Palantir-Börsengang wirft Fragen auf an deutsche Polizeikunden
Palantir’s Geschäftsmodell: Stramm an der Seite der Vereinigten Staaten und eine Wachstumsstrategie, die aus jedem Kunden das Maximum rausholt.
Lesedauer: Ca. 10 Minuten
Palantir’s Geschäftsmodell: Stramm an der Seite der Vereinigten Staaten und eine Wachstumsstrategie, die aus jedem Kunden das Maximum rausholt.
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Knapp drei Jahre nach der ersten (bekannt gewordenen) Beschaffung eines Palantir-System für eine deutsche Polizeibehörde stellt sich der Status wie folgt dar: Zwei deutsche Polizeibehörden haben offiziell Palantir-Systeme beschafft. Andere sondieren noch. Und (mindestens) eine versteckte Beschaffung kam inzwischen auch ans Licht.
Wie in keinem anderen Bundesland hat das Innenministerium Hessen seit Jahren in die Beschaffung und Entwicklung wichtiger IT-Systeme und -Anwendungen für die Polizei hineinregiert. Dabei herausgekommen ist ein intransparentes Konglomerat von Systemen, Betreibern und Verantwortlichkeiten. Und völlige Unklarheit über Zugriffsrechte, Protokollierung und Kontrollen. Wodurch illegale Abfragen von Polizeidatenbanken begünstigt wurden. Und das aus den gleichen Gründen die Nicht-Erfassung von relevanten Informationen – z.B. im Falle des Amoklaufs / Anschlags vom Februar 2020 in Hanau – nicht mehr ausgeschlossen erscheinen lässt. Eine umfassende, vom hessischen Innenministerium unabhängige Überprüfung und Aufklärung ist mehr als überfällig …
Den Amoklauf / Anschlag vom 19.02.2020 in Hanau konnte die hessische Polizei auch mit der neuen Analyseplattform Hessendata nicht verhindern. Was verwundert, wenn die aktuellen Nachrichten sich bestätigen, dass der Täter „der Polizei“ schon seit Jahren bekannt war, eine Webseite mit eindeutigen Inhalten im Internet unterhielt und dort schon Tage vor der Tat sein „Manifest“ veröffentlicht hatte.
Welchen Beitrag leistete Hessendata also „vor“ Hanau?
HINTER die hohen Mauern „der Polizei“ zu schauen, ist ja für Außenstehende unmöglich. Polizei-Beauftragte, die eine gewisse Kontrolle ermöglichen würden, werden dank der Gewerkschaften seit Jahren wirksam vermieden. Polizeiführungen sind überwiegend der Ansicht, dass „Fehler bei uns nicht vorkommen“.
Bleiben als Kontrollinstanz also nur die Datenschutz-Aufsichtsbehörden, zumindest für den Aspekt des Umgangs der Polizei mit den von ihr erhobenen bzw. genutzten Daten. Nach dem Hinweis auf einen sehr lohnenden Film folgt eine Reihe von ernüchternden Fakten zu diesem Thema und zum Schluss ein besonderes Schmankerl aus dem Hause BMI …
Die Fundstücke in dieser Ausgabe:
Einen großen Erfolg vermeldete der hessischen Innenminister Beuth einen Tag, bevor der Untersuchungsausschuss über Vergabepraktiken in seinem Geschäftsbereich die Arbeit aufnahm. Maßgeblich ging es dabei um die Beschaffung von Hessendata/Palantir. Dank dieser Analyseplattform, so der Innenminister, sei bereits ein bevorstehender Terroranschlag verhindert worden. Eineinhalb Jahre später erging ein Urteil gegen den jugendlichen Angeklagten. Zwei Jahre auf Bewährung, umgehende Freilassung nach eineinhalb Jahren U-Haft.
Hessen ist mit Hessendata schon vorgesprescht. Nordrhein-Westfalen und nun auch Bayern haben sich aufgemacht, eine systemübergreifende Recherche- und Analyseplattform zu beschaffen. Die wie ein Dach über die diversen Datentöpfe gespannt wird, auf die in jeder Polizeibehörde in Deutschland derzeit die relevanten Informationen verteilt sind.
Gibt es derzeit überhaupt Anbieter und Produkte für diese Anforderungen? Führen solche behördenspezifischen Dachsysteme nicht zu einer weiteren Zersplitterung der polizeilichen Informationslandschaft? Was bedeutet diese Entwicklung für Polizei 2020? Und würde die erfolgreiche Einführung nicht zu einer Teil-Autonomisierung der Polizeiarbeit führen, zumindest, was Ermittlung, Analyse und Auswertung angeht?
Noch während des Pilotbetriebs habe die Palantir-Software = Hessendata einen Terroranschlag verhindert. Mit dieser Begründung hat das hessische Innenministerium die freihändige, millionenschwere Beschaffung dieses Systems gerechtfertigt. Beweise für diese Behauptung fehlen allerdings eineinhalb Jahre später immer noch. Auch heute kam das Gericht nicht zu dem eigentlich erwarteten Urteil. Stattdessen wurden weitere Verhandlungstermine angesetzt.
Wenn Nachrichten zu erwarten sind, die kritisch ausfallen könnten, greift das hessische Innenministerium (HMdIS) zur Vorwärtsverteidigung: Es generiert dann selbst Meldungen, die nach Erfolg aussehen. So geschehen im letzten Jahr: Da wurde am Tag vor der ersten Sitzung des Untersuchungsausschusses zu den fragwürdigen Vergabepraktiken in Sachen Palantir / Hessendata ein angeblicher VERHINDERTER Terroranschlag vermeldet. Auch zwölf Monate später gibt es für diese Darstellung keine Bestätigung: Vorbeugend für den Fall, dass auch
die für Mitte August erwartete Gerichtsentscheidung den angeblichen Terroranschlag gerade NICHT belegen kann, hat das Ministerium kürzlich eine ‚Anti-Terror-Übung‘ abhalten lassen. Die wurde in einer Pressemitteilung als strahlender Erfolg verkauft, an dem – angeblich – auch Hessendata einen erheblichen Anteil hatte. Allerdings erweisen sich bei näherer Betrachtung auch diese Erfolgsmeldungen weitgehend als heiße Luft …