung – ganz egal wann und durch wen und ganz egal ob versehentlich oder vorsätzlich – hätte niemals stattfinden dürfen, da für Amad A. und Amedy G. unterschiedliche D-Nummern gespeichert waren. Das bedeutet, dass das BKA ihre Fingerabdrucksätze als eindeutig unterschiedlich ausgewertet hatte und die entsprechende Id ihrer Fingerabdrücke = die D-Nummer in ihren Datensätzen gespeichert ist. Was auch nach der Löschaktion vom Oktober 2020 noch nachgewiesen werden kann!
Solche technisch simplen Prüfungen hätte ViVA durchführen können und müssen. Und daher die Datensatzzusammenführung in der ViVA-Datenbank verhindern müssen. Das ist eine weitere schwere Bürde, die das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste zu tragen hat. Denn das LZPD ist Mitentwickler und Betreiber dieses Systems. Und allein aus diesem Grund schon nicht frei von eigenen Interessen.
Disclaimer
Die Autorin dieses Artikels hat in den vergangenen Monaten Datenanalysen und Auswertungen der Unterlagen, Daten und Ausdrucke im Fall Amad A. im Auftrag der Anwälte seiner Eltern erstellt.
Hier finden Sie mehr zu ihrem beruflichen Hintergrund.
Quelle und Belege
[1] Originaldaten im Fall Amad A. gelöscht: Strafanzeige, 11.05.2021, Agenturnachricht [2] Daten aus dem Fall Amad A. „versehentlich“ gelöscht, WDR, Westpol, 12.05.2021 [3] Die Polizei löscht Daten, 13.05.2021, TAZ [4] Modernisierter IT-Grundschutz im Bereich der Polizei – ein Weg, 15.03.2018, Innenministerium NRWhttps://www.bsi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/BSI/Veranstaltungen/Grundschutz/1GS_Tag_2018/Modernisierter_IT_Grundschutz_im_Bereich_der_Polizei_ein_Weg.pdf?__blob=publicationFile&v=1
Beiträge zum Fall Amad A.
[A] Wie Manipulationen in INPOL den Syrer A.A. hinter Gitter brachten …, 04.04.2019https://police-it.net/wie-manipulationen-in-inpol-den-syrer-a-a-hinter-gitter-brachten
MONITOR berichtete am 04.04.2019 über einen Vorgang in der Polizei Nordrhein-Westfalen und Hamburg, den man bisher so nicht für möglich gehalten hätte … [B] Wenn der Minister berichtet …, 11.04.2019
https://police-it.net/wenn-der-minister-berichtet
Innenminister Reul stellte sich am 10.04.2019 im Düsseldorfer Landtag einer Fragestunde zum Fall der Verfälschung von Namensangaben in INPOL, die den Syrer Amad A. dauerhaft hinter Gitter brachte. Dabei waren ihm zwei Dinge wichtig: Eine Datenmanipulation habe durchaus stattgefunden, aber eben nicht in NRW. Auch Fehler bei der Identitätsüberprüfung habe es gegeben. Aber gegen die beiden daran beteiligten Polizeibeamten habe er Disziplinarverfahren eingeleitet und ermittle die Staatsanwaltschaft. Das allein genügt allerdings nicht, um Polizei und Politik in NRW von ihrer Verantwortung zu befreien. [C] Probleme mit Kreuztreffern im NRW-Polizeisystem ViVA, 17.06.2020
https://police-it.net/probleme-mit-kreuztreffern-im-nrw-polizeisystem-viva
„Riesenprobleme“ habe es gegeben mit Kreuztreffern im NRW-Polizeisystem ViVa. Das berichtete ein Zeuge im parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Heureka! Die Software ist schuld. Ist diese Erklärung wirklich haltbar?! Ich halte sie für widerlegbar aus mehreren, triftigen Gründen . Auch wenn sie – vor der Sommerpause – den erklärten „politischen Interessen“ nützt, die gerade die CDU im Ausschuss so massiv betont. [D] Nur die Spitze des Eisbergs?, 17.09.2020
https://police-it.net/polizei_nordrhein-westfalen-auslaenderfeindlichkeit-amedamed
In der Polizei Nordrhein-Westfalen ist eine rechtsextreme Chatgruppe aufgeflogen. 29 Polizeibeamte sind mit straf- bzw. disziplinarrechtlichen Maßnahmen konfrontiert. Innenminister Reul kündigte mit markigen Worten Gegenmaßnahmen an. Im „PUA-Kleve“-Untersuchungsausschuss zur unrechtmäßigen Inhaftierung des Syrers Amad A., könnte die CDU-Mehrheit demonstrieren, dass diese Ankündigung der neue politische Wille in NRW sind – und endlich für Aufklärung sorgen. [E] Fall Amad A.: Manipulationen an Protokoll und Daten, 17.01.2021
https://police-it.net/fall-amad-a-manipulationen-an-protokoll-und-daten
Manipulationen an einem beweisrelevanten Protokoll und die klammheimliche Korrektur von Daten schüren weitere Zweifel an der offiziellen Erklärung im Fall Amad A. [F] Fall Amad A.: Polizeidatenbank ViVA machte aus zwei NICHT identischen Menschen einen, 02.02.2021
https://police-it.net/fall-amad-a-polizeidatenbank-viva-machte-aus-zwei-nicht-identischen-menschen-einen
Wenn erkennungsdienstlich von der Polizei behandelte Personen unterschiedliche Fingerabdrücke haben, darf es nicht zu einer Datensatzzusammenführung kommen. Weil dann vom Bundeskriminalamt nach einer daktyloskopischen Auswertung ihrer Finger-/Handflächenabdrucksätze bestätigt ist, dass diese Personen NICHT identisch sind. Amad A. und der datenmäßig mit ihm „zusammengeführte“ Amedy G. hatten definitiv unterschiedliche Abdrucksätze, d.h. unterschiedliche D-Nummern. Ein Vergleich dieser D-Nummern durch Software ist leicht möglich. Eine fachlich qualifizierte, mit den INPOL-Regeln konforme Software hätte den Unterschied erkennen müssen. [G] Was unternimmt IM Reul, um zu verhindern, dass ViVA auch in Zukunft nicht identische Menschen zusammenführt?, 05.02.2021
https://police-it.net/was-unternimmt-im-reul-dagen-dass-viva-erneut-nicht-identische-menschen-zusammenfuehrt
Wieder einmal liegen Einstellungsbescheide der Staatsanwaltschaft Kleve vor zu Ermittlungsverfahren gegen Polizei- und Justizbeamte im Fall des Syrers Amad A.: In seinem Fall wird häufig der Vergleich angestellt mit dem tragischen Tod des Oury Jalloh in einer Polizeizelle in Dessau. Abgesehen von der Gemeinsamkeit des Brandes in der Zelle sehe ich wenige, bewiesene Übereinstimmungen. Ganz im Gegenteil halte ich den Fall des Amad A., für weitaus gravierender, wenn man ihn als Prototypen für einen möglichen Modus Operandi, also eine Vorgehensweise durch Polizei- bzw. Justizbeamte gegenüber Menschen ansieht, die ihnen (zeitweise) anvertraut sind. Dieser Modus Operandi kann sich wiederholen! Denn es kam im Fall Amad A. zur Herstellung einer Datenlage im polizeilichen Informationssystem. Die es so aussehen ließ, als seien der Syrer Amad A. und der Malier Amedy G. ein- und dieselbe Person. Infolgedessen kam es zur Verhaftung und Einlieferung des Amad A. in die JVA. Zehn Wochen später war Amad A. nicht mehr am Leben. Dafür war ein krass regelwidriges Systemverhalten von ViVA mitverantwortlich. [H] Wenn Daten töten (1): Fall Amad A.: Die fatalen Folgen einer Schwarzfahrt, 28.02.2021
Teil 1 der Serie ‚Wenn Daten töten – Der Fall des Syrers Amad A.‘
https://police-it.net/wenn-daten-toeten-1-fall-amad-a-die-fatalen-folgen-einer-schwarzfahrt
Ohne die Schwarzfahrt am 04.07.2018 hätte sich das Leben von Amad A. anders entwickelt. Denn die polizeiliche Sachbearbeitung seiner erneuten „Beförderungserschleichung“ an diesem Tag legte den Grundstein für seine unrechtmäßige Festnahme zwei Tage später. Die führte drei Monate später zu seinem Tod. [I] Wenn Daten töten: Fall Amad A. (2): Festnahme mit Haftbefehl eines anderen, 02.03.2021
Teil 2 der Serie ‚Wenn Daten töten – Der Fall des Syrers Amad A.‘
https://police-it.net/wenn-daten-toeten-fall-amad-a-2-festnahme-mit-haftbefehl-eines-anderen
Am 06.07.2018 wurde der Syrer Amad A. von der Polizei in Geldern in Gewahrsam genommen. Der Vorfall, der dem zugrunde lag, hätte keinesfalls eine richterliche Freiheitsstrafe nach sich gezogen. Sechs Stunden später war Amad A. festgenommen und in die JVA Geldern eingeliefert. Auf der Grundlage eines Haftbefehls gegen einen völlig anderen Menschen namens Amedy G. Spätere Ermittlungen gegen Polizei- und Justizvollzugsbeamten wurden eingestellt: Eine Kenntnis der fehlenden Identität von Amad A. und Amedy G. habe ihnen nicht nachgewiesen werden können … [J] Wenn Daten töten: Fall Amad A. (3): LKA und LZPD geben Rätsel auf, 08.03.2021
Teil 3 der Serie ‚Wenn Daten töten – Der Fall des Syrers Amad A.‘
https://police-it.net/wenn-daten-toeten-fall-amad-a-3-lka-und-lzpd-geben-raetsel-auf
Am Montag Morgen, dem 09.07.2018 lag die Mitteilung über die Inhaftierung von Amad A. beim LKA vor und wurde dort in ViVA übernommen. Dass der eindeutig identifizierte Amad A. in Haft saß auf der Grundlage von Haftbefehlen für einen Amedy G. wurde auch dort nicht bemerkt. Wo Daten nicht „passten“, wurden sie passend gemacht. Und endlich wurde auch die ED-Behandlung vom 04.07.2018 in ViVA abgeschlossen. Bei all dem kam es zu einer Reihe von bis heute ungelösten Rätseln … [K] Fall Amad A.: Der geplante Gutachtenauftrag von CDU und FDP stellt die falschen Fragen, 12.05.2021
https://police-it.net/fall-amad-a-der-geplante-gutachtenauftrag-von-cdu-und-fdp-stellt-falsche-fragen
Der geplante Auftrag an den Gutachter, den CDU und FDP in der Sitzung des Untersuchungsausschusses im NRW-Landtag am 10.05.2021 angeregt haben, wird drei wesentliche ungeklärte Sachverhalte im Fall Amad A. nicht klären können. Solange es bei den derzeit veröffentlichten falschen Fragen bleibt …
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